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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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nach von den ritterlichen Burgmänner, denen sich fränkische Reichsministerialen
anschlössen; und diese Patricier behaupteten sich gegen die Bestrebungen der Hand¬
werker und anderer minder berechtigter Kreise in der Leitung der öffentlichen Dinge;
die demokratischen Einrichtungen auf breiter Grundlage einer zünftigen Ver¬
fassung, welche in dieser Zeit fast überall durchgesetzt wurden, blieben von Roten¬
burg fern.

Und aus den Kreisen der Patricier ist denn auch der Mann hervorgegan¬
gen, der an der Scheide des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts Roten-
burg in kurzer Zeit auf den Gipfelpunkt seiner Blüthe emporhob, der Bürger¬
meister Heinrich Tepler. Es war so recht die Glanzzeit der süddeutschen Reichs¬
städte, in welche seine Wirksamkeit siel. Schon das Jahr seines Eintritts in
den.Rath, 1377, ist durch den Beitritt Notendurgs zum Städtebünde bezeichnet;
in dem großen Städtekriege war er nachher einer der Bundeshauptleute. Zwar
hat seine Vaterstadt, wie alle anderen Bundesglieder, nach dem unglücklichen
Ausgange des Jahres 1388 von dieser großen Verbindung ablassen müssen, aber
unter seiner Leitung ist die Stadt dennoch auch serner kräftig fortgeschritten.
Vortrefflich verstand er es, die zerrütteten ökonomischen Verhältnisse des um¬
wohnenden Adels auszunutzen. Dieser sah sich gezwungen, derselben Stadt
welche er so sehr haßte und grimmig genug befehdete, seine Besitzungen zu ver¬
kaufen, während die Stadt durch sparsamen Haushalt und kluge Beobachtung günsti¬
ger Gelegenheiten erstarkte. Schon 1377 war das Kloster der Dominicanerinnen,
eine Versorgungsanstalt adeliger Töchter, die darin nicht immer ein geistliches Leben
führten, bewogen worden, der Stadt die Schirmherrschaft zu übertragen. Lange hatte
das Kloster die Vollendung der städtischen Befestigung an der Nordwestseite
verzögert und in Fehdezeiten durch Kundschaft aus der Stadt den Brüdern und
Vettern ausgeholfen. Dem wrttde jetzt gesteuert. Dann traten 1383 die Herren
von Nortenberg mit ihrer ausgedehnten Herrschaft auch die Hinterburg, welche
ihnen zustand, käuflich an die Stadt ab. Andere Erwerbungen erfolgten
in kurzen Fristen, und so war Rotenburg, das vor Töpler beinahe auf seine
Markung beschränkt gewesen, rasch zu einem ansehnlichen Landgebiete gelangt,
das nachmals nicht mehr sehr vermehrt wurde. Es hatte zur Zeit seiner
größten Ausdehnung 6 Quadratmeilen Flächeninhalt, wohl das größte Terri¬
torium einer süddeutschen Reichsstadt nach den 23 und 17 Quadratmeilen von
Nürnberg und Ulm. Aber noch Weiteres wurde durch Töpler für Rotenvurg
erreicht. Das kaiserliche Landgericht auf der Burg war durch König Wenzel,
der stets in Geldnoth schwebte, verpfändet. Töpler wußte es durch Erlegung
der Pfandsumme an die Stadt zu bringen und durch geschickte Unterhandlungen
und energisches Auftreten auch zu behaupten, besonders dem Bischof von Würz-
burg gegenüber, der die fränkischen Herzogsrechte geltend zu machen suchte.
Hierzu war denn blos eine Ergänzung, daß 1425 König Siegmund den Roten-


nach von den ritterlichen Burgmänner, denen sich fränkische Reichsministerialen
anschlössen; und diese Patricier behaupteten sich gegen die Bestrebungen der Hand¬
werker und anderer minder berechtigter Kreise in der Leitung der öffentlichen Dinge;
die demokratischen Einrichtungen auf breiter Grundlage einer zünftigen Ver¬
fassung, welche in dieser Zeit fast überall durchgesetzt wurden, blieben von Roten¬
burg fern.

Und aus den Kreisen der Patricier ist denn auch der Mann hervorgegan¬
gen, der an der Scheide des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts Roten-
burg in kurzer Zeit auf den Gipfelpunkt seiner Blüthe emporhob, der Bürger¬
meister Heinrich Tepler. Es war so recht die Glanzzeit der süddeutschen Reichs¬
städte, in welche seine Wirksamkeit siel. Schon das Jahr seines Eintritts in
den.Rath, 1377, ist durch den Beitritt Notendurgs zum Städtebünde bezeichnet;
in dem großen Städtekriege war er nachher einer der Bundeshauptleute. Zwar
hat seine Vaterstadt, wie alle anderen Bundesglieder, nach dem unglücklichen
Ausgange des Jahres 1388 von dieser großen Verbindung ablassen müssen, aber
unter seiner Leitung ist die Stadt dennoch auch serner kräftig fortgeschritten.
Vortrefflich verstand er es, die zerrütteten ökonomischen Verhältnisse des um¬
wohnenden Adels auszunutzen. Dieser sah sich gezwungen, derselben Stadt
welche er so sehr haßte und grimmig genug befehdete, seine Besitzungen zu ver¬
kaufen, während die Stadt durch sparsamen Haushalt und kluge Beobachtung günsti¬
ger Gelegenheiten erstarkte. Schon 1377 war das Kloster der Dominicanerinnen,
eine Versorgungsanstalt adeliger Töchter, die darin nicht immer ein geistliches Leben
führten, bewogen worden, der Stadt die Schirmherrschaft zu übertragen. Lange hatte
das Kloster die Vollendung der städtischen Befestigung an der Nordwestseite
verzögert und in Fehdezeiten durch Kundschaft aus der Stadt den Brüdern und
Vettern ausgeholfen. Dem wrttde jetzt gesteuert. Dann traten 1383 die Herren
von Nortenberg mit ihrer ausgedehnten Herrschaft auch die Hinterburg, welche
ihnen zustand, käuflich an die Stadt ab. Andere Erwerbungen erfolgten
in kurzen Fristen, und so war Rotenburg, das vor Töpler beinahe auf seine
Markung beschränkt gewesen, rasch zu einem ansehnlichen Landgebiete gelangt,
das nachmals nicht mehr sehr vermehrt wurde. Es hatte zur Zeit seiner
größten Ausdehnung 6 Quadratmeilen Flächeninhalt, wohl das größte Terri¬
torium einer süddeutschen Reichsstadt nach den 23 und 17 Quadratmeilen von
Nürnberg und Ulm. Aber noch Weiteres wurde durch Töpler für Rotenvurg
erreicht. Das kaiserliche Landgericht auf der Burg war durch König Wenzel,
der stets in Geldnoth schwebte, verpfändet. Töpler wußte es durch Erlegung
der Pfandsumme an die Stadt zu bringen und durch geschickte Unterhandlungen
und energisches Auftreten auch zu behaupten, besonders dem Bischof von Würz-
burg gegenüber, der die fränkischen Herzogsrechte geltend zu machen suchte.
Hierzu war denn blos eine Ergänzung, daß 1425 König Siegmund den Roten-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/59>, abgerufen am 29.09.2024.