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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Reichsgut zu verwalten und die Ansiedelung dabei, welche sich zu einer Stadt
entwickelte. Männer aus dem Hause der Herren von Nortenberg erscheinen
bald im erblichen Besitz dieser Stellung. Schon zur staufischen Zeit umfaßt"
das Plateau des Burghügels ob der Tauber außer der Stätte des kaiserlichen
Landgerichts auch eine besondere Nortenbergische Hintere oder neue Burg neben
der alten Vvrderburg, die auch fortan dem Reiche zustand. Und als über freies
Eigenthum verfügte 12S8 LupoU von Norteaberg, als er einen ausgedehnten
Meierhof nahe am Ausgange der Burg innerhalb der jetzigen Stadt in ein Kloster
der Dominicanerinnen umwandelte, die bis dahin außerhalb der sichernden
Mauer" gewohnt hatten. So schloß auch die Burg der Stadt Nürnberg, das
aus ähnlichen Vorbedingungen wie Rotenburg erwachsen war, neben der Reichs"
veste eine Beste der Burggrafen in sich, seit die Grasen Zollern erbliche Burg¬
grafen geworden Ware".

Nicht lange ist die Stadt in Botmäßigkeit der Hohenlohe geblieben. Ihre
inneren Verhältnisse gestalteten sich im dreizehnten Jahrhundert analog wie in
anderen Reichsstädte", die bei königlichen Burgen erwachsen waren. Schon 1240
mußten die Rotenburger daran denken, nach dem Brande ihres Rathhauses
diesem Gemeindehause eine neue Stätte zu errichten, und schon vom 15. Mai
1274 ist aus Hagenau ein umfassendes Privileg Konig Rudolfs datirt, welches
Rotenburg für eine reichsunmittelbare Stadt erklärt. Wohl schlossen sich hieran
noch mehrfach Verpfändungen durch die Neichshäupter, eines der gewöhnlichsten
Ereignisse für eine Reichsstadt in dieser Periode, aber immer wieder wußte die
Stadt sich auszulösen. Zuletzt noch, als sie 1349 durch Karl den Vierten an
den Würzburger Bischof veräußert worden war, trotz eines feierlichen Versprechens
Ludwigs des Baiern aus dem Jahre 1333.

Das vierzehnte Jahrhundert verging der Stadt in einer Weise, die von
der gleichzeitigen Geschichte anderer ähnlicher Communen Deutschlands wenig
abweicht. Am Ende des dreizehntenJahrhunderts hatten auch in Rotenburg die Mino"
rnen Aufnahme gefunden, damals wurde der Bau eines neuen Spitals begonnen,
nachdem das alte den Johannitern eingeräumt worden. Wie überall, wurden
auch hier in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Juden grausam ver¬
folgt, aber sie leisteten in Rotenburg die entschlossenste Gegenwehr, ein Thurm
der Stadtmauer, den sie besetzt hatten, ging in Flammen auf. Und wie in
den meisten lebenskräftigen Städten jener Zeit wuchs auch in Rotenburg das
Gut der Stadtkirche durch Wallfahrten, Ablaßbriefe und reiche Stiftungen in
ansehnlichem Maße -- besonders einigen Tropfen heiligen Blutes galt die Ver¬
ehrung -- und 1373 konnte ein ansehnlicher Neubau der Kirche angefangen
werden. -- Aber in einer wichtigen Richtung hielt sich die Stadt von der Zeit¬
strömung fern. Die "Ehrbaren", wie das Patriciat der regierungsfähigen
Fanulien sich benannte, stammten wohl, wie im nahen Nürnberg, ihrem Kerne


Reichsgut zu verwalten und die Ansiedelung dabei, welche sich zu einer Stadt
entwickelte. Männer aus dem Hause der Herren von Nortenberg erscheinen
bald im erblichen Besitz dieser Stellung. Schon zur staufischen Zeit umfaßt«
das Plateau des Burghügels ob der Tauber außer der Stätte des kaiserlichen
Landgerichts auch eine besondere Nortenbergische Hintere oder neue Burg neben
der alten Vvrderburg, die auch fortan dem Reiche zustand. Und als über freies
Eigenthum verfügte 12S8 LupoU von Norteaberg, als er einen ausgedehnten
Meierhof nahe am Ausgange der Burg innerhalb der jetzigen Stadt in ein Kloster
der Dominicanerinnen umwandelte, die bis dahin außerhalb der sichernden
Mauer» gewohnt hatten. So schloß auch die Burg der Stadt Nürnberg, das
aus ähnlichen Vorbedingungen wie Rotenburg erwachsen war, neben der Reichs«
veste eine Beste der Burggrafen in sich, seit die Grasen Zollern erbliche Burg¬
grafen geworden Ware».

Nicht lange ist die Stadt in Botmäßigkeit der Hohenlohe geblieben. Ihre
inneren Verhältnisse gestalteten sich im dreizehnten Jahrhundert analog wie in
anderen Reichsstädte», die bei königlichen Burgen erwachsen waren. Schon 1240
mußten die Rotenburger daran denken, nach dem Brande ihres Rathhauses
diesem Gemeindehause eine neue Stätte zu errichten, und schon vom 15. Mai
1274 ist aus Hagenau ein umfassendes Privileg Konig Rudolfs datirt, welches
Rotenburg für eine reichsunmittelbare Stadt erklärt. Wohl schlossen sich hieran
noch mehrfach Verpfändungen durch die Neichshäupter, eines der gewöhnlichsten
Ereignisse für eine Reichsstadt in dieser Periode, aber immer wieder wußte die
Stadt sich auszulösen. Zuletzt noch, als sie 1349 durch Karl den Vierten an
den Würzburger Bischof veräußert worden war, trotz eines feierlichen Versprechens
Ludwigs des Baiern aus dem Jahre 1333.

Das vierzehnte Jahrhundert verging der Stadt in einer Weise, die von
der gleichzeitigen Geschichte anderer ähnlicher Communen Deutschlands wenig
abweicht. Am Ende des dreizehntenJahrhunderts hatten auch in Rotenburg die Mino«
rnen Aufnahme gefunden, damals wurde der Bau eines neuen Spitals begonnen,
nachdem das alte den Johannitern eingeräumt worden. Wie überall, wurden
auch hier in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts die Juden grausam ver¬
folgt, aber sie leisteten in Rotenburg die entschlossenste Gegenwehr, ein Thurm
der Stadtmauer, den sie besetzt hatten, ging in Flammen auf. Und wie in
den meisten lebenskräftigen Städten jener Zeit wuchs auch in Rotenburg das
Gut der Stadtkirche durch Wallfahrten, Ablaßbriefe und reiche Stiftungen in
ansehnlichem Maße — besonders einigen Tropfen heiligen Blutes galt die Ver¬
ehrung — und 1373 konnte ein ansehnlicher Neubau der Kirche angefangen
werden. — Aber in einer wichtigen Richtung hielt sich die Stadt von der Zeit¬
strömung fern. Die „Ehrbaren", wie das Patriciat der regierungsfähigen
Fanulien sich benannte, stammten wohl, wie im nahen Nürnberg, ihrem Kerne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/58>, abgerufen am 29.09.2024.