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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Eiser dieser Arbeit aber muß wachsen mit dem Vorschreiten des Constitutiona-
lismus; je mehr dieser sich befestigt, um so dringender wird das Interesse an
vollständiger Aufklärung über das Wesen des Staatshaushalts.

Eine neue Bearbeitung des finanzwissenschastlichen Gebiets wird daher
immer willkommen geheißen werden, sei es nun, daß sie die Doctrin selbst
revidire und fördere, sei es, daß sie sich die popularisirende Verallgemeinerung
politischen Wissens zur Aufgabe mache. Indem der Verfasser des oben ge¬
nannten Werkes diese letztere Seite als Hauptzweck ins Auge faßte, verzichtete
er keineswegs auf eine gründliche Berücksichtigung der ersteren. Eine allge-
mcinsaßliche Darstellung und zugleich eine schonungslose Kritik, und Verwerfung
des anerkannt Schlechten, Vorschlag zu Neuem und Bessern der Lesewelt vor¬
zulegen, war Pfeiffers Absicht. Nicht das ganze Feld der Finanzwissenschaft
umfaßt der Titel seines Buchs; für den angedeuteten Zweck mochte es genügen,
den der Gesammtheit des Volks am meisten in die Augen springenden, die
Privatinteressen am empfindlichsten berührenden Zweig der Staatswirthschaft,
die Staatseinnahmen, eingehender zu beleuchten. Doch hat der Verfasser nicht
versäumt, auch über die Totalität der Disciplin einen klaren Ueberblick zu er¬
theilen, ja, um für die Beurtheilung des Einzelnen einen gemeingiltigcn Ma߬
stab festzustellen, wird selbst eine höchst ausführliche Darlegung der Prinzipien
des Rechtsstaats mit in den Kauf gegeben. Diesen Maßstab fest in der Hand
durchwandert der Verfasser das ganze dermalen in Anwendung begriffene Sy¬
stem der Staatseinnahmen, und überall zwingt ihn die Consequenz seines Ver¬
fahrens zur Negation, fast zum Pessimismus gegenüber dem Bestehenden. Eine
radicale Umgestaltung, ein ganz neues und allerdings unendlich vereinfachtes
Prinzip ist es, das er an dessen Stelle vorschlägt. Ohne Zweifel ist die Frage
für das ganze Staatsleben von so eminenter Bedeutung, daß ein näheres Ein¬
gehen auf dieselbe schwerlich der Entschuldigung bedarf.

Es gab eine Zeit, wo die Bestreitung des Staatsbedarfs fast ausschlie߬
lich auf dem eignen Erwerb der Regierung -- aus Domänen und Regalen
lastete. Mit dem Wachsen des öffentlichen Aufwands, besonders mit der Aus¬
bildung der stehenden Heere, machten sich regelmäßige Beiträge der Staats¬
angehörigen nothwendig, die Entwickelung des modernen Staatsprinzips drängte
diese Verträge in den Vordergrund. Nichtsdestoweniger hing die Staatsver¬
waltung noch bis auf unsere Tage mit besonderer Vorliebe an jener ersten Art
der Einnahme. Bei einer Negierung von absolutistischen Prinzipien durchaus
begreiflich. Die Beisteuer der Staatsangehörigen war von jeher von der Be¬
willigung der Stände abhängig gewesen, ein Recht, das sich nur vorübergehend
gewaltsam unterdrücken ließ. Hier aber besaß man eine Einnahmequelle, die
nicht allein frei von solch lästiger Beschränkung ihren Beitrag spendete, sondern
zu ihrer Verwaltung auch ein äußerst zahlreiches Personal erforderte, welches


Eiser dieser Arbeit aber muß wachsen mit dem Vorschreiten des Constitutiona-
lismus; je mehr dieser sich befestigt, um so dringender wird das Interesse an
vollständiger Aufklärung über das Wesen des Staatshaushalts.

Eine neue Bearbeitung des finanzwissenschastlichen Gebiets wird daher
immer willkommen geheißen werden, sei es nun, daß sie die Doctrin selbst
revidire und fördere, sei es, daß sie sich die popularisirende Verallgemeinerung
politischen Wissens zur Aufgabe mache. Indem der Verfasser des oben ge¬
nannten Werkes diese letztere Seite als Hauptzweck ins Auge faßte, verzichtete
er keineswegs auf eine gründliche Berücksichtigung der ersteren. Eine allge-
mcinsaßliche Darstellung und zugleich eine schonungslose Kritik, und Verwerfung
des anerkannt Schlechten, Vorschlag zu Neuem und Bessern der Lesewelt vor¬
zulegen, war Pfeiffers Absicht. Nicht das ganze Feld der Finanzwissenschaft
umfaßt der Titel seines Buchs; für den angedeuteten Zweck mochte es genügen,
den der Gesammtheit des Volks am meisten in die Augen springenden, die
Privatinteressen am empfindlichsten berührenden Zweig der Staatswirthschaft,
die Staatseinnahmen, eingehender zu beleuchten. Doch hat der Verfasser nicht
versäumt, auch über die Totalität der Disciplin einen klaren Ueberblick zu er¬
theilen, ja, um für die Beurtheilung des Einzelnen einen gemeingiltigcn Ma߬
stab festzustellen, wird selbst eine höchst ausführliche Darlegung der Prinzipien
des Rechtsstaats mit in den Kauf gegeben. Diesen Maßstab fest in der Hand
durchwandert der Verfasser das ganze dermalen in Anwendung begriffene Sy¬
stem der Staatseinnahmen, und überall zwingt ihn die Consequenz seines Ver¬
fahrens zur Negation, fast zum Pessimismus gegenüber dem Bestehenden. Eine
radicale Umgestaltung, ein ganz neues und allerdings unendlich vereinfachtes
Prinzip ist es, das er an dessen Stelle vorschlägt. Ohne Zweifel ist die Frage
für das ganze Staatsleben von so eminenter Bedeutung, daß ein näheres Ein¬
gehen auf dieselbe schwerlich der Entschuldigung bedarf.

Es gab eine Zeit, wo die Bestreitung des Staatsbedarfs fast ausschlie߬
lich auf dem eignen Erwerb der Regierung — aus Domänen und Regalen
lastete. Mit dem Wachsen des öffentlichen Aufwands, besonders mit der Aus¬
bildung der stehenden Heere, machten sich regelmäßige Beiträge der Staats¬
angehörigen nothwendig, die Entwickelung des modernen Staatsprinzips drängte
diese Verträge in den Vordergrund. Nichtsdestoweniger hing die Staatsver¬
waltung noch bis auf unsere Tage mit besonderer Vorliebe an jener ersten Art
der Einnahme. Bei einer Negierung von absolutistischen Prinzipien durchaus
begreiflich. Die Beisteuer der Staatsangehörigen war von jeher von der Be¬
willigung der Stände abhängig gewesen, ein Recht, das sich nur vorübergehend
gewaltsam unterdrücken ließ. Hier aber besaß man eine Einnahmequelle, die
nicht allein frei von solch lästiger Beschränkung ihren Beitrag spendete, sondern
zu ihrer Verwaltung auch ein äußerst zahlreiches Personal erforderte, welches


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/492>, abgerufen am 19.10.2024.