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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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lion des Herrn Löwe-Calbe gab, hat -- zuverlässig gegen die Absicht des Grafen
Bismarck selbst -- der deutschen Sache in den baltischen Provinzen bereits ernsten
Schaden gethan.

Unserer Ansicht nach ist zu wünschen, daß die deutsche Presse fortfahre,
mit warmer Theilnahme das Geschick unserer Landsleute in den Ostseeprovinzen
zu begleiten und ihre Rechte zu vertreten, daß aber weder Presse noch Lan-
desvertretung zur Zeit die Bundesregierung zu officiellen Schritten zu drängen
suche. Was nach dieser Richtung geschehen kann, wird, wie die Dinge liegen,
um so wirksamer sein, jemehr es sich öffentlicher Verhandlung entzieht. Gerade
wer der moralischen Unterstützung praktische Wichtigkeit zuschreibt, möge daran
denken, daß die deutsche Presse den baltischen Landsleuten nur dann wahrhaft
nützen kann, wenn ihre Forderungen mit den Interessen Preußens in Einklang
gebracht werden und mit den wahren Interessen derer, denen geholfen wer¬
den soll.




Die Grundlagen der Lehre von den Stnntöeinnahmcn.

E. Pfeiffer, die Staatseinnahmen. Geschichte, Kritik und Statistik
derselben. Stuttgart und Leipzig, A. Kröner.

Kaum ein Jahrhundert ist verflossen, seitdem J u se i die Regeln der Stnats-
wirthschast zu einer Art wissenschaftlichen Systems zusammenfaßte, und welche
Summen von beachtenswerthen Monographien und hervorragenden Gcsammt-
werken hat allein Deutschland in diesem Zeitraum hervorgebracht! Dennoch sind
wir von einem wirklich befriedigenden Abschluß dieser Entwickelung weit ent¬
fernt. Es mußte zu Ungeheueres geleistet werden, bevor es gelang, dieser Dis¬
ciplin ein einigermaßen rationelles Gepräge zu geben; denn keine andere
Wissenschaft ist so durchaus unwissenschaftlichen Boden entsprossen wie diese.
Wer es unternommen hätte, die Lehre der Staatswissenschaft aus dem reinen
Begriffe zu construiren, würde sicherlich zu einem ganz andern Systeme ge¬
kommen sein, als es uns heute in der Schule geläufig ist. Wie die Dinge im
wirklichen Leben gestaltet lagen, galt es. in ein zerfahrenes, Plan- und ge¬
wissenloses Gewirr von Finanzmaßrcgeln zunächst Zusammenhang, und in diesen
wissenschaftlichen Geist zu bringen. Sie mit den Forderungen einerseits des
allgemeinen Staatsrechts, andererseits der Volkswirtschaftslehre in Einklang
^ setzen, ist die Aufgabe, an welcher noch heute vollauf zu arbeiten ist. Der


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lion des Herrn Löwe-Calbe gab, hat — zuverlässig gegen die Absicht des Grafen
Bismarck selbst — der deutschen Sache in den baltischen Provinzen bereits ernsten
Schaden gethan.

Unserer Ansicht nach ist zu wünschen, daß die deutsche Presse fortfahre,
mit warmer Theilnahme das Geschick unserer Landsleute in den Ostseeprovinzen
zu begleiten und ihre Rechte zu vertreten, daß aber weder Presse noch Lan-
desvertretung zur Zeit die Bundesregierung zu officiellen Schritten zu drängen
suche. Was nach dieser Richtung geschehen kann, wird, wie die Dinge liegen,
um so wirksamer sein, jemehr es sich öffentlicher Verhandlung entzieht. Gerade
wer der moralischen Unterstützung praktische Wichtigkeit zuschreibt, möge daran
denken, daß die deutsche Presse den baltischen Landsleuten nur dann wahrhaft
nützen kann, wenn ihre Forderungen mit den Interessen Preußens in Einklang
gebracht werden und mit den wahren Interessen derer, denen geholfen wer¬
den soll.




Die Grundlagen der Lehre von den Stnntöeinnahmcn.

E. Pfeiffer, die Staatseinnahmen. Geschichte, Kritik und Statistik
derselben. Stuttgart und Leipzig, A. Kröner.

Kaum ein Jahrhundert ist verflossen, seitdem J u se i die Regeln der Stnats-
wirthschast zu einer Art wissenschaftlichen Systems zusammenfaßte, und welche
Summen von beachtenswerthen Monographien und hervorragenden Gcsammt-
werken hat allein Deutschland in diesem Zeitraum hervorgebracht! Dennoch sind
wir von einem wirklich befriedigenden Abschluß dieser Entwickelung weit ent¬
fernt. Es mußte zu Ungeheueres geleistet werden, bevor es gelang, dieser Dis¬
ciplin ein einigermaßen rationelles Gepräge zu geben; denn keine andere
Wissenschaft ist so durchaus unwissenschaftlichen Boden entsprossen wie diese.
Wer es unternommen hätte, die Lehre der Staatswissenschaft aus dem reinen
Begriffe zu construiren, würde sicherlich zu einem ganz andern Systeme ge¬
kommen sein, als es uns heute in der Schule geläufig ist. Wie die Dinge im
wirklichen Leben gestaltet lagen, galt es. in ein zerfahrenes, Plan- und ge¬
wissenloses Gewirr von Finanzmaßrcgeln zunächst Zusammenhang, und in diesen
wissenschaftlichen Geist zu bringen. Sie mit den Forderungen einerseits des
allgemeinen Staatsrechts, andererseits der Volkswirtschaftslehre in Einklang
^ setzen, ist die Aufgabe, an welcher noch heute vollauf zu arbeiten ist. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/491>, abgerufen am 27.09.2024.