Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierzig Jahre nachher wurden durch den Frieden des Antalkidas die Grie¬
chen Kleinasiens den Persern überliefert. Damals herrschte in Karten Heka-
tomnos, dessen Verhältniß zu der frühern Herrscherfamilie nicht fest bestimmbar
ist. Ihm folgt 377 sein ältester Sohn Maussollos, der den Sitz der Herr¬
schaft von Mylasa nach Halikarnass verlegte und seine Macht mit großer Kühn¬
heit und glänzendem Erfolge über die benachbarten Städte und Inseln aus¬
dehnte, seine Flotte allein zählte 100 Schiffe. Das persische Reich befand sich
damals in solchem Zustand innerer Auflösung, daß es einem Manne wie Maus¬
sollos, der keinen Verrath und keine Gewaltthat scheute, leicht wurde, die Va¬
sallenschaft so gut wie ganz abzuschütteln und sich ans Kosten seiner Nachbarn
zu bereichern. Die Mittel, welche er anwendete, hatten nicht selten einen hu¬
moristischen Auflug. So fälschte,er ein Decret, wonach er vom Perserkönig
bevollmächtigt war, den Lykiern, die sehr viel auf ihr langes Haar hielten,
dasselbe abzuschneiden und zur Anfertigung von Perücken für den persischen
Hof nach Susa zu schicken und erpreßte von dem geängstigten Volke eine sehr
bedeutende Summe für die Nichtausführung dieses Befehls. Benachbarte Städte,
denen sein Schutz zu Theil wurde, mußten ihm goldene Ehrenkronen von aus¬
bedungenen Gewicht überreichen, seine eigene Hauptstadt Mylasa prellte er,
indem er sich eine große Summe zur Befestigung der Stadt auszahlen ließ, dann
plötzlich erklärte, daß eine Gottheit dies Unternehmen gemißbilligt habe, und ver¬
wandte das Geld zur Verschönerung seiner neugewählten Hauptstadt Halikaniaß.

Die Wahl dieses Platzes war jedenfalls eine sehr glückliche. Das alte
Mylasa lag am Fuße eines Hügels, von dem aus es beherrscht werden konnte,
Halikarnass dagegen an einem vorzüglich geschützten Hafen, der die Ver¬
bindung mit den Inseln und Griechenland ermöglichte und das übrige Karten
als Hinterland in der Gewalt hatte. Die Küste ist dort hufeisenförmig aus¬
gebuchtet, in der Mitte der Krümmung nahe dem Lande liegt ein kleines felsiges
Eiland, das jetzt vom Castell Se. Peter eingenommen wird. Diese Insel, welche
als natürliche Festung dienen konnte, war von den ersten griechischen Ansied¬
lern besetzt worden, Maussollos machte ein Fort daraus, verband sie durch
eine Brücke mit dem Festlande und verlegte die eigentliche Stadt an den von
der Natur reichausgestatteten Küstensaum, der vorn vom Meer und im Rücken
von einer stattlichen Bergkette begrenzt sich amphitheatralisch um die Bucht hin¬
zieht. Eine mächtige Mauer, deren Fundamente noch vorhanden sind, sicherte
mit Benutzung aller durch das Terrain gegebener Befestigungspunkte die Stadt
nach dem Lande hin; durch die vorspringende Insel wurde ein Stück der Bucht
abgeschnitten, welches als geheimer Hafen gute Dienste leistete. Die Gesammt-
cmlage der Stadt wird von Vitruv als vorzüglich gerühmt. Der Königspalast,
der zugleich als Festungswerk diente, lag der Jnselcitadelle gegenüber, im
Mittelpunkte der Stadt, in directer Verbindung mit dem Castell und dem ge-


Vierzig Jahre nachher wurden durch den Frieden des Antalkidas die Grie¬
chen Kleinasiens den Persern überliefert. Damals herrschte in Karten Heka-
tomnos, dessen Verhältniß zu der frühern Herrscherfamilie nicht fest bestimmbar
ist. Ihm folgt 377 sein ältester Sohn Maussollos, der den Sitz der Herr¬
schaft von Mylasa nach Halikarnass verlegte und seine Macht mit großer Kühn¬
heit und glänzendem Erfolge über die benachbarten Städte und Inseln aus¬
dehnte, seine Flotte allein zählte 100 Schiffe. Das persische Reich befand sich
damals in solchem Zustand innerer Auflösung, daß es einem Manne wie Maus¬
sollos, der keinen Verrath und keine Gewaltthat scheute, leicht wurde, die Va¬
sallenschaft so gut wie ganz abzuschütteln und sich ans Kosten seiner Nachbarn
zu bereichern. Die Mittel, welche er anwendete, hatten nicht selten einen hu¬
moristischen Auflug. So fälschte,er ein Decret, wonach er vom Perserkönig
bevollmächtigt war, den Lykiern, die sehr viel auf ihr langes Haar hielten,
dasselbe abzuschneiden und zur Anfertigung von Perücken für den persischen
Hof nach Susa zu schicken und erpreßte von dem geängstigten Volke eine sehr
bedeutende Summe für die Nichtausführung dieses Befehls. Benachbarte Städte,
denen sein Schutz zu Theil wurde, mußten ihm goldene Ehrenkronen von aus¬
bedungenen Gewicht überreichen, seine eigene Hauptstadt Mylasa prellte er,
indem er sich eine große Summe zur Befestigung der Stadt auszahlen ließ, dann
plötzlich erklärte, daß eine Gottheit dies Unternehmen gemißbilligt habe, und ver¬
wandte das Geld zur Verschönerung seiner neugewählten Hauptstadt Halikaniaß.

Die Wahl dieses Platzes war jedenfalls eine sehr glückliche. Das alte
Mylasa lag am Fuße eines Hügels, von dem aus es beherrscht werden konnte,
Halikarnass dagegen an einem vorzüglich geschützten Hafen, der die Ver¬
bindung mit den Inseln und Griechenland ermöglichte und das übrige Karten
als Hinterland in der Gewalt hatte. Die Küste ist dort hufeisenförmig aus¬
gebuchtet, in der Mitte der Krümmung nahe dem Lande liegt ein kleines felsiges
Eiland, das jetzt vom Castell Se. Peter eingenommen wird. Diese Insel, welche
als natürliche Festung dienen konnte, war von den ersten griechischen Ansied¬
lern besetzt worden, Maussollos machte ein Fort daraus, verband sie durch
eine Brücke mit dem Festlande und verlegte die eigentliche Stadt an den von
der Natur reichausgestatteten Küstensaum, der vorn vom Meer und im Rücken
von einer stattlichen Bergkette begrenzt sich amphitheatralisch um die Bucht hin¬
zieht. Eine mächtige Mauer, deren Fundamente noch vorhanden sind, sicherte
mit Benutzung aller durch das Terrain gegebener Befestigungspunkte die Stadt
nach dem Lande hin; durch die vorspringende Insel wurde ein Stück der Bucht
abgeschnitten, welches als geheimer Hafen gute Dienste leistete. Die Gesammt-
cmlage der Stadt wird von Vitruv als vorzüglich gerühmt. Der Königspalast,
der zugleich als Festungswerk diente, lag der Jnselcitadelle gegenüber, im
Mittelpunkte der Stadt, in directer Verbindung mit dem Castell und dem ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192021"/>
          <p xml:id="ID_726"> Vierzig Jahre nachher wurden durch den Frieden des Antalkidas die Grie¬<lb/>
chen Kleinasiens den Persern überliefert. Damals herrschte in Karten Heka-<lb/>
tomnos, dessen Verhältniß zu der frühern Herrscherfamilie nicht fest bestimmbar<lb/>
ist. Ihm folgt 377 sein ältester Sohn Maussollos, der den Sitz der Herr¬<lb/>
schaft von Mylasa nach Halikarnass verlegte und seine Macht mit großer Kühn¬<lb/>
heit und glänzendem Erfolge über die benachbarten Städte und Inseln aus¬<lb/>
dehnte, seine Flotte allein zählte 100 Schiffe. Das persische Reich befand sich<lb/>
damals in solchem Zustand innerer Auflösung, daß es einem Manne wie Maus¬<lb/>
sollos, der keinen Verrath und keine Gewaltthat scheute, leicht wurde, die Va¬<lb/>
sallenschaft so gut wie ganz abzuschütteln und sich ans Kosten seiner Nachbarn<lb/>
zu bereichern. Die Mittel, welche er anwendete, hatten nicht selten einen hu¬<lb/>
moristischen Auflug. So fälschte,er ein Decret, wonach er vom Perserkönig<lb/>
bevollmächtigt war, den Lykiern, die sehr viel auf ihr langes Haar hielten,<lb/>
dasselbe abzuschneiden und zur Anfertigung von Perücken für den persischen<lb/>
Hof nach Susa zu schicken und erpreßte von dem geängstigten Volke eine sehr<lb/>
bedeutende Summe für die Nichtausführung dieses Befehls. Benachbarte Städte,<lb/>
denen sein Schutz zu Theil wurde, mußten ihm goldene Ehrenkronen von aus¬<lb/>
bedungenen Gewicht überreichen, seine eigene Hauptstadt Mylasa prellte er,<lb/>
indem er sich eine große Summe zur Befestigung der Stadt auszahlen ließ, dann<lb/>
plötzlich erklärte, daß eine Gottheit dies Unternehmen gemißbilligt habe, und ver¬<lb/>
wandte das Geld zur Verschönerung seiner neugewählten Hauptstadt Halikaniaß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_727" next="#ID_728"> Die Wahl dieses Platzes war jedenfalls eine sehr glückliche. Das alte<lb/>
Mylasa lag am Fuße eines Hügels, von dem aus es beherrscht werden konnte,<lb/>
Halikarnass dagegen an einem vorzüglich geschützten Hafen, der die Ver¬<lb/>
bindung mit den Inseln und Griechenland ermöglichte und das übrige Karten<lb/>
als Hinterland in der Gewalt hatte. Die Küste ist dort hufeisenförmig aus¬<lb/>
gebuchtet, in der Mitte der Krümmung nahe dem Lande liegt ein kleines felsiges<lb/>
Eiland, das jetzt vom Castell Se. Peter eingenommen wird. Diese Insel, welche<lb/>
als natürliche Festung dienen konnte, war von den ersten griechischen Ansied¬<lb/>
lern besetzt worden, Maussollos machte ein Fort daraus, verband sie durch<lb/>
eine Brücke mit dem Festlande und verlegte die eigentliche Stadt an den von<lb/>
der Natur reichausgestatteten Küstensaum, der vorn vom Meer und im Rücken<lb/>
von einer stattlichen Bergkette begrenzt sich amphitheatralisch um die Bucht hin¬<lb/>
zieht. Eine mächtige Mauer, deren Fundamente noch vorhanden sind, sicherte<lb/>
mit Benutzung aller durch das Terrain gegebener Befestigungspunkte die Stadt<lb/>
nach dem Lande hin; durch die vorspringende Insel wurde ein Stück der Bucht<lb/>
abgeschnitten, welches als geheimer Hafen gute Dienste leistete. Die Gesammt-<lb/>
cmlage der Stadt wird von Vitruv als vorzüglich gerühmt. Der Königspalast,<lb/>
der zugleich als Festungswerk diente, lag der Jnselcitadelle gegenüber, im<lb/>
Mittelpunkte der Stadt, in directer Verbindung mit dem Castell und dem ge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0260] Vierzig Jahre nachher wurden durch den Frieden des Antalkidas die Grie¬ chen Kleinasiens den Persern überliefert. Damals herrschte in Karten Heka- tomnos, dessen Verhältniß zu der frühern Herrscherfamilie nicht fest bestimmbar ist. Ihm folgt 377 sein ältester Sohn Maussollos, der den Sitz der Herr¬ schaft von Mylasa nach Halikarnass verlegte und seine Macht mit großer Kühn¬ heit und glänzendem Erfolge über die benachbarten Städte und Inseln aus¬ dehnte, seine Flotte allein zählte 100 Schiffe. Das persische Reich befand sich damals in solchem Zustand innerer Auflösung, daß es einem Manne wie Maus¬ sollos, der keinen Verrath und keine Gewaltthat scheute, leicht wurde, die Va¬ sallenschaft so gut wie ganz abzuschütteln und sich ans Kosten seiner Nachbarn zu bereichern. Die Mittel, welche er anwendete, hatten nicht selten einen hu¬ moristischen Auflug. So fälschte,er ein Decret, wonach er vom Perserkönig bevollmächtigt war, den Lykiern, die sehr viel auf ihr langes Haar hielten, dasselbe abzuschneiden und zur Anfertigung von Perücken für den persischen Hof nach Susa zu schicken und erpreßte von dem geängstigten Volke eine sehr bedeutende Summe für die Nichtausführung dieses Befehls. Benachbarte Städte, denen sein Schutz zu Theil wurde, mußten ihm goldene Ehrenkronen von aus¬ bedungenen Gewicht überreichen, seine eigene Hauptstadt Mylasa prellte er, indem er sich eine große Summe zur Befestigung der Stadt auszahlen ließ, dann plötzlich erklärte, daß eine Gottheit dies Unternehmen gemißbilligt habe, und ver¬ wandte das Geld zur Verschönerung seiner neugewählten Hauptstadt Halikaniaß. Die Wahl dieses Platzes war jedenfalls eine sehr glückliche. Das alte Mylasa lag am Fuße eines Hügels, von dem aus es beherrscht werden konnte, Halikarnass dagegen an einem vorzüglich geschützten Hafen, der die Ver¬ bindung mit den Inseln und Griechenland ermöglichte und das übrige Karten als Hinterland in der Gewalt hatte. Die Küste ist dort hufeisenförmig aus¬ gebuchtet, in der Mitte der Krümmung nahe dem Lande liegt ein kleines felsiges Eiland, das jetzt vom Castell Se. Peter eingenommen wird. Diese Insel, welche als natürliche Festung dienen konnte, war von den ersten griechischen Ansied¬ lern besetzt worden, Maussollos machte ein Fort daraus, verband sie durch eine Brücke mit dem Festlande und verlegte die eigentliche Stadt an den von der Natur reichausgestatteten Küstensaum, der vorn vom Meer und im Rücken von einer stattlichen Bergkette begrenzt sich amphitheatralisch um die Bucht hin¬ zieht. Eine mächtige Mauer, deren Fundamente noch vorhanden sind, sicherte mit Benutzung aller durch das Terrain gegebener Befestigungspunkte die Stadt nach dem Lande hin; durch die vorspringende Insel wurde ein Stück der Bucht abgeschnitten, welches als geheimer Hafen gute Dienste leistete. Die Gesammt- cmlage der Stadt wird von Vitruv als vorzüglich gerühmt. Der Königspalast, der zugleich als Festungswerk diente, lag der Jnselcitadelle gegenüber, im Mittelpunkte der Stadt, in directer Verbindung mit dem Castell und dem ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/260
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/260>, abgerufen am 20.10.2024.