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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.

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Heimen Hafen. Der Palast war von Ziegeln gebaut, mit spiegelglattem Stücke
überzogen und reich mit Marmorarbeiten geschmückt. Als Hauptgebäude der
neuen Stadt werden die Tempel des Mars und der Venus erwähnt, dazu kam
die Agora, ein von Säulenhallen eingeschlossener großartiger Versammlungsplatz.
Es ist anzunehmen, daß auch der hervorragende Platz, welchen das Grabmal
des Königs in der Stadtanlage einnimmt, schon von ihm selbst gewählt wor¬
den ist, wie ja die würdige Ausstattung des Grabes im Orient stets schon bei
Lebzeiten der Fürsten betrieben wurde. Um die neue Hauptstadt zu bevölkern,
wurden die Einwohner von 8 Städten der Leleger hineinversetzt und dadurch
das selbständige Fortbestehen dieses Stammes vernichtet.

Maussollos war ein energischer und schlauer Despot; unumschränkt herrschte
er über sein ausgedehntes Reich und erhob Tribut von den Nachbarvölkern, es
gelang ihm die wichtigsten Staaten der attischen Bundesgenossenschaft Byzanz,
Chios, Kos und Rhodos von Athen abzuziehen, mit ihnen vereint die Athener
gänzlich zu schlagen und die 4 Staaten für einen Bund mit sich zu gewinnen.
Nach asiatischer Sitte war er mit seiner Schwester Artemisia vermählt und
als er im Jahre 3S3 starb, übernahm diese ihm geistig ebenbürtige Frau die
Regierung. Obgleich sie nur 2 Jahre herrschte, wußte sie doch die Macht ihres
Hauses ansehnlich zu vermehren. Hier sei nur ein Zug von ihr erzählt. Die
Insel Rhodos meinte die Herrschaft eines Weibes leicht abschütteln zu können
und schickte eine übermächtige Flotte gegen Halikarnass. Artemisia sammelte ihr
Heer auf ihren Schiffen in dem geheimen Hafen und ließ nur wenige Männer
in der Stadt zurück, welche den Rhodiern mit Fricdensgrüßcn entgegenkamen
und sie als Freunde in die Stadt hineinführten. Unterdeß fuhr Artemisia durch
einen Canal in den Hasen, bemächtigte sich der unbesetzten rhodischen Flotte
und machte das Heer, welches in der Stadt wie in einer Falle gefangen war, bis
auf den letzten Mann nieder. Dann bemannte sie die rhodischen Schiffe mit
ihren eigenen Leuten, schmückte die Maste mit Lorbeern und Trophäen und fuhr
so in den Hasen von Rhodos ein, wo sie von der getäuschten Bevölkerung, welche
ihre siegreich zurückkehrende Flotte zu sehen glaubte, mit Jubel empfangen
wurde. Die Ueberrumpelung der Insel gelang vollständig; Altcmifia ließ alle
hervorragenden Bürger hinrichten und stellte auf dem Markt ihr Erzbildniß aus.
Als aber diese und ähnliche Kriegsthaten längst vergessen waren, lebte doch
Artemisia's Namen fort verbunden mit dem des Mausoleums, welches sie ihrem
verstorbenen Gatten errichten ließ. Von ihrer ausschweifenden Trauer um diesen
Verlust wußte man im Alterthum die seltsamsten Geschichten zu erzählen und
"und diese Anekdoten sind bis in die neueste Zeit hinein lebendig geblieben; in
der Renaissance wurde Artemisia mit der Aschenurne ihres Gatten gemalt,
Lucicme in den Wahlverwandtschaften spielt sie als Paraderolle und auch Platen
erzählt von . . .


Heimen Hafen. Der Palast war von Ziegeln gebaut, mit spiegelglattem Stücke
überzogen und reich mit Marmorarbeiten geschmückt. Als Hauptgebäude der
neuen Stadt werden die Tempel des Mars und der Venus erwähnt, dazu kam
die Agora, ein von Säulenhallen eingeschlossener großartiger Versammlungsplatz.
Es ist anzunehmen, daß auch der hervorragende Platz, welchen das Grabmal
des Königs in der Stadtanlage einnimmt, schon von ihm selbst gewählt wor¬
den ist, wie ja die würdige Ausstattung des Grabes im Orient stets schon bei
Lebzeiten der Fürsten betrieben wurde. Um die neue Hauptstadt zu bevölkern,
wurden die Einwohner von 8 Städten der Leleger hineinversetzt und dadurch
das selbständige Fortbestehen dieses Stammes vernichtet.

Maussollos war ein energischer und schlauer Despot; unumschränkt herrschte
er über sein ausgedehntes Reich und erhob Tribut von den Nachbarvölkern, es
gelang ihm die wichtigsten Staaten der attischen Bundesgenossenschaft Byzanz,
Chios, Kos und Rhodos von Athen abzuziehen, mit ihnen vereint die Athener
gänzlich zu schlagen und die 4 Staaten für einen Bund mit sich zu gewinnen.
Nach asiatischer Sitte war er mit seiner Schwester Artemisia vermählt und
als er im Jahre 3S3 starb, übernahm diese ihm geistig ebenbürtige Frau die
Regierung. Obgleich sie nur 2 Jahre herrschte, wußte sie doch die Macht ihres
Hauses ansehnlich zu vermehren. Hier sei nur ein Zug von ihr erzählt. Die
Insel Rhodos meinte die Herrschaft eines Weibes leicht abschütteln zu können
und schickte eine übermächtige Flotte gegen Halikarnass. Artemisia sammelte ihr
Heer auf ihren Schiffen in dem geheimen Hafen und ließ nur wenige Männer
in der Stadt zurück, welche den Rhodiern mit Fricdensgrüßcn entgegenkamen
und sie als Freunde in die Stadt hineinführten. Unterdeß fuhr Artemisia durch
einen Canal in den Hasen, bemächtigte sich der unbesetzten rhodischen Flotte
und machte das Heer, welches in der Stadt wie in einer Falle gefangen war, bis
auf den letzten Mann nieder. Dann bemannte sie die rhodischen Schiffe mit
ihren eigenen Leuten, schmückte die Maste mit Lorbeern und Trophäen und fuhr
so in den Hasen von Rhodos ein, wo sie von der getäuschten Bevölkerung, welche
ihre siegreich zurückkehrende Flotte zu sehen glaubte, mit Jubel empfangen
wurde. Die Ueberrumpelung der Insel gelang vollständig; Altcmifia ließ alle
hervorragenden Bürger hinrichten und stellte auf dem Markt ihr Erzbildniß aus.
Als aber diese und ähnliche Kriegsthaten längst vergessen waren, lebte doch
Artemisia's Namen fort verbunden mit dem des Mausoleums, welches sie ihrem
verstorbenen Gatten errichten ließ. Von ihrer ausschweifenden Trauer um diesen
Verlust wußte man im Alterthum die seltsamsten Geschichten zu erzählen und
"und diese Anekdoten sind bis in die neueste Zeit hinein lebendig geblieben; in
der Renaissance wurde Artemisia mit der Aschenurne ihres Gatten gemalt,
Lucicme in den Wahlverwandtschaften spielt sie als Paraderolle und auch Platen
erzählt von . . .


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349919/261>, abgerufen am 27.09.2024.