Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.alten Beschreibungen wurde zwar ein Lieblingsthema der Künstler, in den Wahl- Die Landschaft Karten, an der Westküste Kleinasiens gelegen, war von einer 33"
alten Beschreibungen wurde zwar ein Lieblingsthema der Künstler, in den Wahl- Die Landschaft Karten, an der Westküste Kleinasiens gelegen, war von einer 33"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0259" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192020"/> <p xml:id="ID_724" prev="#ID_723"> alten Beschreibungen wurde zwar ein Lieblingsthema der Künstler, in den Wahl-<lb/> verwcmdschaften läßt es Luciane vom Architecten entwerfen und Schinkels Zeich¬<lb/> nung zu dem Diorama der sieben Weltwunder wurde ein Grundstein seines<lb/> Ruhmes, aber allen Versuchen fehlte der sichere Anhalt und selbst der Ort, wo<lb/> es gestanden, war unter den Gelehrten streitig. Endlich im Jahre 1856 ge¬<lb/> lang es Mr. Charles Newton, dem jetzigen Director der Antiken des LritisK<lb/> Nuseum, durch Nachgrabungen in umfassendsten Maßstabe die Fundamente des¬<lb/> selben aufzudecken, eine große Anzahl der wertvollsten Fragmente, unter diesen<lb/> die Kolossalstatue des Maussvllvs selbst, die durch einen wunderbaren Zufall<lb/> fast ganz erhalten geblieben, aus dem Schutt hervorzuziehen und sie in den<lb/> sichern Hasen des londoner Museums überzuführen. Das altberühmte Denk¬<lb/> mal hat in seiner Erbauung, seiner Zerstörung und seiner Wicderentdeckung so<lb/> wunderbare Schicksale erlebt, daß diese auch abgesehen von ihrer Bedeutung<lb/> für die Geschichte der alten Kunst das Interesse weiterer Kreise sür sich in An¬<lb/> spruch nehmen dürfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_725"> Die Landschaft Karten, an der Westküste Kleinasiens gelegen, war von einer<lb/> gemischten Bevölkerung bewohnt, von der wir nur sehr dürftige Nachrichten<lb/> haben. Wahrscheinlich ist, daß der unterworfene Stamm der Leleger zu den<lb/> Indogermanen, der herrschende der Karer dagegen zu den Semiten gehörte.<lb/> Zu diesen beiden kam dann das geistig weit überwiegende Element der griechi¬<lb/> schen Kolonisation, welches sich auf den Inseln des Archivelagos und der West¬<lb/> küste Kleinasiens immer mehr ausdehnte. In Karten war die griechische Be¬<lb/> völkerung aus Dorern und Jonern gemischt, der ionische Dialect ward jedoch<lb/> der herrschende und entfaltete sich besonders in Haliüarnass, dem Hauptort<lb/> jener Gegend, zu reichster Blüthe. Hier wurde Wissenschaft und Poesie ge¬<lb/> pflegt, hier Herodot geboren und erzogen. Das politische Leben jener Gegen¬<lb/> den bewegte sich in fortwährenden Kämpfen. Die kleinen Tyrannen, welche<lb/> über die halbbarbarischen Völker herrschten, suchten sich die griechischen Colonien<lb/> zu unterwerfen, während sie sich andrerseits gegen die Eroberungslust der<lb/> Perser zu wehren hatten. In den meisten Fällen überließen die Perser den¬<lb/> selben die Herrschaft, sobald sie sich als tributpflichtige Vasallen des Reiches<lb/> bekannten; daher war ihre Stellung je nach dem Druck, welchen der Großkönig<lb/> auszuüben vermochte und die Widerstandskraft der bedrängten Griechen sehr verschie¬<lb/> den. Eine hervorragende Rolle unter diesen Dynastcngeschlechtern spielte die Familie<lb/> des Lygdamis zu Halikarnass. Eine Tochter und Nachfolgerin dieses Lygdamis<lb/> war die bekannte Königin Artemisia, welche als Vasallin des Königs Xerxes in<lb/> der Schlacht bei Salamis sich so tapfer benahm, daß sie nach des Königs Aus¬<lb/> spruch der einzige Mann schien, während die Männer zu Weibern geworden.<lb/> Ihr Enkel Lygdamis wurde 447 vor Chr. von Herodot aus Halikarnass der-<lb/> trieben.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 33"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0259]
alten Beschreibungen wurde zwar ein Lieblingsthema der Künstler, in den Wahl-
verwcmdschaften läßt es Luciane vom Architecten entwerfen und Schinkels Zeich¬
nung zu dem Diorama der sieben Weltwunder wurde ein Grundstein seines
Ruhmes, aber allen Versuchen fehlte der sichere Anhalt und selbst der Ort, wo
es gestanden, war unter den Gelehrten streitig. Endlich im Jahre 1856 ge¬
lang es Mr. Charles Newton, dem jetzigen Director der Antiken des LritisK
Nuseum, durch Nachgrabungen in umfassendsten Maßstabe die Fundamente des¬
selben aufzudecken, eine große Anzahl der wertvollsten Fragmente, unter diesen
die Kolossalstatue des Maussvllvs selbst, die durch einen wunderbaren Zufall
fast ganz erhalten geblieben, aus dem Schutt hervorzuziehen und sie in den
sichern Hasen des londoner Museums überzuführen. Das altberühmte Denk¬
mal hat in seiner Erbauung, seiner Zerstörung und seiner Wicderentdeckung so
wunderbare Schicksale erlebt, daß diese auch abgesehen von ihrer Bedeutung
für die Geschichte der alten Kunst das Interesse weiterer Kreise sür sich in An¬
spruch nehmen dürfen.
Die Landschaft Karten, an der Westküste Kleinasiens gelegen, war von einer
gemischten Bevölkerung bewohnt, von der wir nur sehr dürftige Nachrichten
haben. Wahrscheinlich ist, daß der unterworfene Stamm der Leleger zu den
Indogermanen, der herrschende der Karer dagegen zu den Semiten gehörte.
Zu diesen beiden kam dann das geistig weit überwiegende Element der griechi¬
schen Kolonisation, welches sich auf den Inseln des Archivelagos und der West¬
küste Kleinasiens immer mehr ausdehnte. In Karten war die griechische Be¬
völkerung aus Dorern und Jonern gemischt, der ionische Dialect ward jedoch
der herrschende und entfaltete sich besonders in Haliüarnass, dem Hauptort
jener Gegend, zu reichster Blüthe. Hier wurde Wissenschaft und Poesie ge¬
pflegt, hier Herodot geboren und erzogen. Das politische Leben jener Gegen¬
den bewegte sich in fortwährenden Kämpfen. Die kleinen Tyrannen, welche
über die halbbarbarischen Völker herrschten, suchten sich die griechischen Colonien
zu unterwerfen, während sie sich andrerseits gegen die Eroberungslust der
Perser zu wehren hatten. In den meisten Fällen überließen die Perser den¬
selben die Herrschaft, sobald sie sich als tributpflichtige Vasallen des Reiches
bekannten; daher war ihre Stellung je nach dem Druck, welchen der Großkönig
auszuüben vermochte und die Widerstandskraft der bedrängten Griechen sehr verschie¬
den. Eine hervorragende Rolle unter diesen Dynastcngeschlechtern spielte die Familie
des Lygdamis zu Halikarnass. Eine Tochter und Nachfolgerin dieses Lygdamis
war die bekannte Königin Artemisia, welche als Vasallin des Königs Xerxes in
der Schlacht bei Salamis sich so tapfer benahm, daß sie nach des Königs Aus¬
spruch der einzige Mann schien, während die Männer zu Weibern geworden.
Ihr Enkel Lygdamis wurde 447 vor Chr. von Herodot aus Halikarnass der-
trieben.
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