Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, II. Semester. II. Band.Die baltischen Provinzen Rußlands. i. Prolog. Gleichsam die Grenzscheide zwischen den Machtgebietcn occidentalen und Grenzboten IV. 1"L7. 22
Die baltischen Provinzen Rußlands. i. Prolog. Gleichsam die Grenzscheide zwischen den Machtgebietcn occidentalen und Grenzboten IV. 1«L7. 22
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191930"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Die baltischen Provinzen Rußlands.</head><lb/> <div n="2"> <head> i.<lb/> Prolog.</head><lb/> <p xml:id="ID_469" next="#ID_470"> Gleichsam die Grenzscheide zwischen den Machtgebietcn occidentalen und<lb/> slavisch-orientalischen Völkerlebens bildend, zieht sich entlang dem 43° östlicher<lb/> Länge ein schmaler Länderstrich, der von Völkersplittern der verschiedensten Art<lb/> bewohnt und größtentheils dem russischen Scepter unterworfen, eine eigene Welt<lb/> ausmacht, deren vielfach abnorme Verhältnisse in der westlichen Hälfte Europas<lb/> fast eben so wenig bekannt sind, als in der östlichen. Den gemeinsamen Fa¬<lb/> milienzug dieser Gruppe bildet der aristokratische Charakter ihrer Cultur, der<lb/> auf dem Grunde unausgeglichener ethnographischer Gegensätze ruhend, in jeder<lb/> der einzelnen Landschaften, die dieses Grenzland bilden, anders geartet und doch<lb/> allenthalben derselbe ist. Während wir östlich und westlich von diesem Complex<lb/> compacte Völkermassen finden, die zu großen Staaten zusammengeballt das<lb/> Bild geschlossener Nationalitäten bieten, tritt uns innerhalb dieses Gebiets der<lb/> unausgeglichene Dualismus herrschender und unterworfener Rachen entgegen,<lb/> die der Macht eines dritten Volkes unterstellt, der Allwissenheit der Anhänger des<lb/> Nationalitätsprincips, Probleme schwierigster, fast unlösbarer Art entgegenstellen.<lb/> Im Norden vom weißen Meer, im Süden von den transsylvanischen Alpen<lb/> begrenzt, zwischen dem 47 und 39 » östlicher Länge liegend, scheint dieser schmale,<lb/> langgestreckte Länderstrich dazu ausersehen, das Schlachtfeld für die Kämpfe zu<lb/> bilden, in welchen germanisch-romanisches Culturleben mit slavischem um<lb/> die Herrschaft des Wcltihcils ringt, von den einen für das Bollwerk des<lb/> Occidentalismus, von den anderen für den Vortrab des zur Weltherrschaft be¬<lb/> stimmten Slavenstamms ausgegeben. Drei verschiedene Culturgebiete sind es,<lb/> die sich unter diesem Längengrade zu einer Kette zusammenschließen: ein schwe¬<lb/> disches, ein deutsches und ein polnisch-litthauischcs, die gemeinsam die West¬<lb/> grenze des russischen Reiches bildend unter sich eben so fremd, wie sie durch<lb/> historische und ethnographische Eigenthümlichkeiten von dem Stamme ge¬<lb/> schieden sind, der sie seinem Staate einverleibt hat. In allen dreien, in</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1«L7. 22</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0169]
Die baltischen Provinzen Rußlands.
i.
Prolog.
Gleichsam die Grenzscheide zwischen den Machtgebietcn occidentalen und
slavisch-orientalischen Völkerlebens bildend, zieht sich entlang dem 43° östlicher
Länge ein schmaler Länderstrich, der von Völkersplittern der verschiedensten Art
bewohnt und größtentheils dem russischen Scepter unterworfen, eine eigene Welt
ausmacht, deren vielfach abnorme Verhältnisse in der westlichen Hälfte Europas
fast eben so wenig bekannt sind, als in der östlichen. Den gemeinsamen Fa¬
milienzug dieser Gruppe bildet der aristokratische Charakter ihrer Cultur, der
auf dem Grunde unausgeglichener ethnographischer Gegensätze ruhend, in jeder
der einzelnen Landschaften, die dieses Grenzland bilden, anders geartet und doch
allenthalben derselbe ist. Während wir östlich und westlich von diesem Complex
compacte Völkermassen finden, die zu großen Staaten zusammengeballt das
Bild geschlossener Nationalitäten bieten, tritt uns innerhalb dieses Gebiets der
unausgeglichene Dualismus herrschender und unterworfener Rachen entgegen,
die der Macht eines dritten Volkes unterstellt, der Allwissenheit der Anhänger des
Nationalitätsprincips, Probleme schwierigster, fast unlösbarer Art entgegenstellen.
Im Norden vom weißen Meer, im Süden von den transsylvanischen Alpen
begrenzt, zwischen dem 47 und 39 » östlicher Länge liegend, scheint dieser schmale,
langgestreckte Länderstrich dazu ausersehen, das Schlachtfeld für die Kämpfe zu
bilden, in welchen germanisch-romanisches Culturleben mit slavischem um
die Herrschaft des Wcltihcils ringt, von den einen für das Bollwerk des
Occidentalismus, von den anderen für den Vortrab des zur Weltherrschaft be¬
stimmten Slavenstamms ausgegeben. Drei verschiedene Culturgebiete sind es,
die sich unter diesem Längengrade zu einer Kette zusammenschließen: ein schwe¬
disches, ein deutsches und ein polnisch-litthauischcs, die gemeinsam die West¬
grenze des russischen Reiches bildend unter sich eben so fremd, wie sie durch
historische und ethnographische Eigenthümlichkeiten von dem Stamme ge¬
schieden sind, der sie seinem Staate einverleibt hat. In allen dreien, in
Grenzboten IV. 1«L7. 22
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |