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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Herzog von Lothringen gegen den Köniq von Navarra. Denn darauf kam es
ihnen nicht so sehr an. für wen und gegen wen sie fochten, wenn sie nur über¬
haupt den herkömmlichen Wassergang nach den Umstanden in passendster Weise
abgenuicht -hatten. Und vollends die Prinzen, deren Bäter die lutherische Con-
cordienformel unlerschricbeii, hielten es für keine Gewissensbeschwcrde, sondern
im Gegentheil eher für ein gottgefälliges Werk, wenn sie mit dem katbolisä'er
Spanier odee Ligisten gegen die Calviner ins Feld rückten. Es siel auch da¬
mals schon hie und da an den deutschen Höfen das Stichwort einer späteren
Zeit, Legitimität und es schien den Herren, die sich schon ganz besonders von
Gottes Gnade zu sein bedünkten/doch ein gar bedenkliches Exempel zu sein,
daß Bürgermeister und Junker in den Niederlanden den legitimen König Phi¬
lipp, den legitimsten, den es damals ant dem Eidenrund gab. als eine" Tyrannen
seines angestammte" Rechtes für verlustig erklärt hatten.

Es war schon dafür gesorgt, daß solche Kriegsreisen nicht zu lang und zu
gefährlich aufschlugen. So viel Hunderte deutscher Fürsten damals auf den
wälsche", niederländischen, türkischen Säilachtfelder" sich umgesehen haben: nur
wenige hat eine Kugel gciroffen. Waren sie aber von diesen Strapazen nach
Hanse gekehrt, so begaben sie sich nicht leicht zum zweiten Male darein. Reift'
lustig blieben sie freilich mock immer, das war ebenso ein Erbtheil ihres deutschen
Blutes, wie der fieberhaften Beweglichkeit des ausgehenden Mittelalters und
der beginnenden Neuzeit. Aber die Reisen galten nur den Höfen auswärtiger
Potentaten und litten keinen andern Zweck, als sich draußen nach Lustbarketten
und ErgölUiclckeiten umzusehen, die man in Deutichland noch "ich! so recht
kannte oder auch "och nicht zu installiren wagte; ernstere Ziele gab es selten
dabei als etwa das Ordenskreu; und Band des Se. Michael aus Paris heim¬
zubringen oder einen Carneval in Venedig oder Rom miizumaäen. Die Besuche
bei den Bettern und Freunden ringsherum im :ne>che, die Bade- und Braui-
fahrten. die frankfurter Messen, die Kreis- und Reichstage rüttelten zwar noch
hie und de> ein oder zwei Mal im Jahre einen jener friedsamcn und bequem-
lichen Gesellen auf, aber es war auch da alles, was Gefahr, Anstrengung,
Mühsal hieß, ja selbst nur das einfache Abenteuer durch den genießlichen Geist
der Zeit vorsichtig aus dem Wege geräumt. Fuhr man doch schon durchweg
in "Gülschen", gegen die gehalten selbst die berühmte gelbe Kutsche ein Meister¬
stück von Bequemlichkeit gewesen ist. aber man fuhr auch desto langsamer, mit
gewaltigen schweren Rossen und sparte die Polster und Pfühle im Bauche
des noahkastenähnlicben Wagenungeheuers nicht. Der ritterliche Brauch, der
den Mann nur zu Pferde kannte und noch zwei Generationen früher ins der
Mehrzahl aller deutschen Man"er. Fürsten wie Bauern, wahre Centauren.ge¬
macht hatte, wurde von den Vornehmsten der Nation zuerst abgelegt. Die
Bahn der Verweichlichung und Ueppigkeit sollte auch hierin von ihnen als den


Herzog von Lothringen gegen den Köniq von Navarra. Denn darauf kam es
ihnen nicht so sehr an. für wen und gegen wen sie fochten, wenn sie nur über¬
haupt den herkömmlichen Wassergang nach den Umstanden in passendster Weise
abgenuicht -hatten. Und vollends die Prinzen, deren Bäter die lutherische Con-
cordienformel unlerschricbeii, hielten es für keine Gewissensbeschwcrde, sondern
im Gegentheil eher für ein gottgefälliges Werk, wenn sie mit dem katbolisä'er
Spanier odee Ligisten gegen die Calviner ins Feld rückten. Es siel auch da¬
mals schon hie und da an den deutschen Höfen das Stichwort einer späteren
Zeit, Legitimität und es schien den Herren, die sich schon ganz besonders von
Gottes Gnade zu sein bedünkten/doch ein gar bedenkliches Exempel zu sein,
daß Bürgermeister und Junker in den Niederlanden den legitimen König Phi¬
lipp, den legitimsten, den es damals ant dem Eidenrund gab. als eine» Tyrannen
seines angestammte» Rechtes für verlustig erklärt hatten.

Es war schon dafür gesorgt, daß solche Kriegsreisen nicht zu lang und zu
gefährlich aufschlugen. So viel Hunderte deutscher Fürsten damals auf den
wälsche», niederländischen, türkischen Säilachtfelder» sich umgesehen haben: nur
wenige hat eine Kugel gciroffen. Waren sie aber von diesen Strapazen nach
Hanse gekehrt, so begaben sie sich nicht leicht zum zweiten Male darein. Reift'
lustig blieben sie freilich mock immer, das war ebenso ein Erbtheil ihres deutschen
Blutes, wie der fieberhaften Beweglichkeit des ausgehenden Mittelalters und
der beginnenden Neuzeit. Aber die Reisen galten nur den Höfen auswärtiger
Potentaten und litten keinen andern Zweck, als sich draußen nach Lustbarketten
und ErgölUiclckeiten umzusehen, die man in Deutichland noch »ich! so recht
kannte oder auch »och nicht zu installiren wagte; ernstere Ziele gab es selten
dabei als etwa das Ordenskreu; und Band des Se. Michael aus Paris heim¬
zubringen oder einen Carneval in Venedig oder Rom miizumaäen. Die Besuche
bei den Bettern und Freunden ringsherum im :ne>che, die Bade- und Braui-
fahrten. die frankfurter Messen, die Kreis- und Reichstage rüttelten zwar noch
hie und de> ein oder zwei Mal im Jahre einen jener friedsamcn und bequem-
lichen Gesellen auf, aber es war auch da alles, was Gefahr, Anstrengung,
Mühsal hieß, ja selbst nur das einfache Abenteuer durch den genießlichen Geist
der Zeit vorsichtig aus dem Wege geräumt. Fuhr man doch schon durchweg
in „Gülschen", gegen die gehalten selbst die berühmte gelbe Kutsche ein Meister¬
stück von Bequemlichkeit gewesen ist. aber man fuhr auch desto langsamer, mit
gewaltigen schweren Rossen und sparte die Polster und Pfühle im Bauche
des noahkastenähnlicben Wagenungeheuers nicht. Der ritterliche Brauch, der
den Mann nur zu Pferde kannte und noch zwei Generationen früher ins der
Mehrzahl aller deutschen Man»er. Fürsten wie Bauern, wahre Centauren.ge¬
macht hatte, wurde von den Vornehmsten der Nation zuerst abgelegt. Die
Bahn der Verweichlichung und Ueppigkeit sollte auch hierin von ihnen als den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/9>, abgerufen am 22.07.2024.