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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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und Hirsche zu den Schildhaltern seines, Wappens gewählt hat. haben sie dach.
weg verurtheilt, und höchstens bat die Loyalität bedicnsteter Schreiber oder
eines Unterthanengemüthes, dem jeder Fußtritt von oben, weil er von einem
angestammten und angeborenen Fürstenstiesel ausgetheilt wurde, als ein natur¬
gemäßes gymnastisches Experiment vorkam, anders als die öffentliche Meinung
des deutschen Volkes aller Zeiten zu urtheilen gewagt. Da hat sich denn die
Glorie einer gewissen romantischen Pietät um solche Gestalten gelagert, freilich
dieselbe, wie sie mit einem wohlthuenden Gruseln gemischt auch ganz andere,
keineswegs fürstlich geborene und noch weniger fürstlich gestorbene und mit
fürstlichen Exequien bestattete Männer der Volkssage und Geschichte zu um¬
geben Pflegt.

Jener Herzog Friedrich, aus dessen Thun und Treiben hier eine Episode
skizzirt werden soll, gehört weder im Bösen noch im Guten zu den hervor¬
ragendsten Häuptern seines Stammes. Absichtlich ist das Böse vorangestellt,
da es bei ihnen allen die markirtesten Züge ihrer Physiognomie bestimmt; er
aber war im gewöhnlichen Sinne ein guter Mann und darum ist er vergessen.
Doch war er auch mehr als das und verdient deshalb immer eine Art von
wenn auch nur flüchtiger Wiederauferstehung im Gedächtniß des deutschen
Volkes, nicht blos seiner engeren Landsleute, die ihn schon als einen der Ihrigen
in Ehren halten müssen. Er war besser als die meisten seiner fürstlichen Zeit¬
genossen, intelligenter, gebildeter, thätiger als damals ein deutscher regierender
Fürst zu se>n Pflegte. Denn grade um die Wende des sechzehnten Jahrhunderts
sah ein Geschlecht ans den fürstlichen Thronen, das zwar noch die derben Knochen,
die strammen Muskeln und die tapferen Mägen der vorigen und vorvorigen
Generation besaß, aber wenig mehr von ihrer frischen Beweglichkeit, ihrer
kriegerischen Schlagfertigkeit und ihrer selbständigen Geschäftigkeit. Im Innern
des Reichs hatte der ewige Landfriede, die Reichsexecutions- und Reichspolizei¬
ordnung endlich einen ziemlich sichern Fiiedensstand geschaffen. Nur selten ein¬
mal war es nöthig, gegen einen adeligen Strauchdieb alten Stils oder gegen
inarodirendes Kriegsvolk ein paar Fähnlein Landsknechte zu werben oder die
Landmiliz aufzubieten. Größere kriegerische Händel gab es nur an den Grenzen,
wo die Türken und die Kaiserlichen, die Spanier und die vereinigten Staaten,
die Ltgisten und die Hugenotten unaufhörlich mit einander und zwar im größten
Stile handgemein waren. Aber die Grenzen lagen weit und in das Innere
des Reichs drang nur ein verhallender Lärm jenes weltgeschichtlichen Waffen-
getöses. In ihren sungen Jahren hatten zwar die meisten der damaligen fürst¬
lichen Herren auch einmal eine Feldschlacht gesehen, oder eine Belagerung, wenn
sie entweder dem Kaiser gegen den Türken, oder den Staaten gegen den Spanier,
oder dem König von Navarra gegen die Guisen ein Fähnlein Reiter zugeführt
hatten, oder auch wohl gelegentlich dem Spanier gegen die Staaten und dem


und Hirsche zu den Schildhaltern seines, Wappens gewählt hat. haben sie dach.
weg verurtheilt, und höchstens bat die Loyalität bedicnsteter Schreiber oder
eines Unterthanengemüthes, dem jeder Fußtritt von oben, weil er von einem
angestammten und angeborenen Fürstenstiesel ausgetheilt wurde, als ein natur¬
gemäßes gymnastisches Experiment vorkam, anders als die öffentliche Meinung
des deutschen Volkes aller Zeiten zu urtheilen gewagt. Da hat sich denn die
Glorie einer gewissen romantischen Pietät um solche Gestalten gelagert, freilich
dieselbe, wie sie mit einem wohlthuenden Gruseln gemischt auch ganz andere,
keineswegs fürstlich geborene und noch weniger fürstlich gestorbene und mit
fürstlichen Exequien bestattete Männer der Volkssage und Geschichte zu um¬
geben Pflegt.

Jener Herzog Friedrich, aus dessen Thun und Treiben hier eine Episode
skizzirt werden soll, gehört weder im Bösen noch im Guten zu den hervor¬
ragendsten Häuptern seines Stammes. Absichtlich ist das Böse vorangestellt,
da es bei ihnen allen die markirtesten Züge ihrer Physiognomie bestimmt; er
aber war im gewöhnlichen Sinne ein guter Mann und darum ist er vergessen.
Doch war er auch mehr als das und verdient deshalb immer eine Art von
wenn auch nur flüchtiger Wiederauferstehung im Gedächtniß des deutschen
Volkes, nicht blos seiner engeren Landsleute, die ihn schon als einen der Ihrigen
in Ehren halten müssen. Er war besser als die meisten seiner fürstlichen Zeit¬
genossen, intelligenter, gebildeter, thätiger als damals ein deutscher regierender
Fürst zu se>n Pflegte. Denn grade um die Wende des sechzehnten Jahrhunderts
sah ein Geschlecht ans den fürstlichen Thronen, das zwar noch die derben Knochen,
die strammen Muskeln und die tapferen Mägen der vorigen und vorvorigen
Generation besaß, aber wenig mehr von ihrer frischen Beweglichkeit, ihrer
kriegerischen Schlagfertigkeit und ihrer selbständigen Geschäftigkeit. Im Innern
des Reichs hatte der ewige Landfriede, die Reichsexecutions- und Reichspolizei¬
ordnung endlich einen ziemlich sichern Fiiedensstand geschaffen. Nur selten ein¬
mal war es nöthig, gegen einen adeligen Strauchdieb alten Stils oder gegen
inarodirendes Kriegsvolk ein paar Fähnlein Landsknechte zu werben oder die
Landmiliz aufzubieten. Größere kriegerische Händel gab es nur an den Grenzen,
wo die Türken und die Kaiserlichen, die Spanier und die vereinigten Staaten,
die Ltgisten und die Hugenotten unaufhörlich mit einander und zwar im größten
Stile handgemein waren. Aber die Grenzen lagen weit und in das Innere
des Reichs drang nur ein verhallender Lärm jenes weltgeschichtlichen Waffen-
getöses. In ihren sungen Jahren hatten zwar die meisten der damaligen fürst¬
lichen Herren auch einmal eine Feldschlacht gesehen, oder eine Belagerung, wenn
sie entweder dem Kaiser gegen den Türken, oder den Staaten gegen den Spanier,
oder dem König von Navarra gegen die Guisen ein Fähnlein Reiter zugeführt
hatten, oder auch wohl gelegentlich dem Spanier gegen die Staaten und dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/8>, abgerufen am 22.07.2024.