Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.beigewohnt, begiebt der Hof sich auf einen Festball, dem einige Tage später Trotz der paradiesischen Umgebung dieses wundersamen Fürstensitzes ist an 66*
beigewohnt, begiebt der Hof sich auf einen Festball, dem einige Tage später Trotz der paradiesischen Umgebung dieses wundersamen Fürstensitzes ist an 66*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0523" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191217"/> <p xml:id="ID_1734" prev="#ID_1733"> beigewohnt, begiebt der Hof sich auf einen Festball, dem einige Tage später<lb/> ein ähnliches von Bazaine gegebenes Fest folgt. Die Form der Einladung,<lb/> die Mittheilung, daß nach 9 Uhr niemand mehr hinzugelassen werde und takt¬<lb/> lose, verletzende Auswahl der Gäste, verscheuchen im voraus alles Behagen,<lb/> die Ungezogenheit des Wirths verursachte „allgemeine Empörung" bei den Nicht-<lb/> franzosen, und zur würdigen Feier des Abends wird das dem Kaiser gegebene<lb/> Ballfest nach Entfernung desselben mit einem Cancan geschlossen. Dem Unsere.<lb/> halt in der Haupstadt folgt eine Villegiatur auf dem Lustschloß Chapultepek,<lb/> einst die Sommerresidenz der spanischen Vicekönige, setzt so verfallen, daß Kaiser<lb/> Max und seine Gemahlin trotz der Restauration nur ein Ausenlhaltszimmer<lb/> zur Verfügung haben und in demselben Raum Audienzen ertheilen und ihre<lb/> Mahlzeiten einnehmen müssen. „Ueber die erste Nacht, welche die Majestäten<lb/> dort zubrachten, wird manches erzählt: man behauptet, sie hätten ihre Betten<lb/> auf die Terrasse tragen lassen, um weniger von Staub und Ungeziefer zu leiden;<lb/> gewiß ist, daß die wackere Kammerfrau der Kaiserin mich um einen Theil meines<lb/> Vorraths an Jnsektenpulver bat."</p><lb/> <p xml:id="ID_1735" next="#ID_1736"> Trotz der paradiesischen Umgebung dieses wundersamen Fürstensitzes ist an<lb/> eine genauere Bekanntschaft mit der Landschaft nicht zu denken; der großen<lb/> Unsicherheit wegen darf die Kaiserin ihre Ausflüge nicht anders als unter<lb/> französischer Eskorte unternehmen und dann noch war sie. „die sich gern in die<lb/> Illusion idyllischer Verhältnisse gewiegt und einzig dem Schutz durch die Liebe<lb/> ihres Volkes anvertraut hätte", in der freien Bewegung behindert, denn Plün¬<lb/> derer und Wegelagerer treiben ihr Wesen ärger als je: bald haben sie eine<lb/> Diligence so vollständig ausgeraubt, daß den Reisenden nichts übrig geblieben<lb/> „<zus 1os ^eux xour xleurer", ein anderes Mal wird einem Reisenden der<lb/> Kutscher vom Bock geschossen, wenig später muß der Marquis de Radepont ein<lb/> Gefecht auf Leben und Tod bestehen, um glücklich in die Thore der kaiserlichen<lb/> Hauptstadt zu gelangen. Es zeigt sich bald, daß die mexikanische Umgebung<lb/> des Kaisers so unzuverlässig und verlogen ist, daß dieser mit den größten<lb/> Schwierigkeiten zu kämpfen hat, um die Verhältnisse, denen er sein Leben ge¬<lb/> widmet, einigermaßen kennen zu lernen. Alle führen gegen Alle Krieg, niemand<lb/> scheint Glauben und Vertrauen zu verdienen. Der östreichisch-belgischen Um¬<lb/> gebung, die allein das kaiserliche Vertrauen verdient, die aber stets von dem<lb/> Mißtrauen der Eingeborenen verfolgt wird — bemächtigt sich schon nach wenigen<lb/> Tagen tiefste Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit, denn sie sieht nirgend<lb/> festen Boden unter sich, findet nirgends Anhaltepunkte für die Pläne, welche<lb/> der eifrige Monarch mitgebracht hat und mit deren Ausführung er es ernst<lb/> und redlich meint, — der Kaiser allein zeigt Muth und Entschlossenheit und wird<lb/> nicht müde, Land und Leute zu studiren. Da er sich auf Berichte nicht ver-<lb/> lassen kann, unternimmt er schon wenige Wochen nach seiner Ankunft eine</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 66*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0523]
beigewohnt, begiebt der Hof sich auf einen Festball, dem einige Tage später
ein ähnliches von Bazaine gegebenes Fest folgt. Die Form der Einladung,
die Mittheilung, daß nach 9 Uhr niemand mehr hinzugelassen werde und takt¬
lose, verletzende Auswahl der Gäste, verscheuchen im voraus alles Behagen,
die Ungezogenheit des Wirths verursachte „allgemeine Empörung" bei den Nicht-
franzosen, und zur würdigen Feier des Abends wird das dem Kaiser gegebene
Ballfest nach Entfernung desselben mit einem Cancan geschlossen. Dem Unsere.
halt in der Haupstadt folgt eine Villegiatur auf dem Lustschloß Chapultepek,
einst die Sommerresidenz der spanischen Vicekönige, setzt so verfallen, daß Kaiser
Max und seine Gemahlin trotz der Restauration nur ein Ausenlhaltszimmer
zur Verfügung haben und in demselben Raum Audienzen ertheilen und ihre
Mahlzeiten einnehmen müssen. „Ueber die erste Nacht, welche die Majestäten
dort zubrachten, wird manches erzählt: man behauptet, sie hätten ihre Betten
auf die Terrasse tragen lassen, um weniger von Staub und Ungeziefer zu leiden;
gewiß ist, daß die wackere Kammerfrau der Kaiserin mich um einen Theil meines
Vorraths an Jnsektenpulver bat."
Trotz der paradiesischen Umgebung dieses wundersamen Fürstensitzes ist an
eine genauere Bekanntschaft mit der Landschaft nicht zu denken; der großen
Unsicherheit wegen darf die Kaiserin ihre Ausflüge nicht anders als unter
französischer Eskorte unternehmen und dann noch war sie. „die sich gern in die
Illusion idyllischer Verhältnisse gewiegt und einzig dem Schutz durch die Liebe
ihres Volkes anvertraut hätte", in der freien Bewegung behindert, denn Plün¬
derer und Wegelagerer treiben ihr Wesen ärger als je: bald haben sie eine
Diligence so vollständig ausgeraubt, daß den Reisenden nichts übrig geblieben
„<zus 1os ^eux xour xleurer", ein anderes Mal wird einem Reisenden der
Kutscher vom Bock geschossen, wenig später muß der Marquis de Radepont ein
Gefecht auf Leben und Tod bestehen, um glücklich in die Thore der kaiserlichen
Hauptstadt zu gelangen. Es zeigt sich bald, daß die mexikanische Umgebung
des Kaisers so unzuverlässig und verlogen ist, daß dieser mit den größten
Schwierigkeiten zu kämpfen hat, um die Verhältnisse, denen er sein Leben ge¬
widmet, einigermaßen kennen zu lernen. Alle führen gegen Alle Krieg, niemand
scheint Glauben und Vertrauen zu verdienen. Der östreichisch-belgischen Um¬
gebung, die allein das kaiserliche Vertrauen verdient, die aber stets von dem
Mißtrauen der Eingeborenen verfolgt wird — bemächtigt sich schon nach wenigen
Tagen tiefste Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit, denn sie sieht nirgend
festen Boden unter sich, findet nirgends Anhaltepunkte für die Pläne, welche
der eifrige Monarch mitgebracht hat und mit deren Ausführung er es ernst
und redlich meint, — der Kaiser allein zeigt Muth und Entschlossenheit und wird
nicht müde, Land und Leute zu studiren. Da er sich auf Berichte nicht ver-
lassen kann, unternimmt er schon wenige Wochen nach seiner Ankunft eine
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