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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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das ernstlichste gefährdet war. Diese Stiftung zu retten, bot Gerhard alles
auf. Vor allem galt es die pecuniciren Mittel zur Erhaltung derselben sicher
zu stellen. Wer bedenkt, wie spärlich in Preußen dem Unterrichtsministerium
die Mittel zugemessen sind, wird die Schwierigkeiten würdigen, welche es haben
mußte, die bisher nur auf dem persönlichen Interesse des Königs beruhende,
unsichere und sehr geringfügige Unterstützung in eine bedeutendere feste Staats¬
subvention zu verwandeln. Hier war Gerhards zäher Festigkeit wieder ein Feld
eröffnet. Und es gelang vollständig. Im Jahre 1860 erhielt das Institut vom
preußischen Staat eine regelmäßige Unterstützung und wurde einer in Berlin
residirenden Centraldirection untergeben, an deren Spitze Gerhard stand. Die
Geldmittel wurden ansehnlich vermehrt, so daß nicht blos die Kosten der Schriften
unabhängig vom buchhändlerischen Vertriebe gedeckt, sondern auch für die Be¬
dürfnisse der Bibliothek, für Anfertigung von Zeichnungen, für wissenschaftliche
Reisen der Directionsmitglieder, endlich für zwei jährliche, jüngeren Fachgenossen
bestimmte Reisestipendien die Fonds vorhanden waren. Für das Zustandekommen
dieses Planes war neben Gerhard besonders Mommsen thätig; in Rom war die
Leitung in Herzen und nach Brauns Tode in Brunn den kundigsten Männern
anvertraut. So war das Institut aus dieser gefahrvollen Krise neuverjüngt her¬
vorgegangen und die Anstalt hatte doppelten Grund, an der funfzigjährigen
Feier der Doctorpromotion Gerhards (1865) sich ihrem Stifter und Neugründer
dankbar zu erweisen. Ein eigner Festband mit Abhandlungen von mehr als
vierzig Mitgliedern ward vom Institut dem siebzigjährigen Jubilar überreicht!
andre Gaben brachten die archäologische Gesellschaft, sowie Freunde und Schüler
dar. Die Akademie, die Universität, die Zuhörer boten ihre Glückwünsche
mündlich, auswärtige Vereine und Körperschaften sandten dieselben schriftlich,
und beim Festmahle ward Gerhard von seinem alten Lehrer und Promotor
Böckh begrüßt. Selbst noch nachträglich benutzte die Heidelberger Philologen-
Versammlung Gerhards Anwesenheit, um ihn als Jubilar feierlich zu bewill¬
kommnen.

Gerhard selber, der das Abnehmen seiner Kräfte bereits zu spüren begann,
hatte dem Doctorjubiläum wie dem siebzigsten Geburtstag (29. Nov. 1865) mit
dem Gefühl entgegengesehen, daß es sich für ihn um den letzten Markstein des
Lebensweges handle. Um so mehr trieb es ihn abzuschließen, was noch nicht
vollendet war. Neben der Herausgabe der Zeitung und der Leitung der archäo¬
logischen Uebungen förderte er das noch nicht ganz beendigte Spiegelwerk und
begann die Sammlung seiner zerstreuten akademischen Abhandlungen und kleinen
Schriften, deren Herausgabe der vielbewährte Verleger Georg Reimer übernahm,
indem die Akademie auch ihre Hilfe nicht versagte. Den ersten Band, der allein
der Überarbeitung Schwierigkeiten bot. vollendete Gerhard im Herbst 1866 und
hatte die Freude, durch die Liberalität des preußischen Cultusministeriums den-


das ernstlichste gefährdet war. Diese Stiftung zu retten, bot Gerhard alles
auf. Vor allem galt es die pecuniciren Mittel zur Erhaltung derselben sicher
zu stellen. Wer bedenkt, wie spärlich in Preußen dem Unterrichtsministerium
die Mittel zugemessen sind, wird die Schwierigkeiten würdigen, welche es haben
mußte, die bisher nur auf dem persönlichen Interesse des Königs beruhende,
unsichere und sehr geringfügige Unterstützung in eine bedeutendere feste Staats¬
subvention zu verwandeln. Hier war Gerhards zäher Festigkeit wieder ein Feld
eröffnet. Und es gelang vollständig. Im Jahre 1860 erhielt das Institut vom
preußischen Staat eine regelmäßige Unterstützung und wurde einer in Berlin
residirenden Centraldirection untergeben, an deren Spitze Gerhard stand. Die
Geldmittel wurden ansehnlich vermehrt, so daß nicht blos die Kosten der Schriften
unabhängig vom buchhändlerischen Vertriebe gedeckt, sondern auch für die Be¬
dürfnisse der Bibliothek, für Anfertigung von Zeichnungen, für wissenschaftliche
Reisen der Directionsmitglieder, endlich für zwei jährliche, jüngeren Fachgenossen
bestimmte Reisestipendien die Fonds vorhanden waren. Für das Zustandekommen
dieses Planes war neben Gerhard besonders Mommsen thätig; in Rom war die
Leitung in Herzen und nach Brauns Tode in Brunn den kundigsten Männern
anvertraut. So war das Institut aus dieser gefahrvollen Krise neuverjüngt her¬
vorgegangen und die Anstalt hatte doppelten Grund, an der funfzigjährigen
Feier der Doctorpromotion Gerhards (1865) sich ihrem Stifter und Neugründer
dankbar zu erweisen. Ein eigner Festband mit Abhandlungen von mehr als
vierzig Mitgliedern ward vom Institut dem siebzigjährigen Jubilar überreicht!
andre Gaben brachten die archäologische Gesellschaft, sowie Freunde und Schüler
dar. Die Akademie, die Universität, die Zuhörer boten ihre Glückwünsche
mündlich, auswärtige Vereine und Körperschaften sandten dieselben schriftlich,
und beim Festmahle ward Gerhard von seinem alten Lehrer und Promotor
Böckh begrüßt. Selbst noch nachträglich benutzte die Heidelberger Philologen-
Versammlung Gerhards Anwesenheit, um ihn als Jubilar feierlich zu bewill¬
kommnen.

Gerhard selber, der das Abnehmen seiner Kräfte bereits zu spüren begann,
hatte dem Doctorjubiläum wie dem siebzigsten Geburtstag (29. Nov. 1865) mit
dem Gefühl entgegengesehen, daß es sich für ihn um den letzten Markstein des
Lebensweges handle. Um so mehr trieb es ihn abzuschließen, was noch nicht
vollendet war. Neben der Herausgabe der Zeitung und der Leitung der archäo¬
logischen Uebungen förderte er das noch nicht ganz beendigte Spiegelwerk und
begann die Sammlung seiner zerstreuten akademischen Abhandlungen und kleinen
Schriften, deren Herausgabe der vielbewährte Verleger Georg Reimer übernahm,
indem die Akademie auch ihre Hilfe nicht versagte. Den ersten Band, der allein
der Überarbeitung Schwierigkeiten bot. vollendete Gerhard im Herbst 1866 und
hatte die Freude, durch die Liberalität des preußischen Cultusministeriums den-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/466>, abgerufen am 22.07.2024.