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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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selben laues den archäologischen Instituten anderer deutschen Universitäten über-
reichen zu können. Dasselbe Jahr verschaffte ihm, der sür sein Vaterland von
jeher warm empfunden hatte, auch noch die hohe Genugthuung, Preußen sieg-
reich aus den Gefahren hervorgehen und an die Spitze des neuen Deutschlands
treten zu sehen. Es war die letzte große Freude. Die Kräfte, welche durch
das Jubiläum und dessen erquickliche Anregungen neubelebt geschienen hatten,
ließen merklich nach und mit Kummer sahen seine Freunde, wie das Alter sein
Recht immer mehr geltend machte. Fast ohne eigentliche Krankheit, aber nicht
ohne Schmerzen erfolgte die Abnahme. Zuerst wehrte sich die Geisteskraft des
Mannes, sich unter den Körper zu beugen; nichts zu thun hatte er in seinem
langen Leben nicht gelernt. Allmälig mußte er sich fügen, nur die große Er-
mattung half ihm über das peinliche Gefühl der Untätigkeit hinweg. So
verging der ganze letzte Winter; schien das Ende nahe zu sein, so erwachte
immer wieder die alte Kraft. Als er erkannte, daß das Ende nahe, schloß er
äußerlich und innerlich mit dem Leben ab, klaren und frommen Sinnes. Sieb-
zehn Tage lang sah er unverändert und sich selbst treu dem Tode entgegen, den
er wünschte, als ob es nur ein Einschlafen sei, -- wer das vermag, muß ein
schönes, klares Leben hinter sich haben. Am 12. Mai trat die Erlösung sanft
und ruhig ein.

Die Wissenschaft verliert in Gerhard einen ihrer unermüdlichsten Vertreter.
Keiner stand so wie er in dem rechten Centrum der ausgedehntesten persönlichen
und literarischen Beziehungen, die ihm sein langes Leben dargeboten und die
er stets gern und eifrig gepflegt hat. Keiner hatte denselben scharfen Blick für
das. was zunächst Noth that und dieselbe beharrliche Energie und praktische
Gewandtheit, die so gefaßt?" Pläne auszuführen. Keiner war daher auch gleich
'hin befähigt, den von ihm ins Leben gerufenen Unternehmungen vorzustehen.
Mögen manche Seiten der Archäologie von Anderen glücklicher ausgebildet
worden sein, Gerhard wird das Verdienst ungeschmälert bleiben, durch die
Gründung des Institutes, wie durch die erstaunliche Erweiterung der literarischen
Hilfsmittel und durch die genaue Buchführung über das gesammte Material
"ne umfassende gemeinsame Weiterarbeit theils erst ermöglicht, theils für immer
gesichert und wesentlich gefördert zu haben. Seine mannigfachen Stiftungen
werden sein bestes E'yrendenkmal in den Hallen der Wissenschaft sein; im
Herzen der Seinen, seiner Freunde, seiner Schüler ist auch ohnedies dem liebe-
vollen Gatten, dem Freunde von lauterster Treue, dem milden väterlichen L.hrer
und Berather, dem edlen Manne ein dankbares Andenken echter Pietät gesichert.


A. M,


selben laues den archäologischen Instituten anderer deutschen Universitäten über-
reichen zu können. Dasselbe Jahr verschaffte ihm, der sür sein Vaterland von
jeher warm empfunden hatte, auch noch die hohe Genugthuung, Preußen sieg-
reich aus den Gefahren hervorgehen und an die Spitze des neuen Deutschlands
treten zu sehen. Es war die letzte große Freude. Die Kräfte, welche durch
das Jubiläum und dessen erquickliche Anregungen neubelebt geschienen hatten,
ließen merklich nach und mit Kummer sahen seine Freunde, wie das Alter sein
Recht immer mehr geltend machte. Fast ohne eigentliche Krankheit, aber nicht
ohne Schmerzen erfolgte die Abnahme. Zuerst wehrte sich die Geisteskraft des
Mannes, sich unter den Körper zu beugen; nichts zu thun hatte er in seinem
langen Leben nicht gelernt. Allmälig mußte er sich fügen, nur die große Er-
mattung half ihm über das peinliche Gefühl der Untätigkeit hinweg. So
verging der ganze letzte Winter; schien das Ende nahe zu sein, so erwachte
immer wieder die alte Kraft. Als er erkannte, daß das Ende nahe, schloß er
äußerlich und innerlich mit dem Leben ab, klaren und frommen Sinnes. Sieb-
zehn Tage lang sah er unverändert und sich selbst treu dem Tode entgegen, den
er wünschte, als ob es nur ein Einschlafen sei, — wer das vermag, muß ein
schönes, klares Leben hinter sich haben. Am 12. Mai trat die Erlösung sanft
und ruhig ein.

Die Wissenschaft verliert in Gerhard einen ihrer unermüdlichsten Vertreter.
Keiner stand so wie er in dem rechten Centrum der ausgedehntesten persönlichen
und literarischen Beziehungen, die ihm sein langes Leben dargeboten und die
er stets gern und eifrig gepflegt hat. Keiner hatte denselben scharfen Blick für
das. was zunächst Noth that und dieselbe beharrliche Energie und praktische
Gewandtheit, die so gefaßt?« Pläne auszuführen. Keiner war daher auch gleich
'hin befähigt, den von ihm ins Leben gerufenen Unternehmungen vorzustehen.
Mögen manche Seiten der Archäologie von Anderen glücklicher ausgebildet
worden sein, Gerhard wird das Verdienst ungeschmälert bleiben, durch die
Gründung des Institutes, wie durch die erstaunliche Erweiterung der literarischen
Hilfsmittel und durch die genaue Buchführung über das gesammte Material
«ne umfassende gemeinsame Weiterarbeit theils erst ermöglicht, theils für immer
gesichert und wesentlich gefördert zu haben. Seine mannigfachen Stiftungen
werden sein bestes E'yrendenkmal in den Hallen der Wissenschaft sein; im
Herzen der Seinen, seiner Freunde, seiner Schüler ist auch ohnedies dem liebe-
vollen Gatten, dem Freunde von lauterster Treue, dem milden väterlichen L.hrer
und Berather, dem edlen Manne ein dankbares Andenken echter Pietät gesichert.


A. M,


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[0467] selben laues den archäologischen Instituten anderer deutschen Universitäten über- reichen zu können. Dasselbe Jahr verschaffte ihm, der sür sein Vaterland von jeher warm empfunden hatte, auch noch die hohe Genugthuung, Preußen sieg- reich aus den Gefahren hervorgehen und an die Spitze des neuen Deutschlands treten zu sehen. Es war die letzte große Freude. Die Kräfte, welche durch das Jubiläum und dessen erquickliche Anregungen neubelebt geschienen hatten, ließen merklich nach und mit Kummer sahen seine Freunde, wie das Alter sein Recht immer mehr geltend machte. Fast ohne eigentliche Krankheit, aber nicht ohne Schmerzen erfolgte die Abnahme. Zuerst wehrte sich die Geisteskraft des Mannes, sich unter den Körper zu beugen; nichts zu thun hatte er in seinem langen Leben nicht gelernt. Allmälig mußte er sich fügen, nur die große Er- mattung half ihm über das peinliche Gefühl der Untätigkeit hinweg. So verging der ganze letzte Winter; schien das Ende nahe zu sein, so erwachte immer wieder die alte Kraft. Als er erkannte, daß das Ende nahe, schloß er äußerlich und innerlich mit dem Leben ab, klaren und frommen Sinnes. Sieb- zehn Tage lang sah er unverändert und sich selbst treu dem Tode entgegen, den er wünschte, als ob es nur ein Einschlafen sei, — wer das vermag, muß ein schönes, klares Leben hinter sich haben. Am 12. Mai trat die Erlösung sanft und ruhig ein. Die Wissenschaft verliert in Gerhard einen ihrer unermüdlichsten Vertreter. Keiner stand so wie er in dem rechten Centrum der ausgedehntesten persönlichen und literarischen Beziehungen, die ihm sein langes Leben dargeboten und die er stets gern und eifrig gepflegt hat. Keiner hatte denselben scharfen Blick für das. was zunächst Noth that und dieselbe beharrliche Energie und praktische Gewandtheit, die so gefaßt?« Pläne auszuführen. Keiner war daher auch gleich 'hin befähigt, den von ihm ins Leben gerufenen Unternehmungen vorzustehen. Mögen manche Seiten der Archäologie von Anderen glücklicher ausgebildet worden sein, Gerhard wird das Verdienst ungeschmälert bleiben, durch die Gründung des Institutes, wie durch die erstaunliche Erweiterung der literarischen Hilfsmittel und durch die genaue Buchführung über das gesammte Material «ne umfassende gemeinsame Weiterarbeit theils erst ermöglicht, theils für immer gesichert und wesentlich gefördert zu haben. Seine mannigfachen Stiftungen werden sein bestes E'yrendenkmal in den Hallen der Wissenschaft sein; im Herzen der Seinen, seiner Freunde, seiner Schüler ist auch ohnedies dem liebe- vollen Gatten, dem Freunde von lauterster Treue, dem milden väterlichen L.hrer und Berather, dem edlen Manne ein dankbares Andenken echter Pietät gesichert. A. M,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/467>, abgerufen am 22.07.2024.