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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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geber es aussprechen, daß seit Winckelmann kein reichhaltigeres und umfassenderes
Denkmälerwerk erschienen sei.

Werfen wir noch einen Blick auf die persönlichen Verhältnisse, in denen
Gerhard während aller dieser Arbeiten in Rom lebte. Die ersten Freunde,
Thiersch, Schon: und Hagen, auch Niebuhr hatten Rom schon lange verlassen,
andre waren geblieben, neue hinzugekommen. Unter den deutschen Familien,
welche den Gelehrten, Künstlern und Kunstfreunden einen anziehenden Mittel¬
punkt anregender Geselligkeit boten, nennen wir namentlich diejenige Bunsens,
der den Sitz der preußischen Gesandtschaft aus dem von Niebuhr bewohnten
Palast Orsini-Savelli, dem romantischen Aufbau des alten Marcelluslhcaters, auf
die stolze Höhe des Capitols, in den Palast Cassarelli verlegte, und diejenige des
hannöverschen Gesandten von Reden, der die reizende Villa Malta auf dem
Monte Pincio bewohnte. In dieser hatten bis dahin zwei engverbundene
Freunde gehaust, der spätere englisch-hannöversche Ministcrresidcnt Kestner,
ein kunstsinniger Sammler und der feinsinnige, phantasiereiche Künstler Otto
von Stackelberg aus Esthland, beide seit langer Zeit in Rom. Stackelberg
hatte zu jener internationalen Gesellschaft gehört, welche im zweiten Jahrzehnt un¬
seres Jahrhunderts Griechenland wissenschaftlich durchforscht und die Bildwerke der
Tempel von Aegina und von Phigalcia entdeckt hatte. Durch ihn war das
damals erst der Wissenschaft wiedergewonnene Griechenland in Rom vertreten,
seine innig empfundenen Zeichnungen von Land, Leuten und Kunst in Griechen¬
land, unterstützt durch lebhafte poetische Schilderungen, führten auf das schönste
in jenes Land ein. Beiden Männern (neben denen etwa noch Stackelbergs
griechischer Reisegefährte, der Würtcnrberger Linckh, eine humoristische Künstler-
und Dilcttantennatur, ferner der Däne Bröndsted und aus der Zahl der
Künstler Thorwaldsen, Wagner, die Gebrüder Riepenhausen zu nennen
sein möchten) schloß sich Gerhard an. Ein neues Element kam in den Kreis
mit Panofka, der im Spätherbst 1824 in Rom eintraf. Von der Natur
mit feinem Kunstsinn ausgestattet, der später leider bei einem methodelosen
Mißbrauch seiner bedeutenden Gelehrsamkeit und ausschweifenden Combinations¬
gabe immer seltener hervortrat, wußte Panofka damals auch durch seine ge¬
sellige Gewandtheit dem Freundeskreise sich nützlich zu erweisen. Er veranlaßte
Gerhard, Stackelberg und Kestner zu regelmäßigen abendlichen Zusammenkünften
und zu gemeinsamer Lectüre, welche hauptsächlich dem Pausanias galt und zwei
Winter hindurch regelmäßig fortgesetzt ward. Kastners Wohnung auf dem
Monte Pincio diente den Freunden als Sammelplatz, Kastners schöner Kunst-
besitz, dessen Vermehrung ihn in fortwährendem Bezüge zum römischen Kunst'
Handel erhielt, bot weiteren Stoff zu archäologischer Unterhaltung. Regelmäßige
gemeinsame Wanderungen durch die Stadt, die Villen, die Campagna und
durch die Museen, die gemeinsame Theilnahme an den verschiedenen Wissenschaft-


geber es aussprechen, daß seit Winckelmann kein reichhaltigeres und umfassenderes
Denkmälerwerk erschienen sei.

Werfen wir noch einen Blick auf die persönlichen Verhältnisse, in denen
Gerhard während aller dieser Arbeiten in Rom lebte. Die ersten Freunde,
Thiersch, Schon: und Hagen, auch Niebuhr hatten Rom schon lange verlassen,
andre waren geblieben, neue hinzugekommen. Unter den deutschen Familien,
welche den Gelehrten, Künstlern und Kunstfreunden einen anziehenden Mittel¬
punkt anregender Geselligkeit boten, nennen wir namentlich diejenige Bunsens,
der den Sitz der preußischen Gesandtschaft aus dem von Niebuhr bewohnten
Palast Orsini-Savelli, dem romantischen Aufbau des alten Marcelluslhcaters, auf
die stolze Höhe des Capitols, in den Palast Cassarelli verlegte, und diejenige des
hannöverschen Gesandten von Reden, der die reizende Villa Malta auf dem
Monte Pincio bewohnte. In dieser hatten bis dahin zwei engverbundene
Freunde gehaust, der spätere englisch-hannöversche Ministcrresidcnt Kestner,
ein kunstsinniger Sammler und der feinsinnige, phantasiereiche Künstler Otto
von Stackelberg aus Esthland, beide seit langer Zeit in Rom. Stackelberg
hatte zu jener internationalen Gesellschaft gehört, welche im zweiten Jahrzehnt un¬
seres Jahrhunderts Griechenland wissenschaftlich durchforscht und die Bildwerke der
Tempel von Aegina und von Phigalcia entdeckt hatte. Durch ihn war das
damals erst der Wissenschaft wiedergewonnene Griechenland in Rom vertreten,
seine innig empfundenen Zeichnungen von Land, Leuten und Kunst in Griechen¬
land, unterstützt durch lebhafte poetische Schilderungen, führten auf das schönste
in jenes Land ein. Beiden Männern (neben denen etwa noch Stackelbergs
griechischer Reisegefährte, der Würtcnrberger Linckh, eine humoristische Künstler-
und Dilcttantennatur, ferner der Däne Bröndsted und aus der Zahl der
Künstler Thorwaldsen, Wagner, die Gebrüder Riepenhausen zu nennen
sein möchten) schloß sich Gerhard an. Ein neues Element kam in den Kreis
mit Panofka, der im Spätherbst 1824 in Rom eintraf. Von der Natur
mit feinem Kunstsinn ausgestattet, der später leider bei einem methodelosen
Mißbrauch seiner bedeutenden Gelehrsamkeit und ausschweifenden Combinations¬
gabe immer seltener hervortrat, wußte Panofka damals auch durch seine ge¬
sellige Gewandtheit dem Freundeskreise sich nützlich zu erweisen. Er veranlaßte
Gerhard, Stackelberg und Kestner zu regelmäßigen abendlichen Zusammenkünften
und zu gemeinsamer Lectüre, welche hauptsächlich dem Pausanias galt und zwei
Winter hindurch regelmäßig fortgesetzt ward. Kastners Wohnung auf dem
Monte Pincio diente den Freunden als Sammelplatz, Kastners schöner Kunst-
besitz, dessen Vermehrung ihn in fortwährendem Bezüge zum römischen Kunst'
Handel erhielt, bot weiteren Stoff zu archäologischer Unterhaltung. Regelmäßige
gemeinsame Wanderungen durch die Stadt, die Villen, die Campagna und
durch die Museen, die gemeinsame Theilnahme an den verschiedenen Wissenschaft-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/456>, abgerufen am 22.07.2024.