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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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daß es in seinen Colonie<die civilisatorische Ausgabe --Azur'S es and ""aller
Culturstaaten sei es gesagt -- in der Weise löst, wie es nur die Lehre
Christi vorschreibt, daß es allein auf dem Wege ist, um die "sociale Fleche"!"
zu erlangen, daß es "für die Menschheit einst mehr leisten wird, als andere
Nationen je leisteten" -- im nebligen stehen Herr Schmaler (sprich: Smoljirr)
und.Genossen aber entschieden aus dem Standpunkt der Slawophilen, der russischen
Romantiker, welche die russische Entwickelung seit Peter dem Großen und dem
Eindringen occidentaler Einflüsse als Verirrung ansehen und erst von der Rück¬
kehr zu den Heiligthümern des altmoskowischen Byzantinismus der vorpetrinischen
Periode das Ziel elwarten. In ihrem Leitartikel vom 6. Jan. 1866 bekennen
sich die bautzener Panslawisten, die freilich lange genug in der westeuropäischen
Cultur gesteckt haben, um den Unwerth derselben zu kennen -- entschieden zu
dem Programm dieser moskauer Schule und in der That wird keine Gelegen¬
heit, bei welcher die Treue gegen dieselbe bewährt werden kann, außer Acht ge¬
lassen. Gewissenhaft wird des alten Pogodin, des russischen Gerlach, im
Nundschauerstyl abgefaßte Trostadressc an den verlassenen Bruoerstamm in Ga-
lizien reproducirt, mit Lamanski, dem Geschichtephilosophen der Schule, aus der
^schichte der italienischen Einheit die Nothwendigkeit der slawischen deducirt
in Befolgung der Lorschriften des Programms, -- "aus Gründen des all¬
gemeinen Nutzens" die Erhebung des Russischen zur slawischen Gesammtsprache
gefordert und im Bunde mit den Aksatow und Samarin gegen die im Occi-
denlaliemus untergegangenen Polen und die durch ihre Wissenschaftlichkeit zu
Heiden gewordenen Deutschen gewettert.

Kein nationales Fest wird an der Newa. Wolga oder Moskwa begangen, das
in Beruhen nicht sein Echo fände. Karamsin. jener Neichshistoriograph Alexanders
des Ersten, der "des Volks Geschichte" feierlich "zu des Herrschers Eigenthum"
erklärte, wird als erster Geschichtschreiber des Zeitalters proclcnnirt und Lomo¬
nossow, der Ahnherr der russischen Literatur und der national-slawischen Exklu¬
sivität in Prosa wie in Versen gefeiert. Von dieser letzteren (der Uebersetzung
eines russischen Gedichts, dessen Autor den echt slawischen Namen Rosen-
heim führt) dürften nachstehende Proben willkommen sein.


Als der in allem ungeduldge
Zaar Peter umzuschaffen sann
Urplötzlich Rußland und das Alte
Zu brechen eifrig gleich begann



Da starb der Zaar. der fremde Einfluß
Griff um sich und gewann an Kraft,
Listig versteckend all sein Wissen
Führt er die Sach' so meisterhaft

Grenzboten II. 1867. tzH .

daß es in seinen Colonie<die civilisatorische Ausgabe —Azur'S es and «"aller
Culturstaaten sei es gesagt — in der Weise löst, wie es nur die Lehre
Christi vorschreibt, daß es allein auf dem Wege ist, um die „sociale Fleche»!"
zu erlangen, daß es „für die Menschheit einst mehr leisten wird, als andere
Nationen je leisteten" — im nebligen stehen Herr Schmaler (sprich: Smoljirr)
und.Genossen aber entschieden aus dem Standpunkt der Slawophilen, der russischen
Romantiker, welche die russische Entwickelung seit Peter dem Großen und dem
Eindringen occidentaler Einflüsse als Verirrung ansehen und erst von der Rück¬
kehr zu den Heiligthümern des altmoskowischen Byzantinismus der vorpetrinischen
Periode das Ziel elwarten. In ihrem Leitartikel vom 6. Jan. 1866 bekennen
sich die bautzener Panslawisten, die freilich lange genug in der westeuropäischen
Cultur gesteckt haben, um den Unwerth derselben zu kennen — entschieden zu
dem Programm dieser moskauer Schule und in der That wird keine Gelegen¬
heit, bei welcher die Treue gegen dieselbe bewährt werden kann, außer Acht ge¬
lassen. Gewissenhaft wird des alten Pogodin, des russischen Gerlach, im
Nundschauerstyl abgefaßte Trostadressc an den verlassenen Bruoerstamm in Ga-
lizien reproducirt, mit Lamanski, dem Geschichtephilosophen der Schule, aus der
^schichte der italienischen Einheit die Nothwendigkeit der slawischen deducirt
in Befolgung der Lorschriften des Programms, — „aus Gründen des all¬
gemeinen Nutzens" die Erhebung des Russischen zur slawischen Gesammtsprache
gefordert und im Bunde mit den Aksatow und Samarin gegen die im Occi-
denlaliemus untergegangenen Polen und die durch ihre Wissenschaftlichkeit zu
Heiden gewordenen Deutschen gewettert.

Kein nationales Fest wird an der Newa. Wolga oder Moskwa begangen, das
in Beruhen nicht sein Echo fände. Karamsin. jener Neichshistoriograph Alexanders
des Ersten, der „des Volks Geschichte" feierlich „zu des Herrschers Eigenthum"
erklärte, wird als erster Geschichtschreiber des Zeitalters proclcnnirt und Lomo¬
nossow, der Ahnherr der russischen Literatur und der national-slawischen Exklu¬
sivität in Prosa wie in Versen gefeiert. Von dieser letzteren (der Uebersetzung
eines russischen Gedichts, dessen Autor den echt slawischen Namen Rosen-
heim führt) dürften nachstehende Proben willkommen sein.


Als der in allem ungeduldge
Zaar Peter umzuschaffen sann
Urplötzlich Rußland und das Alte
Zu brechen eifrig gleich begann



Da starb der Zaar. der fremde Einfluß
Griff um sich und gewann an Kraft,
Listig versteckend all sein Wissen
Führt er die Sach' so meisterhaft

Grenzboten II. 1867. tzH .
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[0441] daß es in seinen Colonie<die civilisatorische Ausgabe —Azur'S es and «"aller Culturstaaten sei es gesagt — in der Weise löst, wie es nur die Lehre Christi vorschreibt, daß es allein auf dem Wege ist, um die „sociale Fleche»!" zu erlangen, daß es „für die Menschheit einst mehr leisten wird, als andere Nationen je leisteten" — im nebligen stehen Herr Schmaler (sprich: Smoljirr) und.Genossen aber entschieden aus dem Standpunkt der Slawophilen, der russischen Romantiker, welche die russische Entwickelung seit Peter dem Großen und dem Eindringen occidentaler Einflüsse als Verirrung ansehen und erst von der Rück¬ kehr zu den Heiligthümern des altmoskowischen Byzantinismus der vorpetrinischen Periode das Ziel elwarten. In ihrem Leitartikel vom 6. Jan. 1866 bekennen sich die bautzener Panslawisten, die freilich lange genug in der westeuropäischen Cultur gesteckt haben, um den Unwerth derselben zu kennen — entschieden zu dem Programm dieser moskauer Schule und in der That wird keine Gelegen¬ heit, bei welcher die Treue gegen dieselbe bewährt werden kann, außer Acht ge¬ lassen. Gewissenhaft wird des alten Pogodin, des russischen Gerlach, im Nundschauerstyl abgefaßte Trostadressc an den verlassenen Bruoerstamm in Ga- lizien reproducirt, mit Lamanski, dem Geschichtephilosophen der Schule, aus der ^schichte der italienischen Einheit die Nothwendigkeit der slawischen deducirt in Befolgung der Lorschriften des Programms, — „aus Gründen des all¬ gemeinen Nutzens" die Erhebung des Russischen zur slawischen Gesammtsprache gefordert und im Bunde mit den Aksatow und Samarin gegen die im Occi- denlaliemus untergegangenen Polen und die durch ihre Wissenschaftlichkeit zu Heiden gewordenen Deutschen gewettert. Kein nationales Fest wird an der Newa. Wolga oder Moskwa begangen, das in Beruhen nicht sein Echo fände. Karamsin. jener Neichshistoriograph Alexanders des Ersten, der „des Volks Geschichte" feierlich „zu des Herrschers Eigenthum" erklärte, wird als erster Geschichtschreiber des Zeitalters proclcnnirt und Lomo¬ nossow, der Ahnherr der russischen Literatur und der national-slawischen Exklu¬ sivität in Prosa wie in Versen gefeiert. Von dieser letzteren (der Uebersetzung eines russischen Gedichts, dessen Autor den echt slawischen Namen Rosen- heim führt) dürften nachstehende Proben willkommen sein. Als der in allem ungeduldge Zaar Peter umzuschaffen sann Urplötzlich Rußland und das Alte Zu brechen eifrig gleich begann Da starb der Zaar. der fremde Einfluß Griff um sich und gewann an Kraft, Listig versteckend all sein Wissen Führt er die Sach' so meisterhaft Grenzboten II. 1867. tzH .

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/441>, abgerufen am 22.07.2024.