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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Die Preußische Kriegsmarine.
2. Die Segelschiffe, Naddampfer und Nuderboote der Kriegsflotte.

In der preußischen Marine find schon bei ihrem gegenwärtigen Bestände
alle vier Kategorien von Schiffen, die wir im vorigen Abschnitt als Hauptbe¬
standtheile der modernen Kriegsflotten bezeichnet haben: die Segelschiffe, die Rad¬
dampfer, die ungepanzerten Schraubendampfer und die Panzerschiffe vertreten,
und zwar in einem Verhältniß, das günstig genannt werden kann. Diejenigen
Kategorien^ deren Construction als veraltet und speciell für die Zwecke des
Gefechts nicht mehr geeignet bezeichnet werden muß, sind nur grade so weit
vorhanden, als dies aus anderweitigen Rücksichten wünschenswert!) ist: die
Flotten von England oder Frankreich haben ein ungeheures Material in Hun¬
derten von Segelschiffen, die wenig mehr zu gebrauchen sind, so daß das darin
steckende enorme Capital verloren ist, und die durch die Sorge für ihre Erhal¬
tung sogar noch bedeutende Kosten verursachen. Aber auch hinsichtlich der
Panzerschiffe kann es als ein Glück betrachtet werden, daß der Bestand an
solchen Schiffen bis jetzt nicht bedeutend ist. Denn die Frage, wie Panzerschiffe
zu bauen sind, ist gegenwärtig durchaus noch nicht abgeschlossen, in jedem
Jahre tauchen neue Erfindungen und Constructionen auf, welche die früheren
verdrängen und den Werth der gebauten Schiffe stark beeinträchtigen, und eine
Flotte, die im'Stande wäre, mit der Erbauung ihrer Panzerschiffe so lange zu
warten, bis die Erfindungen auf diesem Gebiete einen gewissen Abschluß erreicht
haben, würde gradezu kolossale Summen ersparen, -- kostet doch eine einzige
Panzerfregatte mittlerer Größe nicht weniger als IV, Millionen Thaler. Die
großen Seemächte, welche, um sich von keinem Rivalen überflügeln zu lassen, mit
allen Kräften dahin arbeiten müssen, möglichst viel Schiffe desjenigen Systems
zu besitzen, das augenblicklich als das beste gilt, verlieren bei jeder neuen Er¬
findung auf diesem Gebiet, die ihre bisher gebauten Schiffe als unvollkommen
erscheinen läßt und im Werthe herabdrückt, ganz enorm. Während die großen
Seemächte die Kosten der Experimente bezahlen, haben die kleineren Flotten,
wie die preußische, den Vortheil, ohne Kosten aus jenen Erfahrungen Nutzen
ziehen zu können. Während die Panzerschiffe und die veralteten Classen der
Kriegsschiffe in der preußischen Flotte nur spärlich vertreten sind, besteht das
Gros derselben aus Fahrzeugen der dritten Kategorie, den von Holz gebauten
Schraubenschiffen, und fügt sich glücklich in den Nahmen des Flottengrün¬
dungsplanes, der von der preußischen Regierung dem Abgeordnetenhaus/in der


Die Preußische Kriegsmarine.
2. Die Segelschiffe, Naddampfer und Nuderboote der Kriegsflotte.

In der preußischen Marine find schon bei ihrem gegenwärtigen Bestände
alle vier Kategorien von Schiffen, die wir im vorigen Abschnitt als Hauptbe¬
standtheile der modernen Kriegsflotten bezeichnet haben: die Segelschiffe, die Rad¬
dampfer, die ungepanzerten Schraubendampfer und die Panzerschiffe vertreten,
und zwar in einem Verhältniß, das günstig genannt werden kann. Diejenigen
Kategorien^ deren Construction als veraltet und speciell für die Zwecke des
Gefechts nicht mehr geeignet bezeichnet werden muß, sind nur grade so weit
vorhanden, als dies aus anderweitigen Rücksichten wünschenswert!) ist: die
Flotten von England oder Frankreich haben ein ungeheures Material in Hun¬
derten von Segelschiffen, die wenig mehr zu gebrauchen sind, so daß das darin
steckende enorme Capital verloren ist, und die durch die Sorge für ihre Erhal¬
tung sogar noch bedeutende Kosten verursachen. Aber auch hinsichtlich der
Panzerschiffe kann es als ein Glück betrachtet werden, daß der Bestand an
solchen Schiffen bis jetzt nicht bedeutend ist. Denn die Frage, wie Panzerschiffe
zu bauen sind, ist gegenwärtig durchaus noch nicht abgeschlossen, in jedem
Jahre tauchen neue Erfindungen und Constructionen auf, welche die früheren
verdrängen und den Werth der gebauten Schiffe stark beeinträchtigen, und eine
Flotte, die im'Stande wäre, mit der Erbauung ihrer Panzerschiffe so lange zu
warten, bis die Erfindungen auf diesem Gebiete einen gewissen Abschluß erreicht
haben, würde gradezu kolossale Summen ersparen, — kostet doch eine einzige
Panzerfregatte mittlerer Größe nicht weniger als IV, Millionen Thaler. Die
großen Seemächte, welche, um sich von keinem Rivalen überflügeln zu lassen, mit
allen Kräften dahin arbeiten müssen, möglichst viel Schiffe desjenigen Systems
zu besitzen, das augenblicklich als das beste gilt, verlieren bei jeder neuen Er¬
findung auf diesem Gebiet, die ihre bisher gebauten Schiffe als unvollkommen
erscheinen läßt und im Werthe herabdrückt, ganz enorm. Während die großen
Seemächte die Kosten der Experimente bezahlen, haben die kleineren Flotten,
wie die preußische, den Vortheil, ohne Kosten aus jenen Erfahrungen Nutzen
ziehen zu können. Während die Panzerschiffe und die veralteten Classen der
Kriegsschiffe in der preußischen Flotte nur spärlich vertreten sind, besteht das
Gros derselben aus Fahrzeugen der dritten Kategorie, den von Holz gebauten
Schraubenschiffen, und fügt sich glücklich in den Nahmen des Flottengrün¬
dungsplanes, der von der preußischen Regierung dem Abgeordnetenhaus/in der


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[0413] Die Preußische Kriegsmarine. 2. Die Segelschiffe, Naddampfer und Nuderboote der Kriegsflotte. In der preußischen Marine find schon bei ihrem gegenwärtigen Bestände alle vier Kategorien von Schiffen, die wir im vorigen Abschnitt als Hauptbe¬ standtheile der modernen Kriegsflotten bezeichnet haben: die Segelschiffe, die Rad¬ dampfer, die ungepanzerten Schraubendampfer und die Panzerschiffe vertreten, und zwar in einem Verhältniß, das günstig genannt werden kann. Diejenigen Kategorien^ deren Construction als veraltet und speciell für die Zwecke des Gefechts nicht mehr geeignet bezeichnet werden muß, sind nur grade so weit vorhanden, als dies aus anderweitigen Rücksichten wünschenswert!) ist: die Flotten von England oder Frankreich haben ein ungeheures Material in Hun¬ derten von Segelschiffen, die wenig mehr zu gebrauchen sind, so daß das darin steckende enorme Capital verloren ist, und die durch die Sorge für ihre Erhal¬ tung sogar noch bedeutende Kosten verursachen. Aber auch hinsichtlich der Panzerschiffe kann es als ein Glück betrachtet werden, daß der Bestand an solchen Schiffen bis jetzt nicht bedeutend ist. Denn die Frage, wie Panzerschiffe zu bauen sind, ist gegenwärtig durchaus noch nicht abgeschlossen, in jedem Jahre tauchen neue Erfindungen und Constructionen auf, welche die früheren verdrängen und den Werth der gebauten Schiffe stark beeinträchtigen, und eine Flotte, die im'Stande wäre, mit der Erbauung ihrer Panzerschiffe so lange zu warten, bis die Erfindungen auf diesem Gebiete einen gewissen Abschluß erreicht haben, würde gradezu kolossale Summen ersparen, — kostet doch eine einzige Panzerfregatte mittlerer Größe nicht weniger als IV, Millionen Thaler. Die großen Seemächte, welche, um sich von keinem Rivalen überflügeln zu lassen, mit allen Kräften dahin arbeiten müssen, möglichst viel Schiffe desjenigen Systems zu besitzen, das augenblicklich als das beste gilt, verlieren bei jeder neuen Er¬ findung auf diesem Gebiet, die ihre bisher gebauten Schiffe als unvollkommen erscheinen läßt und im Werthe herabdrückt, ganz enorm. Während die großen Seemächte die Kosten der Experimente bezahlen, haben die kleineren Flotten, wie die preußische, den Vortheil, ohne Kosten aus jenen Erfahrungen Nutzen ziehen zu können. Während die Panzerschiffe und die veralteten Classen der Kriegsschiffe in der preußischen Flotte nur spärlich vertreten sind, besteht das Gros derselben aus Fahrzeugen der dritten Kategorie, den von Holz gebauten Schraubenschiffen, und fügt sich glücklich in den Nahmen des Flottengrün¬ dungsplanes, der von der preußischen Regierung dem Abgeordnetenhaus/in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/413>, abgerufen am 25.08.2024.