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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Wort zu sagen, wieder empfindlich zurückgeworfen. Die Furcht hatte ihn dem
Norden genähert, heute stellt er sich selbstbewußt wieder auf die Hinterbeine.
Eine vergnügliche Sorglosigkeit ist mit dem gesicherten Frieden wieder über
unsere regierenden Kreise gekommen. Von neuen Organisationen ist es stille
geworden, mit Ausnahme des Friedensdepartements des Hrn. v. Golther, der
jetzt wieder Raum fand sich in den Vordergrund zu stellen, und der mit wahr¬
haft beustiseher Geschäftigkeit bald diesen, bald jenen Zweig seines Departe¬
ments, heute das Schulwesen, morgen die Kunstanstalten mit den Experimenten
seines Neformdrangs beglückt. In den politisch-militärischen Dingen begann
man wieder behaglich das Bewußtsein der Vollsouveränetcit einzuschlürfen, das
eben bedenklich erschüttert worden war. Die Stellung des preußischen Ge¬
sandten, mit dessen Freundschaft kurz zuvor Hr. v. Varnbüler auffallend kokettirt
hatte, erforderte ein nicht gewöhnliches Maß von Takt und Vorsicht: dem
König wurde von seiner Umgebung zugeflüstert, sich ja nichts von Preußen
gefallen zu lassen. Ja man sagte, die Ausflüge, welche der König in der letzten
Zeit in die Provinzen seines Reichs machte, hätten neben den Reizen der
Jahreszeit zur Ursache auch den Wunsch, sich den häusigen und lästigen Besuchen
des Herrn v. Rosenberg zu entziehen. Der General v. Obernitz wartete und
wartete vergebens, bis ihm Gelegenheit gegeben würde, im Sinne seiner Mission
zu wirken. Die Hoffnungen, die sich an die Sendung dieses preußischen Ge¬
nerals geknüpft hatten, dämpfte ein officiöser Artikel durch die Erinnerung
daran, daß die südstaatlichen Heere nur für den Kriegsfall Preußen zur Ver¬
fügung gestellt seien und daß diese Bestimmung nicht anders zu verstehen sei,
"als daß die Südstaaten im Frieden völlig freie Hand haben, ihr Heerwesen
so einzurichten, wie sie es für ihre Verhältnisse am zweckdienlichsten finden."
Die Höflinge und die Ultramontanen trugen die Köpfe wieder höher. Schon
tauchte verschämt die Idee des Südbunds wieder ans. In den zugänglichen
Preßorganen bemerkte man die Wiederaufnahme der Polemik gegen die "empö¬
renden Agitationen" der deutschen Partei und der Beobachter, das Organ
des antinationalen Radicalismus, fand den Zeitpunkt gekommen, sich wieder
um die verlorene Freundschaft der höchsten Kreise zu bewerben und der Krone
anstatt der preußischen Allianz ein Schutz- und Trutzbündniß mit der particu-
laristischcn Demagogie anzubieten. Der haarsträubende Beschluß der darm-
städter Kammer, den Großherzog um einen Nachlaß an der Civilliste zu ersuchen,
gab ihm Veranlassung, die bedrohlichen Folgen des norddeutschen Bundes für
den Geldbeutel der kleinen Fürsten beweglich zu schildern und dagegen den?
König den ungeschmälerten Besitz an zeitlichen Gütern feierlichst zu garantiren,
falls er dem Bund mit dem Bösen entschlossen und gänzlich entsage.

Dies waren für uns die nächsten Folgen des gesicherten Friedens. Und
leider war nicht erfreulicher, was gleichzeitig aus Bayern verlautete. Auch dort


Wort zu sagen, wieder empfindlich zurückgeworfen. Die Furcht hatte ihn dem
Norden genähert, heute stellt er sich selbstbewußt wieder auf die Hinterbeine.
Eine vergnügliche Sorglosigkeit ist mit dem gesicherten Frieden wieder über
unsere regierenden Kreise gekommen. Von neuen Organisationen ist es stille
geworden, mit Ausnahme des Friedensdepartements des Hrn. v. Golther, der
jetzt wieder Raum fand sich in den Vordergrund zu stellen, und der mit wahr¬
haft beustiseher Geschäftigkeit bald diesen, bald jenen Zweig seines Departe¬
ments, heute das Schulwesen, morgen die Kunstanstalten mit den Experimenten
seines Neformdrangs beglückt. In den politisch-militärischen Dingen begann
man wieder behaglich das Bewußtsein der Vollsouveränetcit einzuschlürfen, das
eben bedenklich erschüttert worden war. Die Stellung des preußischen Ge¬
sandten, mit dessen Freundschaft kurz zuvor Hr. v. Varnbüler auffallend kokettirt
hatte, erforderte ein nicht gewöhnliches Maß von Takt und Vorsicht: dem
König wurde von seiner Umgebung zugeflüstert, sich ja nichts von Preußen
gefallen zu lassen. Ja man sagte, die Ausflüge, welche der König in der letzten
Zeit in die Provinzen seines Reichs machte, hätten neben den Reizen der
Jahreszeit zur Ursache auch den Wunsch, sich den häusigen und lästigen Besuchen
des Herrn v. Rosenberg zu entziehen. Der General v. Obernitz wartete und
wartete vergebens, bis ihm Gelegenheit gegeben würde, im Sinne seiner Mission
zu wirken. Die Hoffnungen, die sich an die Sendung dieses preußischen Ge¬
nerals geknüpft hatten, dämpfte ein officiöser Artikel durch die Erinnerung
daran, daß die südstaatlichen Heere nur für den Kriegsfall Preußen zur Ver¬
fügung gestellt seien und daß diese Bestimmung nicht anders zu verstehen sei,
„als daß die Südstaaten im Frieden völlig freie Hand haben, ihr Heerwesen
so einzurichten, wie sie es für ihre Verhältnisse am zweckdienlichsten finden."
Die Höflinge und die Ultramontanen trugen die Köpfe wieder höher. Schon
tauchte verschämt die Idee des Südbunds wieder ans. In den zugänglichen
Preßorganen bemerkte man die Wiederaufnahme der Polemik gegen die „empö¬
renden Agitationen" der deutschen Partei und der Beobachter, das Organ
des antinationalen Radicalismus, fand den Zeitpunkt gekommen, sich wieder
um die verlorene Freundschaft der höchsten Kreise zu bewerben und der Krone
anstatt der preußischen Allianz ein Schutz- und Trutzbündniß mit der particu-
laristischcn Demagogie anzubieten. Der haarsträubende Beschluß der darm-
städter Kammer, den Großherzog um einen Nachlaß an der Civilliste zu ersuchen,
gab ihm Veranlassung, die bedrohlichen Folgen des norddeutschen Bundes für
den Geldbeutel der kleinen Fürsten beweglich zu schildern und dagegen den?
König den ungeschmälerten Besitz an zeitlichen Gütern feierlichst zu garantiren,
falls er dem Bund mit dem Bösen entschlossen und gänzlich entsage.

Dies waren für uns die nächsten Folgen des gesicherten Friedens. Und
leider war nicht erfreulicher, was gleichzeitig aus Bayern verlautete. Auch dort


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[0404] Wort zu sagen, wieder empfindlich zurückgeworfen. Die Furcht hatte ihn dem Norden genähert, heute stellt er sich selbstbewußt wieder auf die Hinterbeine. Eine vergnügliche Sorglosigkeit ist mit dem gesicherten Frieden wieder über unsere regierenden Kreise gekommen. Von neuen Organisationen ist es stille geworden, mit Ausnahme des Friedensdepartements des Hrn. v. Golther, der jetzt wieder Raum fand sich in den Vordergrund zu stellen, und der mit wahr¬ haft beustiseher Geschäftigkeit bald diesen, bald jenen Zweig seines Departe¬ ments, heute das Schulwesen, morgen die Kunstanstalten mit den Experimenten seines Neformdrangs beglückt. In den politisch-militärischen Dingen begann man wieder behaglich das Bewußtsein der Vollsouveränetcit einzuschlürfen, das eben bedenklich erschüttert worden war. Die Stellung des preußischen Ge¬ sandten, mit dessen Freundschaft kurz zuvor Hr. v. Varnbüler auffallend kokettirt hatte, erforderte ein nicht gewöhnliches Maß von Takt und Vorsicht: dem König wurde von seiner Umgebung zugeflüstert, sich ja nichts von Preußen gefallen zu lassen. Ja man sagte, die Ausflüge, welche der König in der letzten Zeit in die Provinzen seines Reichs machte, hätten neben den Reizen der Jahreszeit zur Ursache auch den Wunsch, sich den häusigen und lästigen Besuchen des Herrn v. Rosenberg zu entziehen. Der General v. Obernitz wartete und wartete vergebens, bis ihm Gelegenheit gegeben würde, im Sinne seiner Mission zu wirken. Die Hoffnungen, die sich an die Sendung dieses preußischen Ge¬ nerals geknüpft hatten, dämpfte ein officiöser Artikel durch die Erinnerung daran, daß die südstaatlichen Heere nur für den Kriegsfall Preußen zur Ver¬ fügung gestellt seien und daß diese Bestimmung nicht anders zu verstehen sei, „als daß die Südstaaten im Frieden völlig freie Hand haben, ihr Heerwesen so einzurichten, wie sie es für ihre Verhältnisse am zweckdienlichsten finden." Die Höflinge und die Ultramontanen trugen die Köpfe wieder höher. Schon tauchte verschämt die Idee des Südbunds wieder ans. In den zugänglichen Preßorganen bemerkte man die Wiederaufnahme der Polemik gegen die „empö¬ renden Agitationen" der deutschen Partei und der Beobachter, das Organ des antinationalen Radicalismus, fand den Zeitpunkt gekommen, sich wieder um die verlorene Freundschaft der höchsten Kreise zu bewerben und der Krone anstatt der preußischen Allianz ein Schutz- und Trutzbündniß mit der particu- laristischcn Demagogie anzubieten. Der haarsträubende Beschluß der darm- städter Kammer, den Großherzog um einen Nachlaß an der Civilliste zu ersuchen, gab ihm Veranlassung, die bedrohlichen Folgen des norddeutschen Bundes für den Geldbeutel der kleinen Fürsten beweglich zu schildern und dagegen den? König den ungeschmälerten Besitz an zeitlichen Gütern feierlichst zu garantiren, falls er dem Bund mit dem Bösen entschlossen und gänzlich entsage. Dies waren für uns die nächsten Folgen des gesicherten Friedens. Und leider war nicht erfreulicher, was gleichzeitig aus Bayern verlautete. Auch dort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/404>, abgerufen am 24.08.2024.