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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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trachten, daß die nothwendigen Reformen ungesäumt und im Einklang mit den
preußischen Einrichtungen ins Werk gesetzt werden. Ofsiciöse Mittheilungen
machten mit den Grundzügen eines neu ausgearbeiteten Armeegesetzes bekannt,
das, den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht durchführend, mit zweijähriger
Dienstzeit, die würtenbergische Streitmacht. Linie, Reserve und Landwehr, aus
die Höhe von 67,000 Mann bringen sollte.

Da erfolgte die Friedenswendung, und nirgends wird man sie mit so
aufrichtiger Befriedigung begrüßt haben, als an den süddeutschen Höfen. Man
war wohl selber erstaunt gewesen über die Thätigkeit, zu der man sich plötzlich
aufgerafft hatte. Aber von dem Zwang, unter dem das geschehen war, fühlte
man sich nun plötzlich befreit, man durfte ausathmen, nun pressirte ja die Ge¬
schichte nicht mehr, man konnte gemüthlich zu einem bequemeren Tempo zurück¬
kehren.

Davon war ja keine Rede, daß das Ministerium Varnbüler irgendein
Bedürfniß empfunden hätte, aus freien Stücken das zu thun, wozu es sich in
der Noth des Augenblicks bequemt hatte, und im nationalen Interesse die An¬
näherung an die militärischen Einrichtungen Preußens oder gar die politische
Annäherung an den norddeutschen Bund zu fördern. So sehr hatten sich die
Preußischen Sympathien des Hrn. v. Varnbüler doch nicht überstürzt. Er selbst
hatte oftmals mit der ihm eigenen Unbefangenheit versichert. -- wer ihm aus
der Straße begegnete, konnte es hören -- daß er, durch den Erfolg der That¬
sachen bekehrt, vollständig auf preußische Seite getreten sei. und wenn man
etwa bescheidene Verwunderung zu äußern wagte, daß dem Herrn Minister eine
so vollständige Umwandlung gelungen, pflegte er überlegen lächelnd hinzuzu¬
fügen: so eben handle der Staatsmann, der nicht nach vorgefaßten Meinungen,
sondern nach der Wirklichkeit der Dinge sich richte. Allein diese grundsätzliche
Anbequemung an den Erfolg wäre schon im Fall eines Krieges eine ziemlich
zweifelhafte Bürgschaft für das Feststehen der Regierung zu der nationalen
Sache gewesen. Wie, mußte man fragen, wenn ein französischer Marschall
siegreich an den Nesenbach gedrungen wäre, unzweifelhaft 'den Erfolg für sich
hätte, war es dann nicht logisch, daß Hr. v. Varnbüler auch diesem Erfolg mit
derselben entschlossenen Schwenkung sich beugte, wie er sie vor neun Monaten von
Oestreich nach Preußen hin vollzogen hatte? Und nun, da der Krieg abge¬
wendet blieb, war es nur eine Folge dciselben Opportunitätspolitik, wenn man
frei von den Sorgen um die nächste Zukunft nach kurzem Anlauf die Genug¬
thuung der Ruhe sich gönnte oder wohl gar mit penelopeischer List an das
Wiederauftrennen der Fäden dachte, die zum Glück noch nicht allzufest ge¬
sponnen waren.

Es ist leider kein Zweifel, daß der friedliche Austrag des luxemburger
Conflicts eben diese Folgen gehabt hat. Der Süden ist, um es mit einem


trachten, daß die nothwendigen Reformen ungesäumt und im Einklang mit den
preußischen Einrichtungen ins Werk gesetzt werden. Ofsiciöse Mittheilungen
machten mit den Grundzügen eines neu ausgearbeiteten Armeegesetzes bekannt,
das, den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht durchführend, mit zweijähriger
Dienstzeit, die würtenbergische Streitmacht. Linie, Reserve und Landwehr, aus
die Höhe von 67,000 Mann bringen sollte.

Da erfolgte die Friedenswendung, und nirgends wird man sie mit so
aufrichtiger Befriedigung begrüßt haben, als an den süddeutschen Höfen. Man
war wohl selber erstaunt gewesen über die Thätigkeit, zu der man sich plötzlich
aufgerafft hatte. Aber von dem Zwang, unter dem das geschehen war, fühlte
man sich nun plötzlich befreit, man durfte ausathmen, nun pressirte ja die Ge¬
schichte nicht mehr, man konnte gemüthlich zu einem bequemeren Tempo zurück¬
kehren.

Davon war ja keine Rede, daß das Ministerium Varnbüler irgendein
Bedürfniß empfunden hätte, aus freien Stücken das zu thun, wozu es sich in
der Noth des Augenblicks bequemt hatte, und im nationalen Interesse die An¬
näherung an die militärischen Einrichtungen Preußens oder gar die politische
Annäherung an den norddeutschen Bund zu fördern. So sehr hatten sich die
Preußischen Sympathien des Hrn. v. Varnbüler doch nicht überstürzt. Er selbst
hatte oftmals mit der ihm eigenen Unbefangenheit versichert. — wer ihm aus
der Straße begegnete, konnte es hören — daß er, durch den Erfolg der That¬
sachen bekehrt, vollständig auf preußische Seite getreten sei. und wenn man
etwa bescheidene Verwunderung zu äußern wagte, daß dem Herrn Minister eine
so vollständige Umwandlung gelungen, pflegte er überlegen lächelnd hinzuzu¬
fügen: so eben handle der Staatsmann, der nicht nach vorgefaßten Meinungen,
sondern nach der Wirklichkeit der Dinge sich richte. Allein diese grundsätzliche
Anbequemung an den Erfolg wäre schon im Fall eines Krieges eine ziemlich
zweifelhafte Bürgschaft für das Feststehen der Regierung zu der nationalen
Sache gewesen. Wie, mußte man fragen, wenn ein französischer Marschall
siegreich an den Nesenbach gedrungen wäre, unzweifelhaft 'den Erfolg für sich
hätte, war es dann nicht logisch, daß Hr. v. Varnbüler auch diesem Erfolg mit
derselben entschlossenen Schwenkung sich beugte, wie er sie vor neun Monaten von
Oestreich nach Preußen hin vollzogen hatte? Und nun, da der Krieg abge¬
wendet blieb, war es nur eine Folge dciselben Opportunitätspolitik, wenn man
frei von den Sorgen um die nächste Zukunft nach kurzem Anlauf die Genug¬
thuung der Ruhe sich gönnte oder wohl gar mit penelopeischer List an das
Wiederauftrennen der Fäden dachte, die zum Glück noch nicht allzufest ge¬
sponnen waren.

Es ist leider kein Zweifel, daß der friedliche Austrag des luxemburger
Conflicts eben diese Folgen gehabt hat. Der Süden ist, um es mit einem


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[0403] trachten, daß die nothwendigen Reformen ungesäumt und im Einklang mit den preußischen Einrichtungen ins Werk gesetzt werden. Ofsiciöse Mittheilungen machten mit den Grundzügen eines neu ausgearbeiteten Armeegesetzes bekannt, das, den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht durchführend, mit zweijähriger Dienstzeit, die würtenbergische Streitmacht. Linie, Reserve und Landwehr, aus die Höhe von 67,000 Mann bringen sollte. Da erfolgte die Friedenswendung, und nirgends wird man sie mit so aufrichtiger Befriedigung begrüßt haben, als an den süddeutschen Höfen. Man war wohl selber erstaunt gewesen über die Thätigkeit, zu der man sich plötzlich aufgerafft hatte. Aber von dem Zwang, unter dem das geschehen war, fühlte man sich nun plötzlich befreit, man durfte ausathmen, nun pressirte ja die Ge¬ schichte nicht mehr, man konnte gemüthlich zu einem bequemeren Tempo zurück¬ kehren. Davon war ja keine Rede, daß das Ministerium Varnbüler irgendein Bedürfniß empfunden hätte, aus freien Stücken das zu thun, wozu es sich in der Noth des Augenblicks bequemt hatte, und im nationalen Interesse die An¬ näherung an die militärischen Einrichtungen Preußens oder gar die politische Annäherung an den norddeutschen Bund zu fördern. So sehr hatten sich die Preußischen Sympathien des Hrn. v. Varnbüler doch nicht überstürzt. Er selbst hatte oftmals mit der ihm eigenen Unbefangenheit versichert. — wer ihm aus der Straße begegnete, konnte es hören — daß er, durch den Erfolg der That¬ sachen bekehrt, vollständig auf preußische Seite getreten sei. und wenn man etwa bescheidene Verwunderung zu äußern wagte, daß dem Herrn Minister eine so vollständige Umwandlung gelungen, pflegte er überlegen lächelnd hinzuzu¬ fügen: so eben handle der Staatsmann, der nicht nach vorgefaßten Meinungen, sondern nach der Wirklichkeit der Dinge sich richte. Allein diese grundsätzliche Anbequemung an den Erfolg wäre schon im Fall eines Krieges eine ziemlich zweifelhafte Bürgschaft für das Feststehen der Regierung zu der nationalen Sache gewesen. Wie, mußte man fragen, wenn ein französischer Marschall siegreich an den Nesenbach gedrungen wäre, unzweifelhaft 'den Erfolg für sich hätte, war es dann nicht logisch, daß Hr. v. Varnbüler auch diesem Erfolg mit derselben entschlossenen Schwenkung sich beugte, wie er sie vor neun Monaten von Oestreich nach Preußen hin vollzogen hatte? Und nun, da der Krieg abge¬ wendet blieb, war es nur eine Folge dciselben Opportunitätspolitik, wenn man frei von den Sorgen um die nächste Zukunft nach kurzem Anlauf die Genug¬ thuung der Ruhe sich gönnte oder wohl gar mit penelopeischer List an das Wiederauftrennen der Fäden dachte, die zum Glück noch nicht allzufest ge¬ sponnen waren. Es ist leider kein Zweifel, daß der friedliche Austrag des luxemburger Conflicts eben diese Folgen gehabt hat. Der Süden ist, um es mit einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/403>, abgerufen am 24.08.2024.