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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Betreff der Tüchtigkeit und Thätigkeit im Dienst erhebt und keineswegs so frei,
gebig mit Besoldungszulagen, Gratisicationen, Remunerationen, Unterstützungen,
Almosen und sonstigen Trinkgeldern ist, wie es das alte Regiment aus Kosten
der Steuerpflichtigen war, indem es das Geld, das es den Fleißigen abnahm
unter die Faulenzer vertheilte. Aus den Mitteln der Steuerpflichtigen, nicht'
aus den Einkünften der Domänen oder der Civilliste, befriedigte der Herzog
Adolf, -- ein von Natur gutmüthiger Herr, der nur durch seine Umgebung,
unter Benutzung seines Kopfleidens und der daraus entstandenen nervösen Reiz¬
barkeit, gegen Land und Leute gehetzt wurde, damit die fürstliche Gunst sich
nur auf wenige Auserwählte vertheile -- seinen nicht wohl geregelten Wohl¬
thätigkeitsdrang. Auch hier möge statt vieler hundert ein Beispiel genügen.
Ein einzelnstehendes älteres Fräulein, frömmster Richtung und loyalsten Gemüths,
die ein Vermögen von mehr als 10,000 Gulden besitzt, und aus dem Betriebe
des Odambre-Mrnie-Gewerbes, in welchem sie durch Empfehlung aller Frommen
von weit und breit unterstützt wird, einen jährlichen Reingewinn von ebenfalls
einigen tausend Gulden erzielt, hat unter Herzog Adolf und auf dessen speciellen und
persönlichen Befehlvicle Jahre lang "wegen ihrer außerordentlichen Hilfsbcdürftigkeit
und Armuth" eine jährliche Unterstützung von 500 Gülden bezogen, welche von den
übrigen Unterthanen des Herzogs durch Steuerzahler aufgebracht werden mußte.
In Nassau aber sind grade die nur auf ihre Arbeitskraft angewiesenen ärmeren
Classen, die kleinen Bauern und die kleinen Handwerker, ganz außerordentlich
hoch besteuert. Denn die nassauischen Fiscalttinstler dachten: "Die Masse muß
es bringen." Einmal wagte es jemand, hohen Orts darauf aufmerksam zu
machen, es sei doch nicht recht, daß diese armen Leute für das reiche Fräulein
arbeiten müßten. "Dafür betet das Fräulein auch für die Armen", war die
Antwort. Aus dem "Org. <ze Ig-borg,* war ein ,,^ut ora aut. labora" geworden.

Im Staatsdienst mußten die fleißigen und tüchtigen Arbeiter darben. Da¬
gegen der müßige Troß, der sich mit lakaienhafter Dreistigkeit und Geflissenheit
vordrängte und seine Dienste anbot für die Zwecke, die dem Staatsdienst und
dessen Pflichten fremd und sogar diametral entgegengesetzt waren, wurde fürstlich
belohnt, mit Titeln, mit Orden (Herzog Adolf hatte sich deren mehre gestiftet;
sein geistreicher Vater, der Herzog Wilhelm, glaubte derselben entrathen zu
können und spottete oft über die kleinfürstlichen Decorationen) und vor allem
mit Geld. Das Civil-, Militär- und sonstige Besoldungsbudget wuchs -- bei
einer Bevölkerung von nicht einer halben Million Einwohner -- auf über
drei Millionen Gulden, und mit ihm wuchsen die Steuern.

Es verstand sich in Nassau von selbst, daß die öffentlichen Beamten private
Nebengeschäste treiben dursten, welchen sie ihre Hauptzeit widmeten, mit solchem
Erfolg, daß die Nebeneinkünfte, vielfach zusammenhängend mit den in den
Bädern betriebenen Spielhöllen und deren unnennbaren Anhängseln, zum Ocftern


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Betreff der Tüchtigkeit und Thätigkeit im Dienst erhebt und keineswegs so frei,
gebig mit Besoldungszulagen, Gratisicationen, Remunerationen, Unterstützungen,
Almosen und sonstigen Trinkgeldern ist, wie es das alte Regiment aus Kosten
der Steuerpflichtigen war, indem es das Geld, das es den Fleißigen abnahm
unter die Faulenzer vertheilte. Aus den Mitteln der Steuerpflichtigen, nicht'
aus den Einkünften der Domänen oder der Civilliste, befriedigte der Herzog
Adolf, — ein von Natur gutmüthiger Herr, der nur durch seine Umgebung,
unter Benutzung seines Kopfleidens und der daraus entstandenen nervösen Reiz¬
barkeit, gegen Land und Leute gehetzt wurde, damit die fürstliche Gunst sich
nur auf wenige Auserwählte vertheile — seinen nicht wohl geregelten Wohl¬
thätigkeitsdrang. Auch hier möge statt vieler hundert ein Beispiel genügen.
Ein einzelnstehendes älteres Fräulein, frömmster Richtung und loyalsten Gemüths,
die ein Vermögen von mehr als 10,000 Gulden besitzt, und aus dem Betriebe
des Odambre-Mrnie-Gewerbes, in welchem sie durch Empfehlung aller Frommen
von weit und breit unterstützt wird, einen jährlichen Reingewinn von ebenfalls
einigen tausend Gulden erzielt, hat unter Herzog Adolf und auf dessen speciellen und
persönlichen Befehlvicle Jahre lang „wegen ihrer außerordentlichen Hilfsbcdürftigkeit
und Armuth" eine jährliche Unterstützung von 500 Gülden bezogen, welche von den
übrigen Unterthanen des Herzogs durch Steuerzahler aufgebracht werden mußte.
In Nassau aber sind grade die nur auf ihre Arbeitskraft angewiesenen ärmeren
Classen, die kleinen Bauern und die kleinen Handwerker, ganz außerordentlich
hoch besteuert. Denn die nassauischen Fiscalttinstler dachten: „Die Masse muß
es bringen." Einmal wagte es jemand, hohen Orts darauf aufmerksam zu
machen, es sei doch nicht recht, daß diese armen Leute für das reiche Fräulein
arbeiten müßten. „Dafür betet das Fräulein auch für die Armen", war die
Antwort. Aus dem „Org. <ze Ig-borg,* war ein ,,^ut ora aut. labora" geworden.

Im Staatsdienst mußten die fleißigen und tüchtigen Arbeiter darben. Da¬
gegen der müßige Troß, der sich mit lakaienhafter Dreistigkeit und Geflissenheit
vordrängte und seine Dienste anbot für die Zwecke, die dem Staatsdienst und
dessen Pflichten fremd und sogar diametral entgegengesetzt waren, wurde fürstlich
belohnt, mit Titeln, mit Orden (Herzog Adolf hatte sich deren mehre gestiftet;
sein geistreicher Vater, der Herzog Wilhelm, glaubte derselben entrathen zu
können und spottete oft über die kleinfürstlichen Decorationen) und vor allem
mit Geld. Das Civil-, Militär- und sonstige Besoldungsbudget wuchs — bei
einer Bevölkerung von nicht einer halben Million Einwohner — auf über
drei Millionen Gulden, und mit ihm wuchsen die Steuern.

Es verstand sich in Nassau von selbst, daß die öffentlichen Beamten private
Nebengeschäste treiben dursten, welchen sie ihre Hauptzeit widmeten, mit solchem
Erfolg, daß die Nebeneinkünfte, vielfach zusammenhängend mit den in den
Bädern betriebenen Spielhöllen und deren unnennbaren Anhängseln, zum Ocftern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/391>, abgerufen am 03.07.2024.