Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.dienern "ihres Eides'entbunden habe". Der Chef des Medicinalwesens im Lande Nicht alle Beamte und Geistliche haben um die Eidcscntbindung nachgesucht. dienern „ihres Eides'entbunden habe". Der Chef des Medicinalwesens im Lande Nicht alle Beamte und Geistliche haben um die Eidcscntbindung nachgesucht. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191084"/> <p xml:id="ID_1317" prev="#ID_1316"> dienern „ihres Eides'entbunden habe". Der Chef des Medicinalwesens im Lande<lb/> Nchau machte mit Namensunterschrift officiell in den Zeitungen bekannt, auf<lb/> sein Ansuchen habe Seine Hoheit der Herzog sämmtliche Gesundheitsbeamte<lb/> und praktische Aerzte ihres Diensteides entbunden. Es blieb bei dieser Publi¬<lb/> cation unklar, ob der Chef des Medicinalwesens von seinen Untergebenen, welche<lb/> dies wenigstens großen Theils bestreiten, Auftrag zu diesem Nachsuchen hatte,<lb/> oder nicht; und ob er in seiner Eigenschaft als herzogl. nassauischer oder als<lb/> königl. preußischer Beamter handelte, oder ob er sich im Widerspruch mit dem<lb/> Satze „niemand kann zween Herren dienen", als eine combinirte Verkörperung<lb/> dieser beiden Eigenschaften gedacht hat. Gewiß ist, daß zwischen dem Herzog<lb/> Adolf, welcher in dem, in kürzester Frist von Wiesbaden erreichbaren hessischen<lb/> Schlößchen Numpenheim am Main residirt (dieser Tage erst hat er aus Rücksicht<lb/> auf die Reconvalescenz seiner hohen Gemahlin einen Landsitz bei Lausanne be¬<lb/> zogen) und seinen vormaligen Beamten, den sogenannten „herzoglichen Dienern"<lb/> (in Hannover hießen sie „königliche Diener" — rrmM». ingenia coirZpirant")<lb/> ein ununterbrochener lebhafter persönlicher und brieflicher Verkehr stattfindet,<lb/> obgleich diese Beamten nun schon seit drei Vierteljahren Diener der preußi¬<lb/> schen Monarchie sind; und ebenso unzweifelhaft ist es, daß dieser Verkehr<lb/> außerordentlich an Lebhaftigkeit gewann, je höher die kriegdrohcnde Wolke am<lb/> Horizonte emporstieg. Die königliche Verwaltung kennt diese Thatsachen, aber<lb/> sie ignonrt sie. Wie mir scheint, mit Recht. Es hilft nichts, auf ein Sym¬<lb/> ptom äußerlich loszucuriren, wenn man sich nicht um den Sitz der Krankheit<lb/> kümmert. Inzwischen erhitzte sich die posthume Loyalität zu eigenthümlichen<lb/> Erscheinungen. Beispielsweise sei nur eine erwähnt. Der Director einer tgi.<lb/> Strafanstalt suchte bei der königlichen Negierung einen Urlaub von 14 Tagen<lb/> nach. Diese machte ihn auf die bestehende Vorschrift aufmerksam, wonach er<lb/> den Zweck und das Ziel seiner Urlaubsreise angeben müsse. Der königliche<lb/> Director kam der Weisung nach. Als Ziel der Reise bezeichnete er Frankfurt<lb/> und das Schlößchen Numpenheim, die Residenz des Herzogs Adolf von Nassau.<lb/> Als Zweck der Reise gab er an: In Numpenheim wolle er seinem bisherigen<lb/> Mergnädigsten Herzog und Herrn seine allerunterthänigste Ehrfurcht bezeugen,<lb/> in Frankfurt aber wolle er erstens sich nach einem gelehrigen Affenpinscher um¬<lb/> sehen und zweitens um ein möglichst billiges Strick Geld einen abgetragenen<lb/> schwarzen Frack kaufen, um darin (statt in der vorgeschriebenen Dienstkleidung)<lb/> dem neuen preußischen Regierungspräsidenten, Herrn von Diest in Wiesbaden,<lb/> seine Aufwartung zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1318" next="#ID_1319"> Nicht alle Beamte und Geistliche haben um die Eidcscntbindung nachgesucht.<lb/> Die Obcrgerichtsräthe in Wiesbaden und in Dillenburg z. B. haben es nicht<lb/> gethan. Wohl aber die große Mehrzahl. Die Beamten fühlen sich nachgrade<lb/> sehr unbehaglich unter dem preußischen Regiment, welches hohe Ansprüche in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
dienern „ihres Eides'entbunden habe". Der Chef des Medicinalwesens im Lande
Nchau machte mit Namensunterschrift officiell in den Zeitungen bekannt, auf
sein Ansuchen habe Seine Hoheit der Herzog sämmtliche Gesundheitsbeamte
und praktische Aerzte ihres Diensteides entbunden. Es blieb bei dieser Publi¬
cation unklar, ob der Chef des Medicinalwesens von seinen Untergebenen, welche
dies wenigstens großen Theils bestreiten, Auftrag zu diesem Nachsuchen hatte,
oder nicht; und ob er in seiner Eigenschaft als herzogl. nassauischer oder als
königl. preußischer Beamter handelte, oder ob er sich im Widerspruch mit dem
Satze „niemand kann zween Herren dienen", als eine combinirte Verkörperung
dieser beiden Eigenschaften gedacht hat. Gewiß ist, daß zwischen dem Herzog
Adolf, welcher in dem, in kürzester Frist von Wiesbaden erreichbaren hessischen
Schlößchen Numpenheim am Main residirt (dieser Tage erst hat er aus Rücksicht
auf die Reconvalescenz seiner hohen Gemahlin einen Landsitz bei Lausanne be¬
zogen) und seinen vormaligen Beamten, den sogenannten „herzoglichen Dienern"
(in Hannover hießen sie „königliche Diener" — rrmM». ingenia coirZpirant")
ein ununterbrochener lebhafter persönlicher und brieflicher Verkehr stattfindet,
obgleich diese Beamten nun schon seit drei Vierteljahren Diener der preußi¬
schen Monarchie sind; und ebenso unzweifelhaft ist es, daß dieser Verkehr
außerordentlich an Lebhaftigkeit gewann, je höher die kriegdrohcnde Wolke am
Horizonte emporstieg. Die königliche Verwaltung kennt diese Thatsachen, aber
sie ignonrt sie. Wie mir scheint, mit Recht. Es hilft nichts, auf ein Sym¬
ptom äußerlich loszucuriren, wenn man sich nicht um den Sitz der Krankheit
kümmert. Inzwischen erhitzte sich die posthume Loyalität zu eigenthümlichen
Erscheinungen. Beispielsweise sei nur eine erwähnt. Der Director einer tgi.
Strafanstalt suchte bei der königlichen Negierung einen Urlaub von 14 Tagen
nach. Diese machte ihn auf die bestehende Vorschrift aufmerksam, wonach er
den Zweck und das Ziel seiner Urlaubsreise angeben müsse. Der königliche
Director kam der Weisung nach. Als Ziel der Reise bezeichnete er Frankfurt
und das Schlößchen Numpenheim, die Residenz des Herzogs Adolf von Nassau.
Als Zweck der Reise gab er an: In Numpenheim wolle er seinem bisherigen
Mergnädigsten Herzog und Herrn seine allerunterthänigste Ehrfurcht bezeugen,
in Frankfurt aber wolle er erstens sich nach einem gelehrigen Affenpinscher um¬
sehen und zweitens um ein möglichst billiges Strick Geld einen abgetragenen
schwarzen Frack kaufen, um darin (statt in der vorgeschriebenen Dienstkleidung)
dem neuen preußischen Regierungspräsidenten, Herrn von Diest in Wiesbaden,
seine Aufwartung zu machen.
Nicht alle Beamte und Geistliche haben um die Eidcscntbindung nachgesucht.
Die Obcrgerichtsräthe in Wiesbaden und in Dillenburg z. B. haben es nicht
gethan. Wohl aber die große Mehrzahl. Die Beamten fühlen sich nachgrade
sehr unbehaglich unter dem preußischen Regiment, welches hohe Ansprüche in
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