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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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der Glanz dieses Lorbeers noch erhöht werde durch die Aureole des Mär¬
tyrers, welcher nur der Uebermacht wich nach einem heldenmütigen Kampfe.
Dieser Haltung des Königs Georg entsprach die seines ehemaligen Ministers
von Münchhausen, welcher im Reichstag ritterlich Mann gegen Mann über die
preußische Negierung Anklagen erhob, die er ohne Zweifel für ebenso begründet
hielt, als wir Andern von der Grundlosigkeit überzeugt sind. Es entspricht
ihr ferner die nicht endende Agitation in Hannover, wenigstens in den älteren
Landestheilen dieses vormaligen Königreichs; denn die neueren lassen sich zu
dergleichen nicht mißbrauchen und sind zum Theil sehr gut preußisch. So wenig
wir uns mit diesen Bemühungen einverstanden erklären, so müssen wir doch
zugestehen, es ist System darin. Es ist ein Standpunkt, wenngleich ein ver¬
kehrter und für preußische Unterthanen ein verbrecherischer. -- Den entgegen¬
gesetzten nimmt der Kurfürst von Hessen ein. Er hat sich mit Preußen abgefunden
und lebt, der Souveränetät entkleidet, die ihm stets mehr Verdruß als Ver¬
gnügen gemacht hat, als einer der reichsten deutschen Standes- und Grund-
Herrn. Auch mit seinem Geschick hat er sich versöhnt. Denn wenn auf der
einen Seite der Verlust des Thrones ein Gefühl von Bitterkeit in ihm wach
zu rufen droht, so weiß er es auf der andern Seite sofort wieder zu beschwich¬
tigen durch den tröstlichen Gedanken, daß nicht nur er seinen Thron, sondern
auch das Land und die Landstände (oder "der Oetker und die andern Kerls")
die so viel bestrittene, genommene und wieder zurückeroberte einunddreißiger
Verfassung endlich definitiv und für immer eingebüßt haben. Und wenn der
Kurfürst etwa bei Preußen, wie die Zeitungen melden, jetzt noch Reclamationen
erhebt, so handelt es sich gewiß nicht darum, ein Stücklein Souveränität, son¬
dern vielmehr darum, einen erheblichen Antheil an dem kurhessischen Staats¬
schatze für sich zu salviren, dessen Grund seine Vorfahren durch Menschenhandel
legten. Das ist denn auch ein Standpunkt.

Minder klar als die Position des Georg Rex und des Kurfürsten Friedrich
Wilhelm ist die des dritten Depossedirten, des Herzogs Adolf und seiner An¬
hänger. Fast scheint es, man möchte hier den Versuch machen, die Annehmlich¬
keit des kurfürstlich hessischen Standpunktes und die Großartigkeit des königlich
hannoverschen mit einander zu vereinigen. In Berlin ein sehr loyaler Preuße
sein und sich in Anerkennung dessen die dem Lande gehörigen Domanialgüter
als fürstliche Dotation ausliefern lassen, in Wiesbaden und Umgegend den
Hoffnungen und Bestrebungen, "den.....-Preuß wieder loszuwerden" reich¬
liche Nahrung gewähren oder wenigstens nicht entziehen, das wäre gewiß kein
"Standpunkt".

Doch ich will die Reflexionen bei Seite lassen und von Thatsachen reden.

In den letzten Wochen wimmelten die Zeitungen von Notizen, daß der
Herzog Adolf diesen und jenen Beamten, diese oder jene Kategorie von Staats-


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der Glanz dieses Lorbeers noch erhöht werde durch die Aureole des Mär¬
tyrers, welcher nur der Uebermacht wich nach einem heldenmütigen Kampfe.
Dieser Haltung des Königs Georg entsprach die seines ehemaligen Ministers
von Münchhausen, welcher im Reichstag ritterlich Mann gegen Mann über die
preußische Negierung Anklagen erhob, die er ohne Zweifel für ebenso begründet
hielt, als wir Andern von der Grundlosigkeit überzeugt sind. Es entspricht
ihr ferner die nicht endende Agitation in Hannover, wenigstens in den älteren
Landestheilen dieses vormaligen Königreichs; denn die neueren lassen sich zu
dergleichen nicht mißbrauchen und sind zum Theil sehr gut preußisch. So wenig
wir uns mit diesen Bemühungen einverstanden erklären, so müssen wir doch
zugestehen, es ist System darin. Es ist ein Standpunkt, wenngleich ein ver¬
kehrter und für preußische Unterthanen ein verbrecherischer. — Den entgegen¬
gesetzten nimmt der Kurfürst von Hessen ein. Er hat sich mit Preußen abgefunden
und lebt, der Souveränetät entkleidet, die ihm stets mehr Verdruß als Ver¬
gnügen gemacht hat, als einer der reichsten deutschen Standes- und Grund-
Herrn. Auch mit seinem Geschick hat er sich versöhnt. Denn wenn auf der
einen Seite der Verlust des Thrones ein Gefühl von Bitterkeit in ihm wach
zu rufen droht, so weiß er es auf der andern Seite sofort wieder zu beschwich¬
tigen durch den tröstlichen Gedanken, daß nicht nur er seinen Thron, sondern
auch das Land und die Landstände (oder „der Oetker und die andern Kerls")
die so viel bestrittene, genommene und wieder zurückeroberte einunddreißiger
Verfassung endlich definitiv und für immer eingebüßt haben. Und wenn der
Kurfürst etwa bei Preußen, wie die Zeitungen melden, jetzt noch Reclamationen
erhebt, so handelt es sich gewiß nicht darum, ein Stücklein Souveränität, son¬
dern vielmehr darum, einen erheblichen Antheil an dem kurhessischen Staats¬
schatze für sich zu salviren, dessen Grund seine Vorfahren durch Menschenhandel
legten. Das ist denn auch ein Standpunkt.

Minder klar als die Position des Georg Rex und des Kurfürsten Friedrich
Wilhelm ist die des dritten Depossedirten, des Herzogs Adolf und seiner An¬
hänger. Fast scheint es, man möchte hier den Versuch machen, die Annehmlich¬
keit des kurfürstlich hessischen Standpunktes und die Großartigkeit des königlich
hannoverschen mit einander zu vereinigen. In Berlin ein sehr loyaler Preuße
sein und sich in Anerkennung dessen die dem Lande gehörigen Domanialgüter
als fürstliche Dotation ausliefern lassen, in Wiesbaden und Umgegend den
Hoffnungen und Bestrebungen, „den.....-Preuß wieder loszuwerden" reich¬
liche Nahrung gewähren oder wenigstens nicht entziehen, das wäre gewiß kein
„Standpunkt".

Doch ich will die Reflexionen bei Seite lassen und von Thatsachen reden.

In den letzten Wochen wimmelten die Zeitungen von Notizen, daß der
Herzog Adolf diesen und jenen Beamten, diese oder jene Kategorie von Staats-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/389>, abgerufen am 01.07.2024.