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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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die Erforschung der deutschen Zustände in der denkwürdigen Epoche von Fried¬
richs d. Gr. Tode bis zum zweiten pariser Frieden eingegangen. Aber was
ihm nur wenige nachthun sonnen, das ist die künstlerische Gesammtbehandlnng.
Mit einer wenn nicht völlig erschöpfenden, so doch durchweg streng gewissen¬
haften Fmschung verband er das seltene Talent, den Stoff zu beherrschen und
so klar, übersichtlich, lebendig zu ordnen, daß der Leser die Dinge zu erleben glaubt,
die er geschildert findet, im Geist? reinster patriotischer Gesinnung und mit dem
Muth herzhaften Lobs und herzhaften sittlichen Tadels. Es ist nicht die Sprache
des Diplomaten, die er redet, aber ebensowenig das Gezeter des Demagogen,
es ist das ernste wuchtige Wort des Richters, mit dem er unparteiisch -- soweit
ein Mensch, der das Herz an der rechten Stelle hat und in dessen Adern war¬
mes Blut strömt, dies kann -- das Urtheil der Geschichte spricht, ohne die
Gunst der Mächtigen ^zu suchen und ohne Furcht vor dem Wuthgeschrei ver¬
letzter Leidenschaft. Daß einem solchen Werte die heftigsten Angriffe nicht
fehlten, ist natürlich. Aber die Nation, der es galt, hat sich warm und sicher
entschieden und dem trefflichen Manne den Lorbeer des Meisters auf das
Haupt gesetzt. Auch wenn durch spätere Forschungen manches Einzelne in
dieser Musterarbeit antiquirt werden sollte, die Vorzüge, die ihr der Genius
seines Autors mit auf den Weg gegeben hat, können nie veralten und Häusscrs
Geschichte wird noch lange Jahre ein Lieblingsbuch der Deutschen bleiben.

Dieselbe reine Liebe zum Vaterland, welche ihm die Feder führte, war
es auch, die ihn zum praktischen Politiker machte. Was ihn als Lehrer und
Schriftsteller so sehr auszeichnete, seine glänzende nie versagende Sprache und die
Kunst klarer und ergreifender Gestaltung, sicherte dem Redner in politischen
Versammlungen die bedeutendsten Erfolge. Schon in Erfurt, wo er zum ersten
Mal parlamentarisch auftrat, machte sein Wort großen nachhaltigen Eindruck,
und wer später Gelegenheit hatte, ihn in der badisclcn zweiten Kammer oder
in Volksversammlungen reden zu hören, der erfuhr an sich selbst und an dem
Einflüsse, den seine Reden auf die Abstimmungen ausübten, die Wucht über¬
zeugender, fortreihender und, wenn es nöthig war, zerschmetternder Beredsamkeit.
Aber zugleich arbeitete er mit seltener Energie in den Commissionen der Kammer,
in politischen Vereinen und Ausschüssen, in der Presse. Jede nationale Ange¬
legenheit suchte und fand in ihm ihren Anwalt, keinem patriotischen Zwecke
hat er je Wort oder Feder versagt.

So war er ein bewunderter und vielumworbener Mann, mit Ehren und
Aemtern überhäuft, mit Anträgen und Anliegen überladen, beschäftigt mit Geist
und Hand von den frühen Morgenstunden bis in die Späte des Abends, und
doch war dieser seltene Mann neben all diesem auch noch das belebende und
befruchtende Element eines großen Freundeskreises, einer weitverzweigten Ge¬
selligkeit. Wenigen Menschen mag es wie ihm gegönnt gewesen sein, mit so


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die Erforschung der deutschen Zustände in der denkwürdigen Epoche von Fried¬
richs d. Gr. Tode bis zum zweiten pariser Frieden eingegangen. Aber was
ihm nur wenige nachthun sonnen, das ist die künstlerische Gesammtbehandlnng.
Mit einer wenn nicht völlig erschöpfenden, so doch durchweg streng gewissen¬
haften Fmschung verband er das seltene Talent, den Stoff zu beherrschen und
so klar, übersichtlich, lebendig zu ordnen, daß der Leser die Dinge zu erleben glaubt,
die er geschildert findet, im Geist? reinster patriotischer Gesinnung und mit dem
Muth herzhaften Lobs und herzhaften sittlichen Tadels. Es ist nicht die Sprache
des Diplomaten, die er redet, aber ebensowenig das Gezeter des Demagogen,
es ist das ernste wuchtige Wort des Richters, mit dem er unparteiisch — soweit
ein Mensch, der das Herz an der rechten Stelle hat und in dessen Adern war¬
mes Blut strömt, dies kann — das Urtheil der Geschichte spricht, ohne die
Gunst der Mächtigen ^zu suchen und ohne Furcht vor dem Wuthgeschrei ver¬
letzter Leidenschaft. Daß einem solchen Werte die heftigsten Angriffe nicht
fehlten, ist natürlich. Aber die Nation, der es galt, hat sich warm und sicher
entschieden und dem trefflichen Manne den Lorbeer des Meisters auf das
Haupt gesetzt. Auch wenn durch spätere Forschungen manches Einzelne in
dieser Musterarbeit antiquirt werden sollte, die Vorzüge, die ihr der Genius
seines Autors mit auf den Weg gegeben hat, können nie veralten und Häusscrs
Geschichte wird noch lange Jahre ein Lieblingsbuch der Deutschen bleiben.

Dieselbe reine Liebe zum Vaterland, welche ihm die Feder führte, war
es auch, die ihn zum praktischen Politiker machte. Was ihn als Lehrer und
Schriftsteller so sehr auszeichnete, seine glänzende nie versagende Sprache und die
Kunst klarer und ergreifender Gestaltung, sicherte dem Redner in politischen
Versammlungen die bedeutendsten Erfolge. Schon in Erfurt, wo er zum ersten
Mal parlamentarisch auftrat, machte sein Wort großen nachhaltigen Eindruck,
und wer später Gelegenheit hatte, ihn in der badisclcn zweiten Kammer oder
in Volksversammlungen reden zu hören, der erfuhr an sich selbst und an dem
Einflüsse, den seine Reden auf die Abstimmungen ausübten, die Wucht über¬
zeugender, fortreihender und, wenn es nöthig war, zerschmetternder Beredsamkeit.
Aber zugleich arbeitete er mit seltener Energie in den Commissionen der Kammer,
in politischen Vereinen und Ausschüssen, in der Presse. Jede nationale Ange¬
legenheit suchte und fand in ihm ihren Anwalt, keinem patriotischen Zwecke
hat er je Wort oder Feder versagt.

So war er ein bewunderter und vielumworbener Mann, mit Ehren und
Aemtern überhäuft, mit Anträgen und Anliegen überladen, beschäftigt mit Geist
und Hand von den frühen Morgenstunden bis in die Späte des Abends, und
doch war dieser seltene Mann neben all diesem auch noch das belebende und
befruchtende Element eines großen Freundeskreises, einer weitverzweigten Ge¬
selligkeit. Wenigen Menschen mag es wie ihm gegönnt gewesen sein, mit so


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[0039] die Erforschung der deutschen Zustände in der denkwürdigen Epoche von Fried¬ richs d. Gr. Tode bis zum zweiten pariser Frieden eingegangen. Aber was ihm nur wenige nachthun sonnen, das ist die künstlerische Gesammtbehandlnng. Mit einer wenn nicht völlig erschöpfenden, so doch durchweg streng gewissen¬ haften Fmschung verband er das seltene Talent, den Stoff zu beherrschen und so klar, übersichtlich, lebendig zu ordnen, daß der Leser die Dinge zu erleben glaubt, die er geschildert findet, im Geist? reinster patriotischer Gesinnung und mit dem Muth herzhaften Lobs und herzhaften sittlichen Tadels. Es ist nicht die Sprache des Diplomaten, die er redet, aber ebensowenig das Gezeter des Demagogen, es ist das ernste wuchtige Wort des Richters, mit dem er unparteiisch — soweit ein Mensch, der das Herz an der rechten Stelle hat und in dessen Adern war¬ mes Blut strömt, dies kann — das Urtheil der Geschichte spricht, ohne die Gunst der Mächtigen ^zu suchen und ohne Furcht vor dem Wuthgeschrei ver¬ letzter Leidenschaft. Daß einem solchen Werte die heftigsten Angriffe nicht fehlten, ist natürlich. Aber die Nation, der es galt, hat sich warm und sicher entschieden und dem trefflichen Manne den Lorbeer des Meisters auf das Haupt gesetzt. Auch wenn durch spätere Forschungen manches Einzelne in dieser Musterarbeit antiquirt werden sollte, die Vorzüge, die ihr der Genius seines Autors mit auf den Weg gegeben hat, können nie veralten und Häusscrs Geschichte wird noch lange Jahre ein Lieblingsbuch der Deutschen bleiben. Dieselbe reine Liebe zum Vaterland, welche ihm die Feder führte, war es auch, die ihn zum praktischen Politiker machte. Was ihn als Lehrer und Schriftsteller so sehr auszeichnete, seine glänzende nie versagende Sprache und die Kunst klarer und ergreifender Gestaltung, sicherte dem Redner in politischen Versammlungen die bedeutendsten Erfolge. Schon in Erfurt, wo er zum ersten Mal parlamentarisch auftrat, machte sein Wort großen nachhaltigen Eindruck, und wer später Gelegenheit hatte, ihn in der badisclcn zweiten Kammer oder in Volksversammlungen reden zu hören, der erfuhr an sich selbst und an dem Einflüsse, den seine Reden auf die Abstimmungen ausübten, die Wucht über¬ zeugender, fortreihender und, wenn es nöthig war, zerschmetternder Beredsamkeit. Aber zugleich arbeitete er mit seltener Energie in den Commissionen der Kammer, in politischen Vereinen und Ausschüssen, in der Presse. Jede nationale Ange¬ legenheit suchte und fand in ihm ihren Anwalt, keinem patriotischen Zwecke hat er je Wort oder Feder versagt. So war er ein bewunderter und vielumworbener Mann, mit Ehren und Aemtern überhäuft, mit Anträgen und Anliegen überladen, beschäftigt mit Geist und Hand von den frühen Morgenstunden bis in die Späte des Abends, und doch war dieser seltene Mann neben all diesem auch noch das belebende und befruchtende Element eines großen Freundeskreises, einer weitverzweigten Ge¬ selligkeit. Wenigen Menschen mag es wie ihm gegönnt gewesen sein, mit so 6*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/39>, abgerufen am 03.07.2024.