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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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classischem Behagen die Freuden der Tafel, die Blume des Weinsegens zu ge¬
nießen und doch die Spannkraft des Geistes, die Arbeitstüchtigkeit und Arbeits¬
lust keinen Augenblick einzubüßen. Es kann niemand geben, der es versteht,
mit mehr Geschick das Gespräch eines belebten Kreises zu leiten, mit mehr
Liebenswürdigkeit die Schwächen der Menschen zu geißeln, mit echterem Humor
Erlebnisse zu schildern. Man muß ihn von seiner italienischen Reise haben er¬
zählen hören, um einen Begriff von dem unwiderstehlichen Reiz zu bekommen,
den seine Konversation besaß. Und dies seltene Talent wurde ihm nie untreu,
ob er an seinem gastlichen Tische frohe Gesichter glücklicher Studenten vor sich
sah oder ernsten College" kredenzte, ob er unter den Abgeordneten zu Karls¬
ruhe, unter seinen Mitbürgern zu Heidelberg oder inmitten des vornehmeren
Kreises der historischen Commission zu München saß -- immer war er der un¬
ermüdlich spendende, voll Geist. Gemüth und Laune.

Diese edle Gabe der Geselligkeit gehört ebenso sehr zu seinem Bilde wie
andererseits seine Uneigennützigst, seine unerschrockene Energie und sein un¬
erschütterlich fester Charakter.-- Selbst die erbittertsten Gegner haben diese
Eigenschaften des seltenen Mannes nie bestreiten können, für seine Freunde
waren sie ein Schatz und eine Stütze, die nur zu sehr, noch mehr als selbst
diese Riesenkraft ertrug, in Anspruch genommen wurden. Die gleichzeitige
Thätigkeit an der Universität und in der Kammer, verbunden mit mannigfachen
literarischen Arbeiten untergrub die Gesundheit Häussers, Er muthete sich in
der That Unglaubliches zu. Nach einer anstrengendenKammcrsitzung z.B. bestieg er
die Eisenbahn, hielt in Heidelberg zwei Vorlesungen, um mit dem letzten Zug
nach Karlsruhe zurückzukehren; dort in den Fractionssitzungcn bis in die Nacht
zu debattiren und am andern Morgen noch vor der nächsten Sitzung irgend¬
einen Commissivnsbericht auszuarbeiten. Dieses Uebermaß von Anstrengung,
dazu unvermeidliche Aufregungen und Alterationen -- das alles zusammen brach
den so rüstig aussehende" Mann vor der Zelt. Ein Herzleiden entwickelte sich
rasch in den größten Dimensionen und warf den an die lebhafteste Thätigkeit
Gewöhnten auf das Krankenlager. Schon vor zwei Jahren fürchteten seine
Freunde, ihn verlieren zu müssen. Aber mit stolzer Willenskraft raffte er sich
noch einmal auf, zwar nicht zu voller Genesung, dazu waren die Kräfte zu sehr
eischöpft. aber er vermochte doch im vergangenen Winter seine Vorlesungen im
eigenen Hause wieder aufzunehmen und bis zu Ende zu führen. Wie ein
tapferer Kriegsmann das Schwert in der Hand, so ist Hausier bis in die letzten
Tage seines Lebens mit Aufbietung aller Kräfte berusstreu thätig gewesen.
Nur wenige Tage sind es, daß er am Semestcrschlusse zu seinen tief bewegten
Zuhörern Worte des Abschieds sprach, wohl selbst ohne Ahnung, daß der letzte
Abschied, welchen er zu nehmen hatte, der von den Seinigen, denen er der
treueste Gatte und Bater war, so nahe bevorstand.


classischem Behagen die Freuden der Tafel, die Blume des Weinsegens zu ge¬
nießen und doch die Spannkraft des Geistes, die Arbeitstüchtigkeit und Arbeits¬
lust keinen Augenblick einzubüßen. Es kann niemand geben, der es versteht,
mit mehr Geschick das Gespräch eines belebten Kreises zu leiten, mit mehr
Liebenswürdigkeit die Schwächen der Menschen zu geißeln, mit echterem Humor
Erlebnisse zu schildern. Man muß ihn von seiner italienischen Reise haben er¬
zählen hören, um einen Begriff von dem unwiderstehlichen Reiz zu bekommen,
den seine Konversation besaß. Und dies seltene Talent wurde ihm nie untreu,
ob er an seinem gastlichen Tische frohe Gesichter glücklicher Studenten vor sich
sah oder ernsten College« kredenzte, ob er unter den Abgeordneten zu Karls¬
ruhe, unter seinen Mitbürgern zu Heidelberg oder inmitten des vornehmeren
Kreises der historischen Commission zu München saß — immer war er der un¬
ermüdlich spendende, voll Geist. Gemüth und Laune.

Diese edle Gabe der Geselligkeit gehört ebenso sehr zu seinem Bilde wie
andererseits seine Uneigennützigst, seine unerschrockene Energie und sein un¬
erschütterlich fester Charakter.— Selbst die erbittertsten Gegner haben diese
Eigenschaften des seltenen Mannes nie bestreiten können, für seine Freunde
waren sie ein Schatz und eine Stütze, die nur zu sehr, noch mehr als selbst
diese Riesenkraft ertrug, in Anspruch genommen wurden. Die gleichzeitige
Thätigkeit an der Universität und in der Kammer, verbunden mit mannigfachen
literarischen Arbeiten untergrub die Gesundheit Häussers, Er muthete sich in
der That Unglaubliches zu. Nach einer anstrengendenKammcrsitzung z.B. bestieg er
die Eisenbahn, hielt in Heidelberg zwei Vorlesungen, um mit dem letzten Zug
nach Karlsruhe zurückzukehren; dort in den Fractionssitzungcn bis in die Nacht
zu debattiren und am andern Morgen noch vor der nächsten Sitzung irgend¬
einen Commissivnsbericht auszuarbeiten. Dieses Uebermaß von Anstrengung,
dazu unvermeidliche Aufregungen und Alterationen — das alles zusammen brach
den so rüstig aussehende» Mann vor der Zelt. Ein Herzleiden entwickelte sich
rasch in den größten Dimensionen und warf den an die lebhafteste Thätigkeit
Gewöhnten auf das Krankenlager. Schon vor zwei Jahren fürchteten seine
Freunde, ihn verlieren zu müssen. Aber mit stolzer Willenskraft raffte er sich
noch einmal auf, zwar nicht zu voller Genesung, dazu waren die Kräfte zu sehr
eischöpft. aber er vermochte doch im vergangenen Winter seine Vorlesungen im
eigenen Hause wieder aufzunehmen und bis zu Ende zu führen. Wie ein
tapferer Kriegsmann das Schwert in der Hand, so ist Hausier bis in die letzten
Tage seines Lebens mit Aufbietung aller Kräfte berusstreu thätig gewesen.
Nur wenige Tage sind es, daß er am Semestcrschlusse zu seinen tief bewegten
Zuhörern Worte des Abschieds sprach, wohl selbst ohne Ahnung, daß der letzte
Abschied, welchen er zu nehmen hatte, der von den Seinigen, denen er der
treueste Gatte und Bater war, so nahe bevorstand.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/40>, abgerufen am 01.07.2024.