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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Bestimmungen wie bei der Gemeindevertretung einführen wollte. Wenn man
den landesfürstlichen Commissär hörte, lag der Grund davon nur in den Hin¬
dernissen, die noch der Vollendung des Strafgesetzes entgegenstanden. Baron
Seyffertitz senkte aber die Sonde etwas tiefer. Daß von den Landtagswahlen
allein auch jene ausgeschlossen, die sich eines Vergehens schuldig gemacht, be-
wirke die Furcht vor den politisch gefährlichen Leuten, namentlich solchen, die
an den Fußangeln des Preßgesetzes hängen geblieben. Man bedenke aber nicht,
wie andere, die heute eines politischen Vergehens wegen verurtheilt worden,
morgen verdienstvolle Männer sind und ^das Staatsruder lenken. Die An-
spi'elung auf jenen im geheimen Amte Belcredis thätigen schweizer Flüchtling
war handgreiflich, sein Name wurde aber nicht wieder genannt.

Noch einen andern Anlaß, die Resormplcine jener Volksbeglücker aufzudecken,
bot der Vorschlag über eine sogenannte "Ergänzung" des Landesverlhcidigungs-
gesetzes. Die Landesschützen sollten künftig in Bataillons zusammengestellt
werben und Majore, wahrscheinlich aus der Armee, zur Leitung erhalten.
Dahinter stecke, meinte Seyffertitz, nur die beabsichtigte Umbildung eines bür¬
gerlichen Institutes in ein militärisches. So viel stehe nicht zu läugnen, daß nur
ein gesunder Körper eine nervige Faust habe, nur die Ueberzeugung, daß es
um den Staat gut stehe, stähle den Muth. Um sich gut zu schlagen, müsse
das Heer national sein. Man einigte sich hiernach auf den Antrag, daß die
Majore der Landesschützen, wenn sie der Armee entnommen würden, möglichst
aus Offizieren des tyroler Jägerregiments gewählt werden mögen.

Die Volksvertreter in Bregenz liebten es sonst nicht an den Verband mit
Tirol zu erinnern, betonten vielmehr, so oft sie konnten, des Landes Selbst-
ständigkeit. Der Grund davon lag nicht blos im Geldbeutel, denn die 27,000
Gulden, die Vorarlberg aus den fünfziger Jahren an Marschauslagen von Tirol
übernehmen mußte, waren alles, was diesfalls zur Sprache kam, sie schreckte die
Last der klerikalen Herrschaft, womit Tirol in so hohem Grade gesegnet ist und
die mit jedem Tage westlich vom Arlberg mehr und mehr um sich zu greifen
drohte. Auch ihr trat der Landtag männlich entgegen. Als man auf die Be¬
schränkung des Bettels kam, wofür die Seelsorger Freibriefs zu ertheilen Pflegten,
bemerkte Seyffertitz treffend, der eigentliche Succus des Vorrechts, das die Kirche
im Namen des Christenthums bei Verschaffung wohlthätiger Spenden bean¬
spruche, bestehe in der Dankbarkeit der Unterstützten, also wohl der Ausbreitung
ihres Einflusses, und der Bischof sah sich schließlich genöthigt, eine allgemeine
Billigung solcher Freibriefe von sich abzulehnen.

Bekanntlich besteht auch in Feldkirch aus den glücklichen Zeiten des Un¬
terrichtsministeriums Leo Thun ein großes Jesuitenconvict, das Zöglinge aus
allen Gegenden der Schweiz und Deutschlands an sich zieht, sich aber weder an
die in Oestreich für Gymnasien bestehenden Vorschriften hält, noch seine Lehrer


Bestimmungen wie bei der Gemeindevertretung einführen wollte. Wenn man
den landesfürstlichen Commissär hörte, lag der Grund davon nur in den Hin¬
dernissen, die noch der Vollendung des Strafgesetzes entgegenstanden. Baron
Seyffertitz senkte aber die Sonde etwas tiefer. Daß von den Landtagswahlen
allein auch jene ausgeschlossen, die sich eines Vergehens schuldig gemacht, be-
wirke die Furcht vor den politisch gefährlichen Leuten, namentlich solchen, die
an den Fußangeln des Preßgesetzes hängen geblieben. Man bedenke aber nicht,
wie andere, die heute eines politischen Vergehens wegen verurtheilt worden,
morgen verdienstvolle Männer sind und ^das Staatsruder lenken. Die An-
spi'elung auf jenen im geheimen Amte Belcredis thätigen schweizer Flüchtling
war handgreiflich, sein Name wurde aber nicht wieder genannt.

Noch einen andern Anlaß, die Resormplcine jener Volksbeglücker aufzudecken,
bot der Vorschlag über eine sogenannte „Ergänzung" des Landesverlhcidigungs-
gesetzes. Die Landesschützen sollten künftig in Bataillons zusammengestellt
werben und Majore, wahrscheinlich aus der Armee, zur Leitung erhalten.
Dahinter stecke, meinte Seyffertitz, nur die beabsichtigte Umbildung eines bür¬
gerlichen Institutes in ein militärisches. So viel stehe nicht zu läugnen, daß nur
ein gesunder Körper eine nervige Faust habe, nur die Ueberzeugung, daß es
um den Staat gut stehe, stähle den Muth. Um sich gut zu schlagen, müsse
das Heer national sein. Man einigte sich hiernach auf den Antrag, daß die
Majore der Landesschützen, wenn sie der Armee entnommen würden, möglichst
aus Offizieren des tyroler Jägerregiments gewählt werden mögen.

Die Volksvertreter in Bregenz liebten es sonst nicht an den Verband mit
Tirol zu erinnern, betonten vielmehr, so oft sie konnten, des Landes Selbst-
ständigkeit. Der Grund davon lag nicht blos im Geldbeutel, denn die 27,000
Gulden, die Vorarlberg aus den fünfziger Jahren an Marschauslagen von Tirol
übernehmen mußte, waren alles, was diesfalls zur Sprache kam, sie schreckte die
Last der klerikalen Herrschaft, womit Tirol in so hohem Grade gesegnet ist und
die mit jedem Tage westlich vom Arlberg mehr und mehr um sich zu greifen
drohte. Auch ihr trat der Landtag männlich entgegen. Als man auf die Be¬
schränkung des Bettels kam, wofür die Seelsorger Freibriefs zu ertheilen Pflegten,
bemerkte Seyffertitz treffend, der eigentliche Succus des Vorrechts, das die Kirche
im Namen des Christenthums bei Verschaffung wohlthätiger Spenden bean¬
spruche, bestehe in der Dankbarkeit der Unterstützten, also wohl der Ausbreitung
ihres Einflusses, und der Bischof sah sich schließlich genöthigt, eine allgemeine
Billigung solcher Freibriefe von sich abzulehnen.

Bekanntlich besteht auch in Feldkirch aus den glücklichen Zeiten des Un¬
terrichtsministeriums Leo Thun ein großes Jesuitenconvict, das Zöglinge aus
allen Gegenden der Schweiz und Deutschlands an sich zieht, sich aber weder an
die in Oestreich für Gymnasien bestehenden Vorschriften hält, noch seine Lehrer


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[0386] Bestimmungen wie bei der Gemeindevertretung einführen wollte. Wenn man den landesfürstlichen Commissär hörte, lag der Grund davon nur in den Hin¬ dernissen, die noch der Vollendung des Strafgesetzes entgegenstanden. Baron Seyffertitz senkte aber die Sonde etwas tiefer. Daß von den Landtagswahlen allein auch jene ausgeschlossen, die sich eines Vergehens schuldig gemacht, be- wirke die Furcht vor den politisch gefährlichen Leuten, namentlich solchen, die an den Fußangeln des Preßgesetzes hängen geblieben. Man bedenke aber nicht, wie andere, die heute eines politischen Vergehens wegen verurtheilt worden, morgen verdienstvolle Männer sind und ^das Staatsruder lenken. Die An- spi'elung auf jenen im geheimen Amte Belcredis thätigen schweizer Flüchtling war handgreiflich, sein Name wurde aber nicht wieder genannt. Noch einen andern Anlaß, die Resormplcine jener Volksbeglücker aufzudecken, bot der Vorschlag über eine sogenannte „Ergänzung" des Landesverlhcidigungs- gesetzes. Die Landesschützen sollten künftig in Bataillons zusammengestellt werben und Majore, wahrscheinlich aus der Armee, zur Leitung erhalten. Dahinter stecke, meinte Seyffertitz, nur die beabsichtigte Umbildung eines bür¬ gerlichen Institutes in ein militärisches. So viel stehe nicht zu läugnen, daß nur ein gesunder Körper eine nervige Faust habe, nur die Ueberzeugung, daß es um den Staat gut stehe, stähle den Muth. Um sich gut zu schlagen, müsse das Heer national sein. Man einigte sich hiernach auf den Antrag, daß die Majore der Landesschützen, wenn sie der Armee entnommen würden, möglichst aus Offizieren des tyroler Jägerregiments gewählt werden mögen. Die Volksvertreter in Bregenz liebten es sonst nicht an den Verband mit Tirol zu erinnern, betonten vielmehr, so oft sie konnten, des Landes Selbst- ständigkeit. Der Grund davon lag nicht blos im Geldbeutel, denn die 27,000 Gulden, die Vorarlberg aus den fünfziger Jahren an Marschauslagen von Tirol übernehmen mußte, waren alles, was diesfalls zur Sprache kam, sie schreckte die Last der klerikalen Herrschaft, womit Tirol in so hohem Grade gesegnet ist und die mit jedem Tage westlich vom Arlberg mehr und mehr um sich zu greifen drohte. Auch ihr trat der Landtag männlich entgegen. Als man auf die Be¬ schränkung des Bettels kam, wofür die Seelsorger Freibriefs zu ertheilen Pflegten, bemerkte Seyffertitz treffend, der eigentliche Succus des Vorrechts, das die Kirche im Namen des Christenthums bei Verschaffung wohlthätiger Spenden bean¬ spruche, bestehe in der Dankbarkeit der Unterstützten, also wohl der Ausbreitung ihres Einflusses, und der Bischof sah sich schließlich genöthigt, eine allgemeine Billigung solcher Freibriefe von sich abzulehnen. Bekanntlich besteht auch in Feldkirch aus den glücklichen Zeiten des Un¬ terrichtsministeriums Leo Thun ein großes Jesuitenconvict, das Zöglinge aus allen Gegenden der Schweiz und Deutschlands an sich zieht, sich aber weder an die in Oestreich für Gymnasien bestehenden Vorschriften hält, noch seine Lehrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/386>, abgerufen am 03.07.2024.