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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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den geschlichen Prüfungen unterzieht.*) Schon am 16. März 1863 hatte der
Landtag an den damaligen Minister Schmerling die Bitte gestellt, den Lojvliten,
falls sie sich dem Gesetze nicht fügten, das Staatsgymnasium zu entziehen, allein der
Mann, der die Wissenschaft eine Macht nannte, hatte kein Ohr für die Klage über den
Mißbrauch, der mit dem Scheine der Bildung getrieben wurde. Nach fast vier
Jahren erbat sich Seyffertitz endlich Aufklärung von der Regierung, welche Hin¬
dernisse der Erledigung seines Antrags entgegenstehen. Wird wohl jetzt Herr
v. Beusi die nöthige Kraft und den Willen haben, mit diesen Lieblingen der
Camarilla aufzuräumen?

An diesen neuen Cagliostro klammerten sich nach dem Abtritte des Sisti-
rungsministers die Verfassungstreuen in Oestreich, weil er in seinem am 4. März
d. I. an die Landtage erlassenen Rcscripte wieder einmal versicherte, der Regie¬
rung sei es gar nicht zu Sinne gekommen, "die im Februarpatcnte zugesicherten
verfassungsmäßigen Rechte zu schmälern". Dies beschwichtigte auch die Vorarl¬
berger, obschon man gleichzeitig das blos im Ordonnanzwege erlassene neue
Heerescrgänzungsgesetz vom 28. December 1866 ohne dringenden Anlaß in Vollzug
setzte. Der am 18. Februar d. I. zur Vornahme der Wahlen "in den verfas¬
sungsmäßigen" Reichsrath versammelte Landtag versäumte jedoch nicht, auf dem
im verfassungsmäßigen Wege zu Stande gekommenen Landesvcrtheidigungs-
gesetz, das mit jenem im Widerspruch stand, zu beharren, bat um Aufschub der
Durchführung der neuen Wehrordnung und sprach die Ueberzeugung aus. daß
die darin festgesetzte Dienstzeit von 6 Jahren in der Linie und 6 anderen in
der Reserve zu hoch gegriffen sei. Darauf antwortete der landesfürstliche Com-
missär mit der Verkündigung eines ihm soeben zugekommenen Telegramms, das
für Heuer nur 1500 Mann von ganz Tirol und Vorarlberg zum Jägerregimente
einrief. und dazu blos die beiden ersten Altersclassen heranzog. Also wieder
ein Act ministerieller Machtvollkommenheit. Seyffertitz erinnerte zwar, daß das
Blut des Volkes wichtiger sei als die Guldenzettel, die in die Steuerkasse flie-
ßen. und es daher ein Recht habe in dieser Sache mitzusprechen, allein man
glaubte mit jener Uebergangsverordnung, die das neue Gesetz in mehren
Punkten zur Ausführung brachte, schon bis an die äußerste Grenze der Nach¬
giebigkeit gegangen zu sein. Herr v. Reuse hält sich eben der Zustimmung des
Reichsrathes völlig versichert, da, wie er selbst in der "Wiener Zeitung" erklärte,
durch die erhaltenden Factoren des Abgeordneten- und die Schöpfung des
Herrenhauses die conservativen Interessen in Oestreich so ausreichend gewahrt
sind, wie sonst nirgends in ganz Europa. Das Heer galt aber stets als Palla¬
dium der Conservativen. Die Recrutirung wurde sohin nach jenem Ukas ins
Werk gesetzt.



'> S, die Grenzboten vom I. 18"3. Ur. 38, S. 460.

den geschlichen Prüfungen unterzieht.*) Schon am 16. März 1863 hatte der
Landtag an den damaligen Minister Schmerling die Bitte gestellt, den Lojvliten,
falls sie sich dem Gesetze nicht fügten, das Staatsgymnasium zu entziehen, allein der
Mann, der die Wissenschaft eine Macht nannte, hatte kein Ohr für die Klage über den
Mißbrauch, der mit dem Scheine der Bildung getrieben wurde. Nach fast vier
Jahren erbat sich Seyffertitz endlich Aufklärung von der Regierung, welche Hin¬
dernisse der Erledigung seines Antrags entgegenstehen. Wird wohl jetzt Herr
v. Beusi die nöthige Kraft und den Willen haben, mit diesen Lieblingen der
Camarilla aufzuräumen?

An diesen neuen Cagliostro klammerten sich nach dem Abtritte des Sisti-
rungsministers die Verfassungstreuen in Oestreich, weil er in seinem am 4. März
d. I. an die Landtage erlassenen Rcscripte wieder einmal versicherte, der Regie¬
rung sei es gar nicht zu Sinne gekommen, „die im Februarpatcnte zugesicherten
verfassungsmäßigen Rechte zu schmälern". Dies beschwichtigte auch die Vorarl¬
berger, obschon man gleichzeitig das blos im Ordonnanzwege erlassene neue
Heerescrgänzungsgesetz vom 28. December 1866 ohne dringenden Anlaß in Vollzug
setzte. Der am 18. Februar d. I. zur Vornahme der Wahlen „in den verfas¬
sungsmäßigen" Reichsrath versammelte Landtag versäumte jedoch nicht, auf dem
im verfassungsmäßigen Wege zu Stande gekommenen Landesvcrtheidigungs-
gesetz, das mit jenem im Widerspruch stand, zu beharren, bat um Aufschub der
Durchführung der neuen Wehrordnung und sprach die Ueberzeugung aus. daß
die darin festgesetzte Dienstzeit von 6 Jahren in der Linie und 6 anderen in
der Reserve zu hoch gegriffen sei. Darauf antwortete der landesfürstliche Com-
missär mit der Verkündigung eines ihm soeben zugekommenen Telegramms, das
für Heuer nur 1500 Mann von ganz Tirol und Vorarlberg zum Jägerregimente
einrief. und dazu blos die beiden ersten Altersclassen heranzog. Also wieder
ein Act ministerieller Machtvollkommenheit. Seyffertitz erinnerte zwar, daß das
Blut des Volkes wichtiger sei als die Guldenzettel, die in die Steuerkasse flie-
ßen. und es daher ein Recht habe in dieser Sache mitzusprechen, allein man
glaubte mit jener Uebergangsverordnung, die das neue Gesetz in mehren
Punkten zur Ausführung brachte, schon bis an die äußerste Grenze der Nach¬
giebigkeit gegangen zu sein. Herr v. Reuse hält sich eben der Zustimmung des
Reichsrathes völlig versichert, da, wie er selbst in der „Wiener Zeitung" erklärte,
durch die erhaltenden Factoren des Abgeordneten- und die Schöpfung des
Herrenhauses die conservativen Interessen in Oestreich so ausreichend gewahrt
sind, wie sonst nirgends in ganz Europa. Das Heer galt aber stets als Palla¬
dium der Conservativen. Die Recrutirung wurde sohin nach jenem Ukas ins
Werk gesetzt.



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[0387] den geschlichen Prüfungen unterzieht.*) Schon am 16. März 1863 hatte der Landtag an den damaligen Minister Schmerling die Bitte gestellt, den Lojvliten, falls sie sich dem Gesetze nicht fügten, das Staatsgymnasium zu entziehen, allein der Mann, der die Wissenschaft eine Macht nannte, hatte kein Ohr für die Klage über den Mißbrauch, der mit dem Scheine der Bildung getrieben wurde. Nach fast vier Jahren erbat sich Seyffertitz endlich Aufklärung von der Regierung, welche Hin¬ dernisse der Erledigung seines Antrags entgegenstehen. Wird wohl jetzt Herr v. Beusi die nöthige Kraft und den Willen haben, mit diesen Lieblingen der Camarilla aufzuräumen? An diesen neuen Cagliostro klammerten sich nach dem Abtritte des Sisti- rungsministers die Verfassungstreuen in Oestreich, weil er in seinem am 4. März d. I. an die Landtage erlassenen Rcscripte wieder einmal versicherte, der Regie¬ rung sei es gar nicht zu Sinne gekommen, „die im Februarpatcnte zugesicherten verfassungsmäßigen Rechte zu schmälern". Dies beschwichtigte auch die Vorarl¬ berger, obschon man gleichzeitig das blos im Ordonnanzwege erlassene neue Heerescrgänzungsgesetz vom 28. December 1866 ohne dringenden Anlaß in Vollzug setzte. Der am 18. Februar d. I. zur Vornahme der Wahlen „in den verfas¬ sungsmäßigen" Reichsrath versammelte Landtag versäumte jedoch nicht, auf dem im verfassungsmäßigen Wege zu Stande gekommenen Landesvcrtheidigungs- gesetz, das mit jenem im Widerspruch stand, zu beharren, bat um Aufschub der Durchführung der neuen Wehrordnung und sprach die Ueberzeugung aus. daß die darin festgesetzte Dienstzeit von 6 Jahren in der Linie und 6 anderen in der Reserve zu hoch gegriffen sei. Darauf antwortete der landesfürstliche Com- missär mit der Verkündigung eines ihm soeben zugekommenen Telegramms, das für Heuer nur 1500 Mann von ganz Tirol und Vorarlberg zum Jägerregimente einrief. und dazu blos die beiden ersten Altersclassen heranzog. Also wieder ein Act ministerieller Machtvollkommenheit. Seyffertitz erinnerte zwar, daß das Blut des Volkes wichtiger sei als die Guldenzettel, die in die Steuerkasse flie- ßen. und es daher ein Recht habe in dieser Sache mitzusprechen, allein man glaubte mit jener Uebergangsverordnung, die das neue Gesetz in mehren Punkten zur Ausführung brachte, schon bis an die äußerste Grenze der Nach¬ giebigkeit gegangen zu sein. Herr v. Reuse hält sich eben der Zustimmung des Reichsrathes völlig versichert, da, wie er selbst in der „Wiener Zeitung" erklärte, durch die erhaltenden Factoren des Abgeordneten- und die Schöpfung des Herrenhauses die conservativen Interessen in Oestreich so ausreichend gewahrt sind, wie sonst nirgends in ganz Europa. Das Heer galt aber stets als Palla¬ dium der Conservativen. Die Recrutirung wurde sohin nach jenem Ukas ins Werk gesetzt. '> S, die Grenzboten vom I. 18»3. Ur. 38, S. 460.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/387>, abgerufen am 01.07.2024.