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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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führte auf das Schicksal der Adresse. Bei der Stelle, wo das Bedauern über
deren nicht erfolgte Annahme ausgedrückt wurde, erhob sich die Versammlung
unaufgefordert von den Sitzen. Ganahl bemerkte hierzu, der Landtag habe
hierdurch kundgegeben, daß er noch festhalte an den Gesinnungen, denen die
Adresse Ausdruck gegeben, leider seien die dort angedeuteten Gefahren zur
traurigen That geworden. Hierbei müsse er noch eines anderen Actes erwähnen,
nämlich der türkisch-belcredischen Maßregelung des Landeshauptmanns, die nicht
blos in Vorarlberg, sondern in ganz Oestreich bitter getadelt worden. Wieder¬
holt habe der Sistirungsminister schon in den letzten Zügen gelegen, nun hoffe
er dennoch, daß es ihm wie einem Lungensüchtigen im letzten Stadium ergehe,
dem im Augenblicke neuer Hoffnung Plötzlich die Lebenswerkzeuge den Dienst
versagen. Dieses Gefühl des Unmuths betonte auch trotz wiederholter Ein¬
sprache des Landeshauptmanns das mittlerweile neu eingetretene Mitglied
Dr. Jussel. Der Landeshauptmann gehöre dem Lande an. Diesem habe das
Verkennen seines redlichen Wirkens wehe gethan, nicht auf offenem, geradem,
ehrlichem Wege, nur durch im Finstern waltende Mächte sei dies möglich ge¬
worden. Dem Redner selbst bleibe nur der Trost, daß das Recht doch noch zu
Ehren kommen werde. Und als nun der Regierungscommissär die erfolgte
Pensionirung auf diese schiefe Stellung schreiben wollte, in die Froschauer als
k. k. Stalthaltcreirath gekommen, warf ihm Freiherr v. Seyffertitz die Worte
Jakobis hin: "Dies ist eben das Unglück der Könige, daß sie nicht hören
wollen." Wenn das Schicksal Oestreichs vor den Augen seines Geistes vor¬
überziehe, ersterbe ihm das Wort auf der Lippe, der Nest heiße Schweigen,
denn Schweigen ist die Lection für Könige. Nur der Bischof glaubte bei aller
Achtung für den Landeshauptmann diesem Nachklang zur vorjährigen Adreß-
Verhandlung nicht beistimmen zu können, denn sein Stillschweigen wäre nach¬
trägliche Billigung. Die Angriffe auf das Concordat wollten ihm nicht aus
dem Sinne. Aber auch diesmal war davon wieder die Rede. Als nämlich
hervorkam, daß der gnädige Fürstbischof von Brixen den Antrag seines Suffra-
gans in Vorarlberg, wornach den Gemeinden auf die Verwaltung des Kirchen-
Vermögens einiger Einfluß gewährt werden sollte, mit einem non xossumus
beantwortet, bemerkte Seyffertitz, daß auch das Concordat, obschon ein "Ausfluß
göttlicher Eingebung", unter den hochgestellten Kirchenfürsten eine sehr ver¬
schiedenartige Deutung erfahre; er bedaure nur, daß Se. Excellenz der Staats¬
minister nicht in die Lage gekommen, wie im Mttelalter das Städtchen Bre-
genz mit Knappen und Reisigen zu berennen und den trotzigen Bürgern das
Kirchengut abzuzwingen.

Dem Ministerium der "freien Bahn" sah man überhaupt scharf hinter die
Karte. Es hatte eine im Vorjahre beantragte Abänderung der Landtagswahl¬
ordnung verworfen, die lücksichtlich der Ausschließung von den Wahlen dieselben


führte auf das Schicksal der Adresse. Bei der Stelle, wo das Bedauern über
deren nicht erfolgte Annahme ausgedrückt wurde, erhob sich die Versammlung
unaufgefordert von den Sitzen. Ganahl bemerkte hierzu, der Landtag habe
hierdurch kundgegeben, daß er noch festhalte an den Gesinnungen, denen die
Adresse Ausdruck gegeben, leider seien die dort angedeuteten Gefahren zur
traurigen That geworden. Hierbei müsse er noch eines anderen Actes erwähnen,
nämlich der türkisch-belcredischen Maßregelung des Landeshauptmanns, die nicht
blos in Vorarlberg, sondern in ganz Oestreich bitter getadelt worden. Wieder¬
holt habe der Sistirungsminister schon in den letzten Zügen gelegen, nun hoffe
er dennoch, daß es ihm wie einem Lungensüchtigen im letzten Stadium ergehe,
dem im Augenblicke neuer Hoffnung Plötzlich die Lebenswerkzeuge den Dienst
versagen. Dieses Gefühl des Unmuths betonte auch trotz wiederholter Ein¬
sprache des Landeshauptmanns das mittlerweile neu eingetretene Mitglied
Dr. Jussel. Der Landeshauptmann gehöre dem Lande an. Diesem habe das
Verkennen seines redlichen Wirkens wehe gethan, nicht auf offenem, geradem,
ehrlichem Wege, nur durch im Finstern waltende Mächte sei dies möglich ge¬
worden. Dem Redner selbst bleibe nur der Trost, daß das Recht doch noch zu
Ehren kommen werde. Und als nun der Regierungscommissär die erfolgte
Pensionirung auf diese schiefe Stellung schreiben wollte, in die Froschauer als
k. k. Stalthaltcreirath gekommen, warf ihm Freiherr v. Seyffertitz die Worte
Jakobis hin: „Dies ist eben das Unglück der Könige, daß sie nicht hören
wollen." Wenn das Schicksal Oestreichs vor den Augen seines Geistes vor¬
überziehe, ersterbe ihm das Wort auf der Lippe, der Nest heiße Schweigen,
denn Schweigen ist die Lection für Könige. Nur der Bischof glaubte bei aller
Achtung für den Landeshauptmann diesem Nachklang zur vorjährigen Adreß-
Verhandlung nicht beistimmen zu können, denn sein Stillschweigen wäre nach¬
trägliche Billigung. Die Angriffe auf das Concordat wollten ihm nicht aus
dem Sinne. Aber auch diesmal war davon wieder die Rede. Als nämlich
hervorkam, daß der gnädige Fürstbischof von Brixen den Antrag seines Suffra-
gans in Vorarlberg, wornach den Gemeinden auf die Verwaltung des Kirchen-
Vermögens einiger Einfluß gewährt werden sollte, mit einem non xossumus
beantwortet, bemerkte Seyffertitz, daß auch das Concordat, obschon ein „Ausfluß
göttlicher Eingebung", unter den hochgestellten Kirchenfürsten eine sehr ver¬
schiedenartige Deutung erfahre; er bedaure nur, daß Se. Excellenz der Staats¬
minister nicht in die Lage gekommen, wie im Mttelalter das Städtchen Bre-
genz mit Knappen und Reisigen zu berennen und den trotzigen Bürgern das
Kirchengut abzuzwingen.

Dem Ministerium der „freien Bahn" sah man überhaupt scharf hinter die
Karte. Es hatte eine im Vorjahre beantragte Abänderung der Landtagswahl¬
ordnung verworfen, die lücksichtlich der Ausschließung von den Wahlen dieselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/385>, abgerufen am 02.10.2024.