Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Orten die Begeisterung für das Wirken des Landtags. Dieser Aeußerung des
Volkswillens glaubte man in Wien nicht nachdrücklich genug entgegentreten zu
können. Auf hohen Befehl erging von der innsbrucker Statthalterei ein strenges
Verbot solcher politischen Agitation, das den Gemeindevorständen, die' noch
so hochverräterischer Gelüste verdächtig waren, von den Bezirksvorstehern vor-
gelesen werden mußte. Gegen die Versasser-und Unterzeichner der an den
Landtag schon abgegangenen Zuschriften wurde aber das strafrechtliche Ver¬
fahren wegen Störung der öffentlichen Ruhe eingeleitet. Am nachhaltigsten
ging man diesfalls der Gemeinde Haardt zu Leibe, die ihrem Unwillen gegen
den Vcrfassungsbruch den schärfsten Ausdruck gegeben. Nachdem man die
wackern Leute drei Monate lang herumgeschleppt, fand man es schließlich doch
für klüger vom Strafverfahren abzulassen unter dem Vorwande, daß zwar der
objective Thatbestand des Verbrechens, aber nicht die böse Absicht erwiesen sei.
Die Freiheit, die man den Völkern Oestreichs zugedacht, trat immer klarer
zu Tage.

Die Vorarlberger hatten für diese Zeichen der Zeit ein gutes Verständniß
und brachten beim nächsten am 19. November 1866 eröffneten Landtag einen
Antrag auf geheime Abstimmung bei allen Landtags- und Gemeindewahlen ein.
Der landesfürstliche Commissär, diesmal ein schon durch zwei Orden ausgezeich¬
neter Volk'smann, der k. k. Statthaltercirath Anton Ritter v. Streke. meinte
zwar, die Regierung dürfte sich schwer entschließen, vom einmal angenommenen
Princip der Oeffentlichkeit abzugehen, und die Ultramontanen, denen schlichte
Offenheit bekanntlich über alles geht, hielten treu zu ihm, ja selbst ein Liberaler
ließ sich vom Scheine berücken, allein Baron Sehffertitz trat der idealen Auf¬
fassung mit dem Spiegel der Wirklichkeit entgegen. Ehrenwerthe Leute hätten
ihm ihr Leid geklagt, daß sie ihr Wahlrecht nicht ausüben könnten, weil sie zu
abhängig seien, darum wollten sie lieber gar nicht wählen. Er hätte sich nie
gescheut, der Wahrheit öffentlich Zeugniß zu geben, aber der Leute, die sich einer
freien Stellung in der Gesellschaft erfreuten, gebe es nicht viele. Wenn die
Krone dem Principe der geheimen Abstimmung nicht huldige, wisse man eben,
woran man sei, und der Grund, daß die weniger politisch gebildeten Völker
im Osten öffentliche Abstimmung nicht verworfen, spreche zu Gunsten der weiter
vorangeschrittenen Vorarlberger. Ganahl erläuterte die Sachlage noch mit
einigen Beispielen und stellte die Frage, ob wohl Gevatter Schneider und
Schuster, wenn sie die Einbuße einer Kundschaft befürchten, ob die Lehrer. Orga¬
nisten und Küster nach ihrer inneren Ueberzeugung stimmen, insofern es öffent¬
lich geschehe; der wahre Volkswille werde unter den gegenwärtigen Umständen
nur durch die geheime Abstimmung ausgedrückt. Dieser Ansicht pflichteten auch
Blatt, Wohlwend und die Majorität bei.

Der Rechenschaftsbericht über die vom Laudcsansschuß besorgten Geschäfte


Orten die Begeisterung für das Wirken des Landtags. Dieser Aeußerung des
Volkswillens glaubte man in Wien nicht nachdrücklich genug entgegentreten zu
können. Auf hohen Befehl erging von der innsbrucker Statthalterei ein strenges
Verbot solcher politischen Agitation, das den Gemeindevorständen, die' noch
so hochverräterischer Gelüste verdächtig waren, von den Bezirksvorstehern vor-
gelesen werden mußte. Gegen die Versasser-und Unterzeichner der an den
Landtag schon abgegangenen Zuschriften wurde aber das strafrechtliche Ver¬
fahren wegen Störung der öffentlichen Ruhe eingeleitet. Am nachhaltigsten
ging man diesfalls der Gemeinde Haardt zu Leibe, die ihrem Unwillen gegen
den Vcrfassungsbruch den schärfsten Ausdruck gegeben. Nachdem man die
wackern Leute drei Monate lang herumgeschleppt, fand man es schließlich doch
für klüger vom Strafverfahren abzulassen unter dem Vorwande, daß zwar der
objective Thatbestand des Verbrechens, aber nicht die böse Absicht erwiesen sei.
Die Freiheit, die man den Völkern Oestreichs zugedacht, trat immer klarer
zu Tage.

Die Vorarlberger hatten für diese Zeichen der Zeit ein gutes Verständniß
und brachten beim nächsten am 19. November 1866 eröffneten Landtag einen
Antrag auf geheime Abstimmung bei allen Landtags- und Gemeindewahlen ein.
Der landesfürstliche Commissär, diesmal ein schon durch zwei Orden ausgezeich¬
neter Volk'smann, der k. k. Statthaltercirath Anton Ritter v. Streke. meinte
zwar, die Regierung dürfte sich schwer entschließen, vom einmal angenommenen
Princip der Oeffentlichkeit abzugehen, und die Ultramontanen, denen schlichte
Offenheit bekanntlich über alles geht, hielten treu zu ihm, ja selbst ein Liberaler
ließ sich vom Scheine berücken, allein Baron Sehffertitz trat der idealen Auf¬
fassung mit dem Spiegel der Wirklichkeit entgegen. Ehrenwerthe Leute hätten
ihm ihr Leid geklagt, daß sie ihr Wahlrecht nicht ausüben könnten, weil sie zu
abhängig seien, darum wollten sie lieber gar nicht wählen. Er hätte sich nie
gescheut, der Wahrheit öffentlich Zeugniß zu geben, aber der Leute, die sich einer
freien Stellung in der Gesellschaft erfreuten, gebe es nicht viele. Wenn die
Krone dem Principe der geheimen Abstimmung nicht huldige, wisse man eben,
woran man sei, und der Grund, daß die weniger politisch gebildeten Völker
im Osten öffentliche Abstimmung nicht verworfen, spreche zu Gunsten der weiter
vorangeschrittenen Vorarlberger. Ganahl erläuterte die Sachlage noch mit
einigen Beispielen und stellte die Frage, ob wohl Gevatter Schneider und
Schuster, wenn sie die Einbuße einer Kundschaft befürchten, ob die Lehrer. Orga¬
nisten und Küster nach ihrer inneren Ueberzeugung stimmen, insofern es öffent¬
lich geschehe; der wahre Volkswille werde unter den gegenwärtigen Umständen
nur durch die geheime Abstimmung ausgedrückt. Dieser Ansicht pflichteten auch
Blatt, Wohlwend und die Majorität bei.

Der Rechenschaftsbericht über die vom Laudcsansschuß besorgten Geschäfte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191078"/>
          <p xml:id="ID_1300" prev="#ID_1299"> Orten die Begeisterung für das Wirken des Landtags. Dieser Aeußerung des<lb/>
Volkswillens glaubte man in Wien nicht nachdrücklich genug entgegentreten zu<lb/>
können. Auf hohen Befehl erging von der innsbrucker Statthalterei ein strenges<lb/>
Verbot solcher politischen Agitation, das den Gemeindevorständen, die' noch<lb/>
so hochverräterischer Gelüste verdächtig waren, von den Bezirksvorstehern vor-<lb/>
gelesen werden mußte. Gegen die Versasser-und Unterzeichner der an den<lb/>
Landtag schon abgegangenen Zuschriften wurde aber das strafrechtliche Ver¬<lb/>
fahren wegen Störung der öffentlichen Ruhe eingeleitet. Am nachhaltigsten<lb/>
ging man diesfalls der Gemeinde Haardt zu Leibe, die ihrem Unwillen gegen<lb/>
den Vcrfassungsbruch den schärfsten Ausdruck gegeben. Nachdem man die<lb/>
wackern Leute drei Monate lang herumgeschleppt, fand man es schließlich doch<lb/>
für klüger vom Strafverfahren abzulassen unter dem Vorwande, daß zwar der<lb/>
objective Thatbestand des Verbrechens, aber nicht die böse Absicht erwiesen sei.<lb/>
Die Freiheit, die man den Völkern Oestreichs zugedacht, trat immer klarer<lb/>
zu Tage.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1301"> Die Vorarlberger hatten für diese Zeichen der Zeit ein gutes Verständniß<lb/>
und brachten beim nächsten am 19. November 1866 eröffneten Landtag einen<lb/>
Antrag auf geheime Abstimmung bei allen Landtags- und Gemeindewahlen ein.<lb/>
Der landesfürstliche Commissär, diesmal ein schon durch zwei Orden ausgezeich¬<lb/>
neter Volk'smann, der k. k. Statthaltercirath Anton Ritter v. Streke. meinte<lb/>
zwar, die Regierung dürfte sich schwer entschließen, vom einmal angenommenen<lb/>
Princip der Oeffentlichkeit abzugehen, und die Ultramontanen, denen schlichte<lb/>
Offenheit bekanntlich über alles geht, hielten treu zu ihm, ja selbst ein Liberaler<lb/>
ließ sich vom Scheine berücken, allein Baron Sehffertitz trat der idealen Auf¬<lb/>
fassung mit dem Spiegel der Wirklichkeit entgegen. Ehrenwerthe Leute hätten<lb/>
ihm ihr Leid geklagt, daß sie ihr Wahlrecht nicht ausüben könnten, weil sie zu<lb/>
abhängig seien, darum wollten sie lieber gar nicht wählen. Er hätte sich nie<lb/>
gescheut, der Wahrheit öffentlich Zeugniß zu geben, aber der Leute, die sich einer<lb/>
freien Stellung in der Gesellschaft erfreuten, gebe es nicht viele. Wenn die<lb/>
Krone dem Principe der geheimen Abstimmung nicht huldige, wisse man eben,<lb/>
woran man sei, und der Grund, daß die weniger politisch gebildeten Völker<lb/>
im Osten öffentliche Abstimmung nicht verworfen, spreche zu Gunsten der weiter<lb/>
vorangeschrittenen Vorarlberger. Ganahl erläuterte die Sachlage noch mit<lb/>
einigen Beispielen und stellte die Frage, ob wohl Gevatter Schneider und<lb/>
Schuster, wenn sie die Einbuße einer Kundschaft befürchten, ob die Lehrer. Orga¬<lb/>
nisten und Küster nach ihrer inneren Ueberzeugung stimmen, insofern es öffent¬<lb/>
lich geschehe; der wahre Volkswille werde unter den gegenwärtigen Umständen<lb/>
nur durch die geheime Abstimmung ausgedrückt. Dieser Ansicht pflichteten auch<lb/>
Blatt, Wohlwend und die Majorität bei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1302" next="#ID_1303"> Der Rechenschaftsbericht über die vom Laudcsansschuß besorgten Geschäfte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0384] Orten die Begeisterung für das Wirken des Landtags. Dieser Aeußerung des Volkswillens glaubte man in Wien nicht nachdrücklich genug entgegentreten zu können. Auf hohen Befehl erging von der innsbrucker Statthalterei ein strenges Verbot solcher politischen Agitation, das den Gemeindevorständen, die' noch so hochverräterischer Gelüste verdächtig waren, von den Bezirksvorstehern vor- gelesen werden mußte. Gegen die Versasser-und Unterzeichner der an den Landtag schon abgegangenen Zuschriften wurde aber das strafrechtliche Ver¬ fahren wegen Störung der öffentlichen Ruhe eingeleitet. Am nachhaltigsten ging man diesfalls der Gemeinde Haardt zu Leibe, die ihrem Unwillen gegen den Vcrfassungsbruch den schärfsten Ausdruck gegeben. Nachdem man die wackern Leute drei Monate lang herumgeschleppt, fand man es schließlich doch für klüger vom Strafverfahren abzulassen unter dem Vorwande, daß zwar der objective Thatbestand des Verbrechens, aber nicht die böse Absicht erwiesen sei. Die Freiheit, die man den Völkern Oestreichs zugedacht, trat immer klarer zu Tage. Die Vorarlberger hatten für diese Zeichen der Zeit ein gutes Verständniß und brachten beim nächsten am 19. November 1866 eröffneten Landtag einen Antrag auf geheime Abstimmung bei allen Landtags- und Gemeindewahlen ein. Der landesfürstliche Commissär, diesmal ein schon durch zwei Orden ausgezeich¬ neter Volk'smann, der k. k. Statthaltercirath Anton Ritter v. Streke. meinte zwar, die Regierung dürfte sich schwer entschließen, vom einmal angenommenen Princip der Oeffentlichkeit abzugehen, und die Ultramontanen, denen schlichte Offenheit bekanntlich über alles geht, hielten treu zu ihm, ja selbst ein Liberaler ließ sich vom Scheine berücken, allein Baron Sehffertitz trat der idealen Auf¬ fassung mit dem Spiegel der Wirklichkeit entgegen. Ehrenwerthe Leute hätten ihm ihr Leid geklagt, daß sie ihr Wahlrecht nicht ausüben könnten, weil sie zu abhängig seien, darum wollten sie lieber gar nicht wählen. Er hätte sich nie gescheut, der Wahrheit öffentlich Zeugniß zu geben, aber der Leute, die sich einer freien Stellung in der Gesellschaft erfreuten, gebe es nicht viele. Wenn die Krone dem Principe der geheimen Abstimmung nicht huldige, wisse man eben, woran man sei, und der Grund, daß die weniger politisch gebildeten Völker im Osten öffentliche Abstimmung nicht verworfen, spreche zu Gunsten der weiter vorangeschrittenen Vorarlberger. Ganahl erläuterte die Sachlage noch mit einigen Beispielen und stellte die Frage, ob wohl Gevatter Schneider und Schuster, wenn sie die Einbuße einer Kundschaft befürchten, ob die Lehrer. Orga¬ nisten und Küster nach ihrer inneren Ueberzeugung stimmen, insofern es öffent¬ lich geschehe; der wahre Volkswille werde unter den gegenwärtigen Umständen nur durch die geheime Abstimmung ausgedrückt. Dieser Ansicht pflichteten auch Blatt, Wohlwend und die Majorität bei. Der Rechenschaftsbericht über die vom Laudcsansschuß besorgten Geschäfte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/384
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/384>, abgerufen am 24.08.2024.