Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

legenden auszeichnen. Es handelte sich um Stipendien für Lehramtscandidaten.
Der dafür niedergesetzte Ausschuß hatte es darauf abgesehen, die Schule von
den Fesseln, die sie bisher hemmten, zu befreien und wollte der Gemeinde einen
entscheidenden Einfluß auf die Volksbildung einräumen. Dagegen erhob sich
der fromme Bischof und verwahrte sich gegen jede Neuerung, welche die gött¬
liche Mission der katholischen Kirche zum Unterricht der Jugend irgendwie
schmälern könnte. Was helfe alle bürgerliche Tüchtigkeit, Kunst und Wissen-
schaft, wenn sie nicht auf das eigene und fremde Heil angewendet werde? Und
wieder war es der rücksichtslose Karl Ganahl, der die nackte Wahrheit aufdeckte.
An der Thatsache, daß die Kinder in der Volksschule nicht einmal das Noth¬
wendigste lernen, trage vorzüglich der überwiegende kirchliche Einfluß Schuld.
Das Hinderniß, das der Entwickelung der Bildung entgegenstehe, sei einer jener
Krebsschäden, die zur Misere unsrer Zustände so wesentlich beitragen, das Con-
cordat. Das trieb dem eifrigen Seelenhirten die volle Gluth ins Antlitz. "Ich
Protestire feierlich," rief er seiner selbst kaum mächtig auf den Tisch schlagend,
"gegen diese dem Concordat zugefügte Schmach und fordere alle treuen Katho¬
liken auf sich meinem Proteste anzuschließen." Und als sich niemand zu seiner
Unterstützung erheben wollte, heizte er sich von Schmerz überwältigt mit den
Worten nieder: "Da hat mans!" -- Die empfangene Lehre wirkte nachhaltig, er
wußte nun, wie er daran war.

Noch in der letzten Sitzung bon 30. December lief eine Zuschrift der Ge¬
meinde Rankweil an den Landtag ein, die ihm für seine freimüthige Haltung
in der brennenden Frage des Gcsammtvaterlandcs dankte, und kurz nachher
erhob sich ein wahrer Sturm von Zustimmungsadrcssen. Der Eifer dafür
steigerte sich durch die in Wien gezimmerten Schmähartikel, die im amtlichen
"Tiroler Boten" erschienen, mit jedem Tage. Schon hatten sich drei Städte,
drei Märkte und sechs wohlhabende Dorfgemeinden der Bewegung angeschlossen,
als plötzlich verlautete, daß die Annahme der Adresse vom Kaiser zurückgewiesen
und der Landeshauptmann v. Froschauer, der schon nahe daran war seine
vierzigjährige Dienstzeit zu vollenden, in seiner Eigenschaft als Statthalterci-
rath mit blos zwei Dritteln seines Gehaltes pensionirt sei. Als Grund dafür
galt die Gestaltung der Redefreiheit, wodurch man den Faiseurs in Wien,
namentlich jenem Bernhard Ritter v. Meyer, zu nahe getreten, und die Zulas¬
sung der Abstimmung über die Adresse. Die Vorarlbergs antworteten aus
diese Maßregelungen damit, daß sie zur Ergänzung der Pension ihres Landes¬
hauptmannes die Zinsen von 17,500 Gulden bestimmten, und diese in öst¬
reichischen fünfprocentigen Staatspapieren bei der deutsch-schweizerischen Credit¬
anstalt in Se. Gallen depvnirten. Doch Froschauer wollte für seine Aufopfe¬
rung nicht durch materielle Vortheile belohnt sein und keine Entschädigung an¬
nehmen, es kam also wieder davon ab, um so eifriger regte sich aber aller


48"

legenden auszeichnen. Es handelte sich um Stipendien für Lehramtscandidaten.
Der dafür niedergesetzte Ausschuß hatte es darauf abgesehen, die Schule von
den Fesseln, die sie bisher hemmten, zu befreien und wollte der Gemeinde einen
entscheidenden Einfluß auf die Volksbildung einräumen. Dagegen erhob sich
der fromme Bischof und verwahrte sich gegen jede Neuerung, welche die gött¬
liche Mission der katholischen Kirche zum Unterricht der Jugend irgendwie
schmälern könnte. Was helfe alle bürgerliche Tüchtigkeit, Kunst und Wissen-
schaft, wenn sie nicht auf das eigene und fremde Heil angewendet werde? Und
wieder war es der rücksichtslose Karl Ganahl, der die nackte Wahrheit aufdeckte.
An der Thatsache, daß die Kinder in der Volksschule nicht einmal das Noth¬
wendigste lernen, trage vorzüglich der überwiegende kirchliche Einfluß Schuld.
Das Hinderniß, das der Entwickelung der Bildung entgegenstehe, sei einer jener
Krebsschäden, die zur Misere unsrer Zustände so wesentlich beitragen, das Con-
cordat. Das trieb dem eifrigen Seelenhirten die volle Gluth ins Antlitz. „Ich
Protestire feierlich," rief er seiner selbst kaum mächtig auf den Tisch schlagend,
„gegen diese dem Concordat zugefügte Schmach und fordere alle treuen Katho¬
liken auf sich meinem Proteste anzuschließen." Und als sich niemand zu seiner
Unterstützung erheben wollte, heizte er sich von Schmerz überwältigt mit den
Worten nieder: „Da hat mans!" — Die empfangene Lehre wirkte nachhaltig, er
wußte nun, wie er daran war.

Noch in der letzten Sitzung bon 30. December lief eine Zuschrift der Ge¬
meinde Rankweil an den Landtag ein, die ihm für seine freimüthige Haltung
in der brennenden Frage des Gcsammtvaterlandcs dankte, und kurz nachher
erhob sich ein wahrer Sturm von Zustimmungsadrcssen. Der Eifer dafür
steigerte sich durch die in Wien gezimmerten Schmähartikel, die im amtlichen
„Tiroler Boten" erschienen, mit jedem Tage. Schon hatten sich drei Städte,
drei Märkte und sechs wohlhabende Dorfgemeinden der Bewegung angeschlossen,
als plötzlich verlautete, daß die Annahme der Adresse vom Kaiser zurückgewiesen
und der Landeshauptmann v. Froschauer, der schon nahe daran war seine
vierzigjährige Dienstzeit zu vollenden, in seiner Eigenschaft als Statthalterci-
rath mit blos zwei Dritteln seines Gehaltes pensionirt sei. Als Grund dafür
galt die Gestaltung der Redefreiheit, wodurch man den Faiseurs in Wien,
namentlich jenem Bernhard Ritter v. Meyer, zu nahe getreten, und die Zulas¬
sung der Abstimmung über die Adresse. Die Vorarlbergs antworteten aus
diese Maßregelungen damit, daß sie zur Ergänzung der Pension ihres Landes¬
hauptmannes die Zinsen von 17,500 Gulden bestimmten, und diese in öst¬
reichischen fünfprocentigen Staatspapieren bei der deutsch-schweizerischen Credit¬
anstalt in Se. Gallen depvnirten. Doch Froschauer wollte für seine Aufopfe¬
rung nicht durch materielle Vortheile belohnt sein und keine Entschädigung an¬
nehmen, es kam also wieder davon ab, um so eifriger regte sich aber aller


48"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191077"/>
          <p xml:id="ID_1298" prev="#ID_1297"> legenden auszeichnen. Es handelte sich um Stipendien für Lehramtscandidaten.<lb/>
Der dafür niedergesetzte Ausschuß hatte es darauf abgesehen, die Schule von<lb/>
den Fesseln, die sie bisher hemmten, zu befreien und wollte der Gemeinde einen<lb/>
entscheidenden Einfluß auf die Volksbildung einräumen. Dagegen erhob sich<lb/>
der fromme Bischof und verwahrte sich gegen jede Neuerung, welche die gött¬<lb/>
liche Mission der katholischen Kirche zum Unterricht der Jugend irgendwie<lb/>
schmälern könnte. Was helfe alle bürgerliche Tüchtigkeit, Kunst und Wissen-<lb/>
schaft, wenn sie nicht auf das eigene und fremde Heil angewendet werde? Und<lb/>
wieder war es der rücksichtslose Karl Ganahl, der die nackte Wahrheit aufdeckte.<lb/>
An der Thatsache, daß die Kinder in der Volksschule nicht einmal das Noth¬<lb/>
wendigste lernen, trage vorzüglich der überwiegende kirchliche Einfluß Schuld.<lb/>
Das Hinderniß, das der Entwickelung der Bildung entgegenstehe, sei einer jener<lb/>
Krebsschäden, die zur Misere unsrer Zustände so wesentlich beitragen, das Con-<lb/>
cordat. Das trieb dem eifrigen Seelenhirten die volle Gluth ins Antlitz. &#x201E;Ich<lb/>
Protestire feierlich," rief er seiner selbst kaum mächtig auf den Tisch schlagend,<lb/>
&#x201E;gegen diese dem Concordat zugefügte Schmach und fordere alle treuen Katho¬<lb/>
liken auf sich meinem Proteste anzuschließen." Und als sich niemand zu seiner<lb/>
Unterstützung erheben wollte, heizte er sich von Schmerz überwältigt mit den<lb/>
Worten nieder: &#x201E;Da hat mans!" &#x2014; Die empfangene Lehre wirkte nachhaltig, er<lb/>
wußte nun, wie er daran war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1299" next="#ID_1300"> Noch in der letzten Sitzung bon 30. December lief eine Zuschrift der Ge¬<lb/>
meinde Rankweil an den Landtag ein, die ihm für seine freimüthige Haltung<lb/>
in der brennenden Frage des Gcsammtvaterlandcs dankte, und kurz nachher<lb/>
erhob sich ein wahrer Sturm von Zustimmungsadrcssen. Der Eifer dafür<lb/>
steigerte sich durch die in Wien gezimmerten Schmähartikel, die im amtlichen<lb/>
&#x201E;Tiroler Boten" erschienen, mit jedem Tage. Schon hatten sich drei Städte,<lb/>
drei Märkte und sechs wohlhabende Dorfgemeinden der Bewegung angeschlossen,<lb/>
als plötzlich verlautete, daß die Annahme der Adresse vom Kaiser zurückgewiesen<lb/>
und der Landeshauptmann v. Froschauer, der schon nahe daran war seine<lb/>
vierzigjährige Dienstzeit zu vollenden, in seiner Eigenschaft als Statthalterci-<lb/>
rath mit blos zwei Dritteln seines Gehaltes pensionirt sei. Als Grund dafür<lb/>
galt die Gestaltung der Redefreiheit, wodurch man den Faiseurs in Wien,<lb/>
namentlich jenem Bernhard Ritter v. Meyer, zu nahe getreten, und die Zulas¬<lb/>
sung der Abstimmung über die Adresse. Die Vorarlbergs antworteten aus<lb/>
diese Maßregelungen damit, daß sie zur Ergänzung der Pension ihres Landes¬<lb/>
hauptmannes die Zinsen von 17,500 Gulden bestimmten, und diese in öst¬<lb/>
reichischen fünfprocentigen Staatspapieren bei der deutsch-schweizerischen Credit¬<lb/>
anstalt in Se. Gallen depvnirten. Doch Froschauer wollte für seine Aufopfe¬<lb/>
rung nicht durch materielle Vortheile belohnt sein und keine Entschädigung an¬<lb/>
nehmen, es kam also wieder davon ab, um so eifriger regte sich aber aller</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 48"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0383] legenden auszeichnen. Es handelte sich um Stipendien für Lehramtscandidaten. Der dafür niedergesetzte Ausschuß hatte es darauf abgesehen, die Schule von den Fesseln, die sie bisher hemmten, zu befreien und wollte der Gemeinde einen entscheidenden Einfluß auf die Volksbildung einräumen. Dagegen erhob sich der fromme Bischof und verwahrte sich gegen jede Neuerung, welche die gött¬ liche Mission der katholischen Kirche zum Unterricht der Jugend irgendwie schmälern könnte. Was helfe alle bürgerliche Tüchtigkeit, Kunst und Wissen- schaft, wenn sie nicht auf das eigene und fremde Heil angewendet werde? Und wieder war es der rücksichtslose Karl Ganahl, der die nackte Wahrheit aufdeckte. An der Thatsache, daß die Kinder in der Volksschule nicht einmal das Noth¬ wendigste lernen, trage vorzüglich der überwiegende kirchliche Einfluß Schuld. Das Hinderniß, das der Entwickelung der Bildung entgegenstehe, sei einer jener Krebsschäden, die zur Misere unsrer Zustände so wesentlich beitragen, das Con- cordat. Das trieb dem eifrigen Seelenhirten die volle Gluth ins Antlitz. „Ich Protestire feierlich," rief er seiner selbst kaum mächtig auf den Tisch schlagend, „gegen diese dem Concordat zugefügte Schmach und fordere alle treuen Katho¬ liken auf sich meinem Proteste anzuschließen." Und als sich niemand zu seiner Unterstützung erheben wollte, heizte er sich von Schmerz überwältigt mit den Worten nieder: „Da hat mans!" — Die empfangene Lehre wirkte nachhaltig, er wußte nun, wie er daran war. Noch in der letzten Sitzung bon 30. December lief eine Zuschrift der Ge¬ meinde Rankweil an den Landtag ein, die ihm für seine freimüthige Haltung in der brennenden Frage des Gcsammtvaterlandcs dankte, und kurz nachher erhob sich ein wahrer Sturm von Zustimmungsadrcssen. Der Eifer dafür steigerte sich durch die in Wien gezimmerten Schmähartikel, die im amtlichen „Tiroler Boten" erschienen, mit jedem Tage. Schon hatten sich drei Städte, drei Märkte und sechs wohlhabende Dorfgemeinden der Bewegung angeschlossen, als plötzlich verlautete, daß die Annahme der Adresse vom Kaiser zurückgewiesen und der Landeshauptmann v. Froschauer, der schon nahe daran war seine vierzigjährige Dienstzeit zu vollenden, in seiner Eigenschaft als Statthalterci- rath mit blos zwei Dritteln seines Gehaltes pensionirt sei. Als Grund dafür galt die Gestaltung der Redefreiheit, wodurch man den Faiseurs in Wien, namentlich jenem Bernhard Ritter v. Meyer, zu nahe getreten, und die Zulas¬ sung der Abstimmung über die Adresse. Die Vorarlbergs antworteten aus diese Maßregelungen damit, daß sie zur Ergänzung der Pension ihres Landes¬ hauptmannes die Zinsen von 17,500 Gulden bestimmten, und diese in öst¬ reichischen fünfprocentigen Staatspapieren bei der deutsch-schweizerischen Credit¬ anstalt in Se. Gallen depvnirten. Doch Froschauer wollte für seine Aufopfe¬ rung nicht durch materielle Vortheile belohnt sein und keine Entschädigung an¬ nehmen, es kam also wieder davon ab, um so eifriger regte sich aber aller 48"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/383
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/383>, abgerufen am 24.08.2024.