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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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die mit den Grundfäden vom 26. Februar gegebene Gesammtverfassung gegen
jeden Angriff zu schützen, nur einiger Eljens hätte es bedurft einen System¬
wechsel zu verkünden. Das Actenstück, das die neue Aera einleite, sei neben
den Ministern auch von einem Manne gezeichnet, der zur Zeit des Sonder¬
bundes den Bürgerkrieg geschürt und deshalb in der Schweiz zum Tode ver¬
urtheilt worden. Dort kenne man ihn unter einem Scheltnamen, in Wien
heiße er Bernhard Ritter v. Meyer und werde zweifelsohne demnächst baronisirt
werden. Es sei dies ein Zeichen, wie aufrichtig man es mit dem Fortschritte
meine, denn der Umgang spreche nach einem alten Sprichworte auch für den
eigenen Charakter. Wie man für die Volkswirtschaft besorgt sei, zeige der
Handelsvertrag mit England, dem dabei der Löwenantheil zugedacht sei. Ein
Verwandter des Handelsministers habe dessen baldigen Abschluß schon tele¬
graphisch nach Manchester gemeldet; englische Pfunde wiegen schwer. Mit Recht
hätte jener Metz aus Darmstadt am Schützenfeste zu Frankfurt die Oestreich"
Schmerzenskinder genannt, nun seien sie es noch weit mehr. Als guter Patriot
rufe er: Das Baterland ist in Gefahr!

Dagegen fand Rhomberg ganz im Sinne der Negierung das Februarpatent
unausführbar, die Reichsvertretung, in so lange sie unvollständig, noch rechts-
ungiltig und ihre Sistirung nothwendig. Auch der Bischof glaubte mit ruhigem
Gewissen der Adresse angesichts ihrer Begründung nicht beistimmen zu tonnen.
Vom Gefühle seiner Pflicht durchdrungen, gab nun Freiherr v. Seyffertitz seine
Studien über die Lage. Der Vertreter des Volkes dürfe nicht schweigen, wo
es sich um deren heiligste Interessen handle. Die dynastischen Bestrebungen
hätten aus Oestreich kein Ganzes, die pragmatische Sanction, das Manifest
Kaiser Franz des Ersten vom Jahre 1804 keinen Staat im realen Sinne des
Wortes geschaffen, das Kaiserthum wäre trotzdem nur ein geographischer Be¬
griff geblieben. Auch der Völkersturm im Jahre 1848 hätte es nicht besser
geeinigt. Der Reichstag sei wesenlos in den Sand verronnen und das unga¬
rische Parlament habe durch den selbstmörderischen Beschluß, womit es die
Dynastie der Krone verlustig erklärte, seine Constitution vernichtet, allein
wenn auch die ganze absolute Machtfülle hierdurch zum Herrscher zurück¬
gekehrt, vermöge sich doch der öffentlichen Meinung von ganz Europa gegenüber
ein Staat auf der bloßen Grundlage des Absolutismus nicht zu halten, er
gleiche einer auf die Spitze gestellten Pyramide. "Auf Bajonnete kann man
sich zwar stützen, aber sich nicht darauf setzen." Dieser Ansicht verdanke die
octroyirte Verfassung von 1849 ihren Ursprung. Einmal gegeben konnte sie
nur in Uebereinstimmung mit dem Volke zurückgenommen werden, gleichwohl
geschah dies am 31. December 1881 aus unbekannten Gründen. Der nun
thatsächlich gewordene Absolutismus habe kein lebensfähiges Kind erzeugt, "pro¬
visorisch" stehe mit glühendem Nachesinger jedem der Gesetze der fünfziger


Grenzboten II. 1867, 48

die mit den Grundfäden vom 26. Februar gegebene Gesammtverfassung gegen
jeden Angriff zu schützen, nur einiger Eljens hätte es bedurft einen System¬
wechsel zu verkünden. Das Actenstück, das die neue Aera einleite, sei neben
den Ministern auch von einem Manne gezeichnet, der zur Zeit des Sonder¬
bundes den Bürgerkrieg geschürt und deshalb in der Schweiz zum Tode ver¬
urtheilt worden. Dort kenne man ihn unter einem Scheltnamen, in Wien
heiße er Bernhard Ritter v. Meyer und werde zweifelsohne demnächst baronisirt
werden. Es sei dies ein Zeichen, wie aufrichtig man es mit dem Fortschritte
meine, denn der Umgang spreche nach einem alten Sprichworte auch für den
eigenen Charakter. Wie man für die Volkswirtschaft besorgt sei, zeige der
Handelsvertrag mit England, dem dabei der Löwenantheil zugedacht sei. Ein
Verwandter des Handelsministers habe dessen baldigen Abschluß schon tele¬
graphisch nach Manchester gemeldet; englische Pfunde wiegen schwer. Mit Recht
hätte jener Metz aus Darmstadt am Schützenfeste zu Frankfurt die Oestreich»
Schmerzenskinder genannt, nun seien sie es noch weit mehr. Als guter Patriot
rufe er: Das Baterland ist in Gefahr!

Dagegen fand Rhomberg ganz im Sinne der Negierung das Februarpatent
unausführbar, die Reichsvertretung, in so lange sie unvollständig, noch rechts-
ungiltig und ihre Sistirung nothwendig. Auch der Bischof glaubte mit ruhigem
Gewissen der Adresse angesichts ihrer Begründung nicht beistimmen zu tonnen.
Vom Gefühle seiner Pflicht durchdrungen, gab nun Freiherr v. Seyffertitz seine
Studien über die Lage. Der Vertreter des Volkes dürfe nicht schweigen, wo
es sich um deren heiligste Interessen handle. Die dynastischen Bestrebungen
hätten aus Oestreich kein Ganzes, die pragmatische Sanction, das Manifest
Kaiser Franz des Ersten vom Jahre 1804 keinen Staat im realen Sinne des
Wortes geschaffen, das Kaiserthum wäre trotzdem nur ein geographischer Be¬
griff geblieben. Auch der Völkersturm im Jahre 1848 hätte es nicht besser
geeinigt. Der Reichstag sei wesenlos in den Sand verronnen und das unga¬
rische Parlament habe durch den selbstmörderischen Beschluß, womit es die
Dynastie der Krone verlustig erklärte, seine Constitution vernichtet, allein
wenn auch die ganze absolute Machtfülle hierdurch zum Herrscher zurück¬
gekehrt, vermöge sich doch der öffentlichen Meinung von ganz Europa gegenüber
ein Staat auf der bloßen Grundlage des Absolutismus nicht zu halten, er
gleiche einer auf die Spitze gestellten Pyramide. „Auf Bajonnete kann man
sich zwar stützen, aber sich nicht darauf setzen." Dieser Ansicht verdanke die
octroyirte Verfassung von 1849 ihren Ursprung. Einmal gegeben konnte sie
nur in Uebereinstimmung mit dem Volke zurückgenommen werden, gleichwohl
geschah dies am 31. December 1881 aus unbekannten Gründen. Der nun
thatsächlich gewordene Absolutismus habe kein lebensfähiges Kind erzeugt, „pro¬
visorisch" stehe mit glühendem Nachesinger jedem der Gesetze der fünfziger


Grenzboten II. 1867, 48
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/381>, abgerufen am 02.07.2024.