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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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hörten der Provinzen auf Heranziehung von Arbeitskräften gewirkt zu haben.
Wie gewöhnlich in solchen Fällen erschienen fünf Arbeiter, wo man einen be-
nöthigte, daher statt der erforderlichen 2000 Arbeiter sich 10,000 Männer bei
dem Beginne des Baues der erwähnten Forts meldeten. Die Abgewiesenen
bleiben in der Umgegend und warten, bis auch sie Beschäftigung finden. Schon
ist es zu massenhaften Schlägereien zwischen den deutschen Arbeitern und den
Slowaken gekommen, da letztere sich einer Herabsetzung des Lohnes unterwerfen
wollten. Und noch fortwährend langen täglich Schaaren von czechischen, mäh¬
rischen und slowakischen Arbeitern an, welche alle bei dem Schanzenbaue Be¬
schäftigung zu finden hoffen. So wird ein Zuzug des Proletariats erzeugt,
während es infolge der ungünstigen Verhältnisse in Wien von heimischen
Beschäftigungslosen wimmelt und grade in diesem Momente die zurückgekehrten
me^icanischen Freiwilligen ein ergreifendes Bild menschlichen Elends bieten.
Die Zahl der Bettler hat nach amtlichen Berichten eine erschreckende Höhe
erreicht.

Die Furcht eines großen Theils der Bevölkerung, daß die Stadt selbst
durch diese Befestigungen bedroht werde, ist unbegründet. Theils liegen diese
Forts in zu weiter Entfernung, theils könnte eine etwaige Empörung weit
leichter und einfacher durch einige gezogene Batterien schweren Kalibers, aus
der nächstbesten Höhe aufgepflanzt, bekämpft werden. Ebenso könnten sich die
Befestigungen trotz aller darauf verwandten Kosten gegen einen äußeren Feind
ungenügend erweisen, wenn es im gegebenen Momente an der erforderlichen
wahrhaft ungeheuren Ausrüstung und Mannschaft fehlen sollte, welche diese
Werte nöthig haben. Die rasch vorschreitende Vervollkommnung der Feuer¬
waffen hat es dahin gebracht, daß Festungen, welche nach den vor zwanzig
Jahren geltenden Grundsätzen erbaut wurden, veraltet sind. Derselbe Fall
kann bei den Plätzen, welche jetzt erbaut werden, in noch früherer Zeit ein¬
treten.

Im Jahre 1809, als Wien (die eigentliche Stadt) noch eine guterhaltene
Festung mit Außenwerken und Glacis war, hielt sich dasselbe einen Tag; 1848
wollte man auch die Linienwälle vertheidigen und nach kaum sechsstündiger
Beschießung ans Feldgeschütz drangen die kaiserlichen Truppen auf allen Seiten
ein. Wird eine noch größere Ausdehnung des Vertheidigungskreises die Stadt
in ähnlichem Falle vor dem gleichen Schicksal bewahren?




hörten der Provinzen auf Heranziehung von Arbeitskräften gewirkt zu haben.
Wie gewöhnlich in solchen Fällen erschienen fünf Arbeiter, wo man einen be-
nöthigte, daher statt der erforderlichen 2000 Arbeiter sich 10,000 Männer bei
dem Beginne des Baues der erwähnten Forts meldeten. Die Abgewiesenen
bleiben in der Umgegend und warten, bis auch sie Beschäftigung finden. Schon
ist es zu massenhaften Schlägereien zwischen den deutschen Arbeitern und den
Slowaken gekommen, da letztere sich einer Herabsetzung des Lohnes unterwerfen
wollten. Und noch fortwährend langen täglich Schaaren von czechischen, mäh¬
rischen und slowakischen Arbeitern an, welche alle bei dem Schanzenbaue Be¬
schäftigung zu finden hoffen. So wird ein Zuzug des Proletariats erzeugt,
während es infolge der ungünstigen Verhältnisse in Wien von heimischen
Beschäftigungslosen wimmelt und grade in diesem Momente die zurückgekehrten
me^icanischen Freiwilligen ein ergreifendes Bild menschlichen Elends bieten.
Die Zahl der Bettler hat nach amtlichen Berichten eine erschreckende Höhe
erreicht.

Die Furcht eines großen Theils der Bevölkerung, daß die Stadt selbst
durch diese Befestigungen bedroht werde, ist unbegründet. Theils liegen diese
Forts in zu weiter Entfernung, theils könnte eine etwaige Empörung weit
leichter und einfacher durch einige gezogene Batterien schweren Kalibers, aus
der nächstbesten Höhe aufgepflanzt, bekämpft werden. Ebenso könnten sich die
Befestigungen trotz aller darauf verwandten Kosten gegen einen äußeren Feind
ungenügend erweisen, wenn es im gegebenen Momente an der erforderlichen
wahrhaft ungeheuren Ausrüstung und Mannschaft fehlen sollte, welche diese
Werte nöthig haben. Die rasch vorschreitende Vervollkommnung der Feuer¬
waffen hat es dahin gebracht, daß Festungen, welche nach den vor zwanzig
Jahren geltenden Grundsätzen erbaut wurden, veraltet sind. Derselbe Fall
kann bei den Plätzen, welche jetzt erbaut werden, in noch früherer Zeit ein¬
treten.

Im Jahre 1809, als Wien (die eigentliche Stadt) noch eine guterhaltene
Festung mit Außenwerken und Glacis war, hielt sich dasselbe einen Tag; 1848
wollte man auch die Linienwälle vertheidigen und nach kaum sechsstündiger
Beschießung ans Feldgeschütz drangen die kaiserlichen Truppen auf allen Seiten
ein. Wird eine noch größere Ausdehnung des Vertheidigungskreises die Stadt
in ähnlichem Falle vor dem gleichen Schicksal bewahren?




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[0378] hörten der Provinzen auf Heranziehung von Arbeitskräften gewirkt zu haben. Wie gewöhnlich in solchen Fällen erschienen fünf Arbeiter, wo man einen be- nöthigte, daher statt der erforderlichen 2000 Arbeiter sich 10,000 Männer bei dem Beginne des Baues der erwähnten Forts meldeten. Die Abgewiesenen bleiben in der Umgegend und warten, bis auch sie Beschäftigung finden. Schon ist es zu massenhaften Schlägereien zwischen den deutschen Arbeitern und den Slowaken gekommen, da letztere sich einer Herabsetzung des Lohnes unterwerfen wollten. Und noch fortwährend langen täglich Schaaren von czechischen, mäh¬ rischen und slowakischen Arbeitern an, welche alle bei dem Schanzenbaue Be¬ schäftigung zu finden hoffen. So wird ein Zuzug des Proletariats erzeugt, während es infolge der ungünstigen Verhältnisse in Wien von heimischen Beschäftigungslosen wimmelt und grade in diesem Momente die zurückgekehrten me^icanischen Freiwilligen ein ergreifendes Bild menschlichen Elends bieten. Die Zahl der Bettler hat nach amtlichen Berichten eine erschreckende Höhe erreicht. Die Furcht eines großen Theils der Bevölkerung, daß die Stadt selbst durch diese Befestigungen bedroht werde, ist unbegründet. Theils liegen diese Forts in zu weiter Entfernung, theils könnte eine etwaige Empörung weit leichter und einfacher durch einige gezogene Batterien schweren Kalibers, aus der nächstbesten Höhe aufgepflanzt, bekämpft werden. Ebenso könnten sich die Befestigungen trotz aller darauf verwandten Kosten gegen einen äußeren Feind ungenügend erweisen, wenn es im gegebenen Momente an der erforderlichen wahrhaft ungeheuren Ausrüstung und Mannschaft fehlen sollte, welche diese Werte nöthig haben. Die rasch vorschreitende Vervollkommnung der Feuer¬ waffen hat es dahin gebracht, daß Festungen, welche nach den vor zwanzig Jahren geltenden Grundsätzen erbaut wurden, veraltet sind. Derselbe Fall kann bei den Plätzen, welche jetzt erbaut werden, in noch früherer Zeit ein¬ treten. Im Jahre 1809, als Wien (die eigentliche Stadt) noch eine guterhaltene Festung mit Außenwerken und Glacis war, hielt sich dasselbe einen Tag; 1848 wollte man auch die Linienwälle vertheidigen und nach kaum sechsstündiger Beschießung ans Feldgeschütz drangen die kaiserlichen Truppen auf allen Seiten ein. Wird eine noch größere Ausdehnung des Vertheidigungskreises die Stadt in ähnlichem Falle vor dem gleichen Schicksal bewahren?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/378>, abgerufen am 01.07.2024.