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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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das Arsenal und mehre andere weiter entfernte, jedoch höchst wichtige mili¬
tärische Etablissements, dann die südwestlich gelegenen dicht bevölkerten und
industriereichen Orte Rudolfsheim, Hietzing, Hernald, dann die Sommerresidenz
Schönbrunn und endlich die Bahnhöfe der Süd- und Westbahn und deren
Verbindung aus dem Bereich der gezogenen Geschütze zu bringen. Wollte man
diesen Gürtel noch so sehr verengen, es müßten doch der Leopold- und Kahlen-
berg, dann die von hier bis Se. Veit und Mauer ziehenden Höhen, weiter
der hinter Schönbrunn beginnende und bis zum Laaerbcrge sich ausdehnende
Hügelzug und der Laaerberg mit Befestigungen gekrönt, mehre Werke zwischen
dem letzteren und dem rechten Donauufer angelegt und die Befestigungen am
linken Ufer wiederhergestellt und erweitert werden.

Nach dem bekannt gewordenen Plane aber soll die Befestigung eine noch
größere Ausdehnung erhalten und werden auch die in das tullner Feld blickenden
Höhen des wiener Waldes, der Herrmannskogel. die Berge bei Hütteldorf, Ro-
daun, bis nahe bei Baden und die jenseitigen Ausläufer des Laaerberges be¬
festigt und ein Bogen von Schanzen vom Bisamberge bis Ebersdorf gezogen
werden. Ein Umfang von 10 bis 12 deutschen Meilen. Keine Hauptstadt in
Europa dürfte ungeeigneter für eine derartige Befestigung sein. Da man aber
bei dem Mangel eines mit einer geschlossenen Umwallunz versehenen Central-
punktes -- denn die armseligen Linienwälle können für nichts gerechnet werden
-- zur Verhinderung des Durchbruches einzelner feindlicher Corps die Zahl der
Forts ins Endlose vermehren müßte, so soll zwischen der Stadt und der äußersten
Linie eine zweite Linie von Werken angelegt werden.

Bei einer solchen ungeheuren Ausdehnung der Befestigungen ist die Kosten¬
summe ganz unberechenbar; sie würde aber zuverlässig 600 Millionen näher
kommen, als den 6 Millionen Gulden, welche seiner Zeit ein militärisches
Fachblatt als genügend erachtete.

Indessen würde auch dieses Opfer nicht zu groß sein, wenn dadurch
wirklich das angestrebte Ziel zu erreichen wäre. Aber die Vorgänge der letzten
zehn Jahre haben gezeigt, daß die östreichischen Ingenieure Milliarden auf
immense Festungsbauten verwendeten und daß diese Werke in der Regel bei dem
Anrücken des Feindes "aus höheren Rücksichten" geräumt und dabei wohl gar
die aufgehäuften Mund- und Knegsvvrräthe preisgegeben wurden. Dagegen
hat man an Silistria und Sebastopol und im amerikanischen Kriege gesehen, in
welch kurzer Zeit ein wenig haltbarer oder ganz offener Platz in eine starke
Festung umgeschaffen und, wenn nur der Wille dazu da ist, bis aufs äußerste
vertheidigt werden kann. Daß Wien gegen ein siegreiches Heer auf die Länge
so wenig behauptet werden kann, als Paris, sollte nicht mehr bezweifelt
werden.

Die Sache hat noch eine andre üble Seite. Man scheint durch die Be-


das Arsenal und mehre andere weiter entfernte, jedoch höchst wichtige mili¬
tärische Etablissements, dann die südwestlich gelegenen dicht bevölkerten und
industriereichen Orte Rudolfsheim, Hietzing, Hernald, dann die Sommerresidenz
Schönbrunn und endlich die Bahnhöfe der Süd- und Westbahn und deren
Verbindung aus dem Bereich der gezogenen Geschütze zu bringen. Wollte man
diesen Gürtel noch so sehr verengen, es müßten doch der Leopold- und Kahlen-
berg, dann die von hier bis Se. Veit und Mauer ziehenden Höhen, weiter
der hinter Schönbrunn beginnende und bis zum Laaerbcrge sich ausdehnende
Hügelzug und der Laaerberg mit Befestigungen gekrönt, mehre Werke zwischen
dem letzteren und dem rechten Donauufer angelegt und die Befestigungen am
linken Ufer wiederhergestellt und erweitert werden.

Nach dem bekannt gewordenen Plane aber soll die Befestigung eine noch
größere Ausdehnung erhalten und werden auch die in das tullner Feld blickenden
Höhen des wiener Waldes, der Herrmannskogel. die Berge bei Hütteldorf, Ro-
daun, bis nahe bei Baden und die jenseitigen Ausläufer des Laaerberges be¬
festigt und ein Bogen von Schanzen vom Bisamberge bis Ebersdorf gezogen
werden. Ein Umfang von 10 bis 12 deutschen Meilen. Keine Hauptstadt in
Europa dürfte ungeeigneter für eine derartige Befestigung sein. Da man aber
bei dem Mangel eines mit einer geschlossenen Umwallunz versehenen Central-
punktes — denn die armseligen Linienwälle können für nichts gerechnet werden
— zur Verhinderung des Durchbruches einzelner feindlicher Corps die Zahl der
Forts ins Endlose vermehren müßte, so soll zwischen der Stadt und der äußersten
Linie eine zweite Linie von Werken angelegt werden.

Bei einer solchen ungeheuren Ausdehnung der Befestigungen ist die Kosten¬
summe ganz unberechenbar; sie würde aber zuverlässig 600 Millionen näher
kommen, als den 6 Millionen Gulden, welche seiner Zeit ein militärisches
Fachblatt als genügend erachtete.

Indessen würde auch dieses Opfer nicht zu groß sein, wenn dadurch
wirklich das angestrebte Ziel zu erreichen wäre. Aber die Vorgänge der letzten
zehn Jahre haben gezeigt, daß die östreichischen Ingenieure Milliarden auf
immense Festungsbauten verwendeten und daß diese Werke in der Regel bei dem
Anrücken des Feindes „aus höheren Rücksichten" geräumt und dabei wohl gar
die aufgehäuften Mund- und Knegsvvrräthe preisgegeben wurden. Dagegen
hat man an Silistria und Sebastopol und im amerikanischen Kriege gesehen, in
welch kurzer Zeit ein wenig haltbarer oder ganz offener Platz in eine starke
Festung umgeschaffen und, wenn nur der Wille dazu da ist, bis aufs äußerste
vertheidigt werden kann. Daß Wien gegen ein siegreiches Heer auf die Länge
so wenig behauptet werden kann, als Paris, sollte nicht mehr bezweifelt
werden.

Die Sache hat noch eine andre üble Seite. Man scheint durch die Be-


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[0377] das Arsenal und mehre andere weiter entfernte, jedoch höchst wichtige mili¬ tärische Etablissements, dann die südwestlich gelegenen dicht bevölkerten und industriereichen Orte Rudolfsheim, Hietzing, Hernald, dann die Sommerresidenz Schönbrunn und endlich die Bahnhöfe der Süd- und Westbahn und deren Verbindung aus dem Bereich der gezogenen Geschütze zu bringen. Wollte man diesen Gürtel noch so sehr verengen, es müßten doch der Leopold- und Kahlen- berg, dann die von hier bis Se. Veit und Mauer ziehenden Höhen, weiter der hinter Schönbrunn beginnende und bis zum Laaerbcrge sich ausdehnende Hügelzug und der Laaerberg mit Befestigungen gekrönt, mehre Werke zwischen dem letzteren und dem rechten Donauufer angelegt und die Befestigungen am linken Ufer wiederhergestellt und erweitert werden. Nach dem bekannt gewordenen Plane aber soll die Befestigung eine noch größere Ausdehnung erhalten und werden auch die in das tullner Feld blickenden Höhen des wiener Waldes, der Herrmannskogel. die Berge bei Hütteldorf, Ro- daun, bis nahe bei Baden und die jenseitigen Ausläufer des Laaerberges be¬ festigt und ein Bogen von Schanzen vom Bisamberge bis Ebersdorf gezogen werden. Ein Umfang von 10 bis 12 deutschen Meilen. Keine Hauptstadt in Europa dürfte ungeeigneter für eine derartige Befestigung sein. Da man aber bei dem Mangel eines mit einer geschlossenen Umwallunz versehenen Central- punktes — denn die armseligen Linienwälle können für nichts gerechnet werden — zur Verhinderung des Durchbruches einzelner feindlicher Corps die Zahl der Forts ins Endlose vermehren müßte, so soll zwischen der Stadt und der äußersten Linie eine zweite Linie von Werken angelegt werden. Bei einer solchen ungeheuren Ausdehnung der Befestigungen ist die Kosten¬ summe ganz unberechenbar; sie würde aber zuverlässig 600 Millionen näher kommen, als den 6 Millionen Gulden, welche seiner Zeit ein militärisches Fachblatt als genügend erachtete. Indessen würde auch dieses Opfer nicht zu groß sein, wenn dadurch wirklich das angestrebte Ziel zu erreichen wäre. Aber die Vorgänge der letzten zehn Jahre haben gezeigt, daß die östreichischen Ingenieure Milliarden auf immense Festungsbauten verwendeten und daß diese Werke in der Regel bei dem Anrücken des Feindes „aus höheren Rücksichten" geräumt und dabei wohl gar die aufgehäuften Mund- und Knegsvvrräthe preisgegeben wurden. Dagegen hat man an Silistria und Sebastopol und im amerikanischen Kriege gesehen, in welch kurzer Zeit ein wenig haltbarer oder ganz offener Platz in eine starke Festung umgeschaffen und, wenn nur der Wille dazu da ist, bis aufs äußerste vertheidigt werden kann. Daß Wien gegen ein siegreiches Heer auf die Länge so wenig behauptet werden kann, als Paris, sollte nicht mehr bezweifelt werden. Die Sache hat noch eine andre üble Seite. Man scheint durch die Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/377>, abgerufen am 02.07.2024.