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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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theilt werden solle. Danach sollte das Comite befugt sein, die Gemeindesteuern
zu ändern und eine bestimmte Grenzlinie festzustellen, unterhalb welcher niemand
zum Wahlrecht zugelassen werden solle. In diesem letzten Theil lag das ganze
Gewicht der Instruction, da es dem disraelischen Princip der persönlichen Steuer¬
zahlung entgegentrat. Einige Mitglieder der Versammlung äußerten Bedenken
gegen das Verfahren, welches trotz aller Proteste im Lande doch als ein Partei¬
manöver werde angesehen werden, aber Gladstone verwies sie ziemlich hoch¬
fahrend zur Ruhe, wenn er der Führer der Opposition bleiben solle, so müsse
er seinen eigenen Standpunkt wählen dürfen. Obwohl hierauf in der Partei¬
versammlung die Instruction angenommen wurde, war der Widerstand gegen
dieselbe nicht beseitigt und dieser ward noch vermehrt, als Tags darauf Dis-
raeli beim Empfang einer Deputation erklärte, die Regierung sei fest entschlossen
das Parlament aufzulösen, wenn die Instruction durchgehe. Gar manche Li-
berale mußten sich sagen, daß ihre Sitze gefährdet sein könnten, wenn Disraeli
an das Land appellire auf ein Votum hin. das weniger liberal erschien, als
sein eigner Vorschlag. Noch eine andre Rücksicht kam hinzu. Als das Mi¬
nisterium Derby 1869 seine Reformbill vorbrachte, verhinderte die Opposition
durch ein Mißtrauensvotum, daß die Bill ins Comitv kam; es konnte nicht
rathsam erscheinen, ein derartiges Manöver, welches Disraeli oft genug denun-
cirt hatte, jetzt zu wiederholen, wo sich alles nach Beseitigung der Neformfrage
sehnt. So vereinigten sich wenige Stunden vor der Sitzung im Theezimmer
des Unterhauses 48 Mitglieder der Opposition und beschlossen ihrem Führer zu
erklären, daß sie nicht für die Instruction stimmen würden. Damit war das
Schicksal derselben entschieden, sie ward zurückgezogen und das Haus ging ohne
Abstimmung ins Comite. Indeß Gladstone gab sich nicht geschlagen und brachte
Tags darauf ein Amendement ein, wonach nicht, wie die Regierung wollte, jeder
Hausbesitzer, welcher seine Gemeindesteuern persönlich bezahlt, sondern jeder Haus¬
besitzer, welcher eine auf ö F Miethwerth geschätzte Wohnung inne hat. das
Wahlrecht haben sollte. Die beiden Principien standen sich nun einander
gegenüber und es mußte zur Entscheidung kommen, die Schwierigkeit lag in
den vielbesprochenen eomxouuä Irousölroläoi'. Es besteht nämlich in vielen
Städten Englands der Brauch, daß kleine Miether ihre Gemeindesteuern nicht
direct bezahlen, sondern durch Vermittelung des Hauseigentümers. Die städ¬
tische Behörde, um die Weitläufigkeiten zu vermeiden, welche die Eintreibung
kleiner Steuerbeträge verursacht, trifft ein Abkommen mit dem Hauseigenthümer,
wonach derselbe die Gemeindeabgaben bezahlt und diese auf die Miethe schlägt,
die Stadt aber gewährt dafür, daß sie des Einsammelns überhoben ist, eine
gewisse Reduction der Steuer, so daß z. B. ein Miether, der 1 ^ zahlen müßte,
durch seinen Hauswuth nur 13 Shilling zahlt; Leute, die auf diese Art wohnen,
nennt man comxounä twULelroläers.


theilt werden solle. Danach sollte das Comite befugt sein, die Gemeindesteuern
zu ändern und eine bestimmte Grenzlinie festzustellen, unterhalb welcher niemand
zum Wahlrecht zugelassen werden solle. In diesem letzten Theil lag das ganze
Gewicht der Instruction, da es dem disraelischen Princip der persönlichen Steuer¬
zahlung entgegentrat. Einige Mitglieder der Versammlung äußerten Bedenken
gegen das Verfahren, welches trotz aller Proteste im Lande doch als ein Partei¬
manöver werde angesehen werden, aber Gladstone verwies sie ziemlich hoch¬
fahrend zur Ruhe, wenn er der Führer der Opposition bleiben solle, so müsse
er seinen eigenen Standpunkt wählen dürfen. Obwohl hierauf in der Partei¬
versammlung die Instruction angenommen wurde, war der Widerstand gegen
dieselbe nicht beseitigt und dieser ward noch vermehrt, als Tags darauf Dis-
raeli beim Empfang einer Deputation erklärte, die Regierung sei fest entschlossen
das Parlament aufzulösen, wenn die Instruction durchgehe. Gar manche Li-
berale mußten sich sagen, daß ihre Sitze gefährdet sein könnten, wenn Disraeli
an das Land appellire auf ein Votum hin. das weniger liberal erschien, als
sein eigner Vorschlag. Noch eine andre Rücksicht kam hinzu. Als das Mi¬
nisterium Derby 1869 seine Reformbill vorbrachte, verhinderte die Opposition
durch ein Mißtrauensvotum, daß die Bill ins Comitv kam; es konnte nicht
rathsam erscheinen, ein derartiges Manöver, welches Disraeli oft genug denun-
cirt hatte, jetzt zu wiederholen, wo sich alles nach Beseitigung der Neformfrage
sehnt. So vereinigten sich wenige Stunden vor der Sitzung im Theezimmer
des Unterhauses 48 Mitglieder der Opposition und beschlossen ihrem Führer zu
erklären, daß sie nicht für die Instruction stimmen würden. Damit war das
Schicksal derselben entschieden, sie ward zurückgezogen und das Haus ging ohne
Abstimmung ins Comite. Indeß Gladstone gab sich nicht geschlagen und brachte
Tags darauf ein Amendement ein, wonach nicht, wie die Regierung wollte, jeder
Hausbesitzer, welcher seine Gemeindesteuern persönlich bezahlt, sondern jeder Haus¬
besitzer, welcher eine auf ö F Miethwerth geschätzte Wohnung inne hat. das
Wahlrecht haben sollte. Die beiden Principien standen sich nun einander
gegenüber und es mußte zur Entscheidung kommen, die Schwierigkeit lag in
den vielbesprochenen eomxouuä Irousölroläoi'. Es besteht nämlich in vielen
Städten Englands der Brauch, daß kleine Miether ihre Gemeindesteuern nicht
direct bezahlen, sondern durch Vermittelung des Hauseigentümers. Die städ¬
tische Behörde, um die Weitläufigkeiten zu vermeiden, welche die Eintreibung
kleiner Steuerbeträge verursacht, trifft ein Abkommen mit dem Hauseigenthümer,
wonach derselbe die Gemeindeabgaben bezahlt und diese auf die Miethe schlägt,
die Stadt aber gewährt dafür, daß sie des Einsammelns überhoben ist, eine
gewisse Reduction der Steuer, so daß z. B. ein Miether, der 1 ^ zahlen müßte,
durch seinen Hauswuth nur 13 Shilling zahlt; Leute, die auf diese Art wohnen,
nennt man comxounä twULelroläers.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/368>, abgerufen am 22.07.2024.