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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Gladstone erklärte es nun mit Recht für eine Ungerechtigkeit, daß durch
das Princip der Regierungsbill, welche persönliche Steuerzahlung verlangt, diese
ganze Classe ausgeschlossen werde, zu der grade die intelligentesten Arbeiter ge¬
hören. Ein Mann, der durch Vermittlung seines Hauswirths Is Shilling
jährlich zum Gemeindeseckel beitrage, soll kein Stimmrecht erhalten, während in
andern Städten, wo dies System unbekannt ist, jeder, der 1 Shilling zahlt,
Wähler werden soll; außerdem eröffne ein solches System der Bestechung Thür
und Thor, denn die Kandidaten würden durch Agenten die Gemeindesteuer für
die Wähler bezahlen. -- ein Verfahren, das leicht so gehandhabt werden könne,
um sich jeder gesetzlichen Verfolgung zu entziehen, -- und die ganze Wählerrolle
werde abhängig von den Gemeindebeamten, welche die Steuern einsammelten.
Weit richtiger sei daher sein Vorschlag, daß jeder, der auf einen gewissen Mieths-
werth, z. B. 5 ^ geschätzt werde, zugelassen werden solle. Disraeli dagegen
perhorrescirte eine solche Abgrenzung durch eine "Irarä eine! last line" als will-
kürlich und ungerecht, nur sein Vorschlag enthalte eine principielle Lösung der
Frage, die erwähnte Unzuträglichkeit lasse sich dadurch leicht beseitigen, daß der
cvmpouvä Irouselroläer künftig seine Abgaben direct bezahle. Es ward ihm
entgegnet, dies löse die Schwiergkeit nicht, denn dann müsse der Mann, der
bisher durch seinen Hauswirth Is Sh. gezahlt, die 20 Sh. zahlen, auf welche
er geschätzt sei. Diesem Einwurf suchte der Schatzkanzler durch die Concession
entgegenzukommen, daß der Compounder künstig berechtigt sein solle, den vollen
Betrag der Steuer, den er direct bezahle, von seiner Miethe abzuziehen. Es ist
indeß klar, daß dies nur eine scheinbare Lösung ist; in dem angegebenen Falle
Würde so der Hauseigenthümer S Sh. weniger an Miethe erhalten, ein Verlust,
dem er sich offenbar nicht aussetzen wird, da ihn nichts hindert, die steuerfreie
Miethe nunmehr um S Sh. zu erhöhen, so daß schließlich der Miether nur die
Wahl hat, diese Prämie für die Gewährung des Wahlrechtes zu zahlen oder es
beim Alten zu lassen, also auf die Zulassung zur Wahl zu verzichten. Dies
weiß Disraeli auch sehr wohl und ebenso, daß bei den meisten Leuten dieser
Classe das politische Interesse viel zu gering ist. als daß sie sich ein solches
Opfer auferlegen sollten, ihm liegt aber auch gar nichts daran, solchen verhältni߬
mäßig unabhängigen Arbeitern das Wahlrecht zu geben, er wünscht vielmehr,
sie durch die Masse der abhängigen Leute, die ihren einen Shilling bezahlen,
zu absorbiren, weil letztere sich leicht durch die großen Grundeigenthümer und
die Geldaristokratie leiten lassen. Dies ist auch das wahre Motiv seiner Dekla¬
mationen gegen die Neformacte von 1832, welche den arbeitenden Classen das
Wahlrecht entzogen haben soll, während sie nur die Proletarier der kleinen
Burgflecken, die sogenannten xot-vallopöi-s, welche ihre Stimmen meistbietend
verkauften, beseitigte. Er verfolgt nach dem Maßstabe, in dem englische Zustände
es möglich machen, das imperialistische Princip, die intelligenten Mtttelclassen


Gladstone erklärte es nun mit Recht für eine Ungerechtigkeit, daß durch
das Princip der Regierungsbill, welche persönliche Steuerzahlung verlangt, diese
ganze Classe ausgeschlossen werde, zu der grade die intelligentesten Arbeiter ge¬
hören. Ein Mann, der durch Vermittlung seines Hauswirths Is Shilling
jährlich zum Gemeindeseckel beitrage, soll kein Stimmrecht erhalten, während in
andern Städten, wo dies System unbekannt ist, jeder, der 1 Shilling zahlt,
Wähler werden soll; außerdem eröffne ein solches System der Bestechung Thür
und Thor, denn die Kandidaten würden durch Agenten die Gemeindesteuer für
die Wähler bezahlen. — ein Verfahren, das leicht so gehandhabt werden könne,
um sich jeder gesetzlichen Verfolgung zu entziehen, — und die ganze Wählerrolle
werde abhängig von den Gemeindebeamten, welche die Steuern einsammelten.
Weit richtiger sei daher sein Vorschlag, daß jeder, der auf einen gewissen Mieths-
werth, z. B. 5 ^ geschätzt werde, zugelassen werden solle. Disraeli dagegen
perhorrescirte eine solche Abgrenzung durch eine „Irarä eine! last line" als will-
kürlich und ungerecht, nur sein Vorschlag enthalte eine principielle Lösung der
Frage, die erwähnte Unzuträglichkeit lasse sich dadurch leicht beseitigen, daß der
cvmpouvä Irouselroläer künftig seine Abgaben direct bezahle. Es ward ihm
entgegnet, dies löse die Schwiergkeit nicht, denn dann müsse der Mann, der
bisher durch seinen Hauswirth Is Sh. gezahlt, die 20 Sh. zahlen, auf welche
er geschätzt sei. Diesem Einwurf suchte der Schatzkanzler durch die Concession
entgegenzukommen, daß der Compounder künstig berechtigt sein solle, den vollen
Betrag der Steuer, den er direct bezahle, von seiner Miethe abzuziehen. Es ist
indeß klar, daß dies nur eine scheinbare Lösung ist; in dem angegebenen Falle
Würde so der Hauseigenthümer S Sh. weniger an Miethe erhalten, ein Verlust,
dem er sich offenbar nicht aussetzen wird, da ihn nichts hindert, die steuerfreie
Miethe nunmehr um S Sh. zu erhöhen, so daß schließlich der Miether nur die
Wahl hat, diese Prämie für die Gewährung des Wahlrechtes zu zahlen oder es
beim Alten zu lassen, also auf die Zulassung zur Wahl zu verzichten. Dies
weiß Disraeli auch sehr wohl und ebenso, daß bei den meisten Leuten dieser
Classe das politische Interesse viel zu gering ist. als daß sie sich ein solches
Opfer auferlegen sollten, ihm liegt aber auch gar nichts daran, solchen verhältni߬
mäßig unabhängigen Arbeitern das Wahlrecht zu geben, er wünscht vielmehr,
sie durch die Masse der abhängigen Leute, die ihren einen Shilling bezahlen,
zu absorbiren, weil letztere sich leicht durch die großen Grundeigenthümer und
die Geldaristokratie leiten lassen. Dies ist auch das wahre Motiv seiner Dekla¬
mationen gegen die Neformacte von 1832, welche den arbeitenden Classen das
Wahlrecht entzogen haben soll, während sie nur die Proletarier der kleinen
Burgflecken, die sogenannten xot-vallopöi-s, welche ihre Stimmen meistbietend
verkauften, beseitigte. Er verfolgt nach dem Maßstabe, in dem englische Zustände
es möglich machen, das imperialistische Princip, die intelligenten Mtttelclassen


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[0369] Gladstone erklärte es nun mit Recht für eine Ungerechtigkeit, daß durch das Princip der Regierungsbill, welche persönliche Steuerzahlung verlangt, diese ganze Classe ausgeschlossen werde, zu der grade die intelligentesten Arbeiter ge¬ hören. Ein Mann, der durch Vermittlung seines Hauswirths Is Shilling jährlich zum Gemeindeseckel beitrage, soll kein Stimmrecht erhalten, während in andern Städten, wo dies System unbekannt ist, jeder, der 1 Shilling zahlt, Wähler werden soll; außerdem eröffne ein solches System der Bestechung Thür und Thor, denn die Kandidaten würden durch Agenten die Gemeindesteuer für die Wähler bezahlen. — ein Verfahren, das leicht so gehandhabt werden könne, um sich jeder gesetzlichen Verfolgung zu entziehen, — und die ganze Wählerrolle werde abhängig von den Gemeindebeamten, welche die Steuern einsammelten. Weit richtiger sei daher sein Vorschlag, daß jeder, der auf einen gewissen Mieths- werth, z. B. 5 ^ geschätzt werde, zugelassen werden solle. Disraeli dagegen perhorrescirte eine solche Abgrenzung durch eine „Irarä eine! last line" als will- kürlich und ungerecht, nur sein Vorschlag enthalte eine principielle Lösung der Frage, die erwähnte Unzuträglichkeit lasse sich dadurch leicht beseitigen, daß der cvmpouvä Irouselroläer künftig seine Abgaben direct bezahle. Es ward ihm entgegnet, dies löse die Schwiergkeit nicht, denn dann müsse der Mann, der bisher durch seinen Hauswirth Is Sh. gezahlt, die 20 Sh. zahlen, auf welche er geschätzt sei. Diesem Einwurf suchte der Schatzkanzler durch die Concession entgegenzukommen, daß der Compounder künstig berechtigt sein solle, den vollen Betrag der Steuer, den er direct bezahle, von seiner Miethe abzuziehen. Es ist indeß klar, daß dies nur eine scheinbare Lösung ist; in dem angegebenen Falle Würde so der Hauseigenthümer S Sh. weniger an Miethe erhalten, ein Verlust, dem er sich offenbar nicht aussetzen wird, da ihn nichts hindert, die steuerfreie Miethe nunmehr um S Sh. zu erhöhen, so daß schließlich der Miether nur die Wahl hat, diese Prämie für die Gewährung des Wahlrechtes zu zahlen oder es beim Alten zu lassen, also auf die Zulassung zur Wahl zu verzichten. Dies weiß Disraeli auch sehr wohl und ebenso, daß bei den meisten Leuten dieser Classe das politische Interesse viel zu gering ist. als daß sie sich ein solches Opfer auferlegen sollten, ihm liegt aber auch gar nichts daran, solchen verhältni߬ mäßig unabhängigen Arbeitern das Wahlrecht zu geben, er wünscht vielmehr, sie durch die Masse der abhängigen Leute, die ihren einen Shilling bezahlen, zu absorbiren, weil letztere sich leicht durch die großen Grundeigenthümer und die Geldaristokratie leiten lassen. Dies ist auch das wahre Motiv seiner Dekla¬ mationen gegen die Neformacte von 1832, welche den arbeitenden Classen das Wahlrecht entzogen haben soll, während sie nur die Proletarier der kleinen Burgflecken, die sogenannten xot-vallopöi-s, welche ihre Stimmen meistbietend verkauften, beseitigte. Er verfolgt nach dem Maßstabe, in dem englische Zustände es möglich machen, das imperialistische Princip, die intelligenten Mtttelclassen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/369>, abgerufen am 02.10.2024.