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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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materiellen Vorzüge einer wirklichen, um das Vaterland wohl¬
verdienten Aristokratie mit Freuden zuzusprechen.

Wir sehen daher keinen Grund mit dem Wunsche zurückzuhalten, daß die
tgi. preußische Negierung unsere vier adligen Klöster nach Gutfinden entweder
als Versorgungsanstalten in erweitertem Umfange neu und zweckmäßig organi-
siren, oder aber dieselben ganz einziehen und ihre Güter zum Nutzen des
gemeinen Besten anderen Zwecken widmen möge. Zu Letzterem scheint uns um
so mehr Veranlassung, als die Herzogthümer nach den Angaben des preußischen
Ministerpräsidenten (18. März d. I.) in den Verband der preußischen Monarchie
mit der häßlichen Schuldenlast von über 60,000,000 Thlr. Pr. eintreten, wäh¬
rend ihr Activvermögen an Domänen unbedeutend ist. Allerdings würde sich
die Ritterschaft wohl auf den seit der Reformation factisch eingerissenen Zustand
berufen, daß die genannten vier Klöster lediglich dem Unterhalte adliger Töchter
gewidmet gewesen. Indeß sind die Bemühungen der Ritterschaft, die Klöster
als unveräußerliches Eigenthum der Ritterschaft als solcher anerkannt zu erhalten,
stets fruchtlos geblieben, vielmehr sind die Klöster als juristische Personen und
daher selbst als Eigenthümer ihrer Besitzungen und ihres Vermögens, und die
Rechte daran als zunächst den Conventen zuständig stets behandelt worden.
Mithin unterliegen die Klöster gleich jeder anderen Stiftung dem stets gegen
sie geübten in3 superioritatis des Staates und folgeweise dem daraus entflie¬
ßenden Rechte sie aufzuheben, wenn ihre Bestimmung den veränderten Bedürf¬
nissen der Zeit widerspricht. Einen kräftigen Ausdruck fand diese rechtlich wohl¬
begründete Anschauung in der Antwort, welche König und Herzog im Jahre
1610 auf einige unzukömmliche sravaminir der Ritterschaft ertheilten: "die Sache
gehe sie nichts an, da die Jungfrauenkloster nicht dem Adel, sondern dem Lan¬
desherr", gehörten". Wenn die Landesherren andererseits später im Jahre 1625
und 1636 durch Klosterordnungen die Verhältnisse auf Grund des factischen Be¬
sitzstandes geordnet haben, so hat man sich doch wohl gehütet, dem Adel den
factisch allerdings ihm allein gewährten Klostergenuß damals oder später durch
förmliche rechtliche Sanction zu garantiren. Es mag endlich noch daran erinnert
werden, was nur zu oft vergessen wird, daß die ursprüngliche Dotation der
Klöster keineswegs allein vom Adel, sondern vornehmlich von den Landesherren
und daneben auch von dem Bürgerstande geschehen ist, wie ja auch ehemals die
Ordensregel der Klöster keinen Standesunterschied anerkannte. Wenn wir uns
hierfür auch weniger auf den Schleswiger Bürgermeister Hans Koch (1486) berufen
wollen, welcher seiner Wirthin 100 Mark, dem Kloster Se. Johannis aber nur
4 Schilling vermachte, so verdankt doch z. B. das preetzer Kloster reiche Gaben den
Bürgern der mächtigen Hansestadt Lübeck; das Kloster gehörte zum lübschen
Stifte, und viele angesehener lübscher Bürger Töchter haben in demselben der
Welt und ihren Freuden entsagt.


materiellen Vorzüge einer wirklichen, um das Vaterland wohl¬
verdienten Aristokratie mit Freuden zuzusprechen.

Wir sehen daher keinen Grund mit dem Wunsche zurückzuhalten, daß die
tgi. preußische Negierung unsere vier adligen Klöster nach Gutfinden entweder
als Versorgungsanstalten in erweitertem Umfange neu und zweckmäßig organi-
siren, oder aber dieselben ganz einziehen und ihre Güter zum Nutzen des
gemeinen Besten anderen Zwecken widmen möge. Zu Letzterem scheint uns um
so mehr Veranlassung, als die Herzogthümer nach den Angaben des preußischen
Ministerpräsidenten (18. März d. I.) in den Verband der preußischen Monarchie
mit der häßlichen Schuldenlast von über 60,000,000 Thlr. Pr. eintreten, wäh¬
rend ihr Activvermögen an Domänen unbedeutend ist. Allerdings würde sich
die Ritterschaft wohl auf den seit der Reformation factisch eingerissenen Zustand
berufen, daß die genannten vier Klöster lediglich dem Unterhalte adliger Töchter
gewidmet gewesen. Indeß sind die Bemühungen der Ritterschaft, die Klöster
als unveräußerliches Eigenthum der Ritterschaft als solcher anerkannt zu erhalten,
stets fruchtlos geblieben, vielmehr sind die Klöster als juristische Personen und
daher selbst als Eigenthümer ihrer Besitzungen und ihres Vermögens, und die
Rechte daran als zunächst den Conventen zuständig stets behandelt worden.
Mithin unterliegen die Klöster gleich jeder anderen Stiftung dem stets gegen
sie geübten in3 superioritatis des Staates und folgeweise dem daraus entflie¬
ßenden Rechte sie aufzuheben, wenn ihre Bestimmung den veränderten Bedürf¬
nissen der Zeit widerspricht. Einen kräftigen Ausdruck fand diese rechtlich wohl¬
begründete Anschauung in der Antwort, welche König und Herzog im Jahre
1610 auf einige unzukömmliche sravaminir der Ritterschaft ertheilten: „die Sache
gehe sie nichts an, da die Jungfrauenkloster nicht dem Adel, sondern dem Lan¬
desherr», gehörten". Wenn die Landesherren andererseits später im Jahre 1625
und 1636 durch Klosterordnungen die Verhältnisse auf Grund des factischen Be¬
sitzstandes geordnet haben, so hat man sich doch wohl gehütet, dem Adel den
factisch allerdings ihm allein gewährten Klostergenuß damals oder später durch
förmliche rechtliche Sanction zu garantiren. Es mag endlich noch daran erinnert
werden, was nur zu oft vergessen wird, daß die ursprüngliche Dotation der
Klöster keineswegs allein vom Adel, sondern vornehmlich von den Landesherren
und daneben auch von dem Bürgerstande geschehen ist, wie ja auch ehemals die
Ordensregel der Klöster keinen Standesunterschied anerkannte. Wenn wir uns
hierfür auch weniger auf den Schleswiger Bürgermeister Hans Koch (1486) berufen
wollen, welcher seiner Wirthin 100 Mark, dem Kloster Se. Johannis aber nur
4 Schilling vermachte, so verdankt doch z. B. das preetzer Kloster reiche Gaben den
Bürgern der mächtigen Hansestadt Lübeck; das Kloster gehörte zum lübschen
Stifte, und viele angesehener lübscher Bürger Töchter haben in demselben der
Welt und ihren Freuden entsagt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/361>, abgerufen am 22.07.2024.