Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.Dem erprobten Opfersinne der Standesgenossen in den alten Provinzen Ob überhaupt unsere Klöster den Wohlthätigkeitszwecken, welchen sie wen" Daß dergleichen Veränderungen im weitem oder engern Umfange nur nach Dem erprobten Opfersinne der Standesgenossen in den alten Provinzen Ob überhaupt unsere Klöster den Wohlthätigkeitszwecken, welchen sie wen» Daß dergleichen Veränderungen im weitem oder engern Umfange nur nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0362" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/191056"/> <p xml:id="ID_1242"> Dem erprobten Opfersinne der Standesgenossen in den alten Provinzen<lb/> könnte unsere Ritterschaft nachträglich noch etwas nacheifern dadurch, daß sie<lb/> auf ihr Klosterrecht zum Vortheile des Ganzen freiwillig Verzicht leistete. Jene<lb/> haben gleich den übrigen Bürgern der preußischen Monarchie mehr als Geld<lb/> und Geldeswerth für König und Vaterland im letzten Kriege eingesetzt; die<lb/> Schleswig-holsteinische Ritterschaft hat dagegen nichts eingesetzt, sie hat es nun<lb/> in ihrer Hand, durch einen solchen Verzicht die ungünstigen Urtheile, welche die<lb/> Bevölkerung über sie fällt, thatsächlich zu widerlegen. Andererseits aber könnten<lb/> die Schleswig-holsteinischen Klostergüter einer zweckmäßigeren und gerechteren Ver¬<lb/> wendung leicht zurückgegeben werden durch Extension des königlichen Edictes<lb/> vom 30. October 1810 auf unsere vier Klöster; jenes Edict verfügte die Ein¬<lb/> ziehung sämmtlicher geistlicher Güter in der Monarchie und bestimmte, daß fortan<lb/> alle Klöster, Dom- und andere Stifter, Balleien und Commenden für Staats¬<lb/> güter zu erachten seien. Als Gründe dieser Säculansation führte das Edict<lb/> an, daß die Zwecke, wozu geistliche Stifter und Klöster bisher errichtet wurden,<lb/> mit den Bedürfnissen und Ansichten der Zeit nicht vereinbar, theils auf verän¬<lb/> derte Weise besser erreicht werden könnten, seiner, daß dadurch die großen<lb/> Anforderungen an das Privatvermögen der Unterthanen ermäßigt<lb/> würden: Gesichtspunkte, die für Schleswig-Holstein grade jetzt ebenfalls recht<lb/> zutreffend sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1243"> Ob überhaupt unsere Klöster den Wohlthätigkeitszwecken, welchen sie wen»<lb/> auch in beschränktester Weise bisher gewidmet waren, erhalten und nur in er¬<lb/> weitertem Umfange zweckmäßig organisirt werden sollen, oder ob ihr Vermögen<lb/> vom Staate eingezogen und für dessen Zwecke direct nutzbar gemacht werden<lb/> soll, darüber kann zweierlei Meinung sein. Daß aber Aenderungen unausbleib¬<lb/> lich sind, darüber kann nur eine Meinung sein, zumal seit Erlaß der revidirten<lb/> Klvsterordnung von 1636 bereits dreimal, 1712, 1784 und endlich im Anfang<lb/> der 30ger Jahre dieses Jahrhunderts vergebliche Versuche zur Revision der<lb/> Klosterordnung gemacht worden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1244"> Daß dergleichen Veränderungen im weitem oder engern Umfange nur nach<lb/> und nach ausgeführt werden können, versteht sich ebenso sehr von selbst, als wie daß<lb/> für Unterhalt der jetzigen Nutzuießerinnen ausreichend gesorgt werden müßte. Zwei¬<lb/> fellos aber ist auch, daß einer Einziehung unserer Klöster der Sinn des Artikel 15<lb/> der preußischen Verfassungsurkunde, welcher der protestantischen Kirche den Besitz<lb/> und Genuß der für ihre Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke be¬<lb/> stimmten Anstalten. Stiftungen und Fonds garantirt, nicht entgegenstünde, ganz<lb/> abgesehen davon, daß die Verfassung zur Zeit in Schleswig-Holstein suspendirt<lb/> ist; denn mit einer kirchlichen Anstalt haben unsere adligen Fräuleinstifter<lb/> lediglich den Namen gemein, sie sind im Laufe der Zeit eben nichts mehr oder<lb/> minder als ritterschafiliche Versorgungsanstalien geworden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0362]
Dem erprobten Opfersinne der Standesgenossen in den alten Provinzen
könnte unsere Ritterschaft nachträglich noch etwas nacheifern dadurch, daß sie
auf ihr Klosterrecht zum Vortheile des Ganzen freiwillig Verzicht leistete. Jene
haben gleich den übrigen Bürgern der preußischen Monarchie mehr als Geld
und Geldeswerth für König und Vaterland im letzten Kriege eingesetzt; die
Schleswig-holsteinische Ritterschaft hat dagegen nichts eingesetzt, sie hat es nun
in ihrer Hand, durch einen solchen Verzicht die ungünstigen Urtheile, welche die
Bevölkerung über sie fällt, thatsächlich zu widerlegen. Andererseits aber könnten
die Schleswig-holsteinischen Klostergüter einer zweckmäßigeren und gerechteren Ver¬
wendung leicht zurückgegeben werden durch Extension des königlichen Edictes
vom 30. October 1810 auf unsere vier Klöster; jenes Edict verfügte die Ein¬
ziehung sämmtlicher geistlicher Güter in der Monarchie und bestimmte, daß fortan
alle Klöster, Dom- und andere Stifter, Balleien und Commenden für Staats¬
güter zu erachten seien. Als Gründe dieser Säculansation führte das Edict
an, daß die Zwecke, wozu geistliche Stifter und Klöster bisher errichtet wurden,
mit den Bedürfnissen und Ansichten der Zeit nicht vereinbar, theils auf verän¬
derte Weise besser erreicht werden könnten, seiner, daß dadurch die großen
Anforderungen an das Privatvermögen der Unterthanen ermäßigt
würden: Gesichtspunkte, die für Schleswig-Holstein grade jetzt ebenfalls recht
zutreffend sind.
Ob überhaupt unsere Klöster den Wohlthätigkeitszwecken, welchen sie wen»
auch in beschränktester Weise bisher gewidmet waren, erhalten und nur in er¬
weitertem Umfange zweckmäßig organisirt werden sollen, oder ob ihr Vermögen
vom Staate eingezogen und für dessen Zwecke direct nutzbar gemacht werden
soll, darüber kann zweierlei Meinung sein. Daß aber Aenderungen unausbleib¬
lich sind, darüber kann nur eine Meinung sein, zumal seit Erlaß der revidirten
Klvsterordnung von 1636 bereits dreimal, 1712, 1784 und endlich im Anfang
der 30ger Jahre dieses Jahrhunderts vergebliche Versuche zur Revision der
Klosterordnung gemacht worden sind.
Daß dergleichen Veränderungen im weitem oder engern Umfange nur nach
und nach ausgeführt werden können, versteht sich ebenso sehr von selbst, als wie daß
für Unterhalt der jetzigen Nutzuießerinnen ausreichend gesorgt werden müßte. Zwei¬
fellos aber ist auch, daß einer Einziehung unserer Klöster der Sinn des Artikel 15
der preußischen Verfassungsurkunde, welcher der protestantischen Kirche den Besitz
und Genuß der für ihre Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke be¬
stimmten Anstalten. Stiftungen und Fonds garantirt, nicht entgegenstünde, ganz
abgesehen davon, daß die Verfassung zur Zeit in Schleswig-Holstein suspendirt
ist; denn mit einer kirchlichen Anstalt haben unsere adligen Fräuleinstifter
lediglich den Namen gemein, sie sind im Laufe der Zeit eben nichts mehr oder
minder als ritterschafiliche Versorgungsanstalien geworden.
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