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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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H. Grimm, 3 Bde.; und "Sonderlinge. Bregenzerwälder Lebens- und Charakter¬
bilder", 2 Bde.. von F. M. Felder, jenem merkwürdigen Landmanne in Vorarl¬
berg, der zugleich Schriftsteller ist.

Von dramatischen Arbeiten mögen nur genannt sein "Heliodora", Trauer¬
spiel Von J.L. Klein, dem bekannten Versasser der "Geschichte des Dramas"
und "Die glücklichen Bettler", ein morgenländisches Märchen, welches Paul
Heyse frei nach Gozzi bearbeitet hat, um es der deutschen Bühne mundgerecht
zu machen. Das Stück wurde vor etlichen Monaten in München zur Auffüh-
rung gebracht.

Auch am Epos können wir kurz vorübergehen. Zunächst sei der erste Theil
einer neuen Ausgabe Hartmanns von Ane, herausgegeben von F. Bens, ge>
nannt. Er bildet den vierten Band der bekannten vielversprechenden Samm¬
lung "Deutsche Klassiker des Mittelalters" und enthält das Heldengedicht "Erec
der Wunderaere". In noch frühere Zeit griff W. Hahn zurück, indem er das
Heldenlied "Helgi und Sigrun". einen abgeschlossenen Sagenstoff aus der älteren
Edda -- als Probe größerer Thätigkeit auf diesem Gebiete -- ins Hochdeutsche
übertrug. Daran schließt sich in einem stattlichen Bande eine neue Bearbeitung
der Nibelungensage von W. Wegener unter dem Titel " Siegfried und Chrim-
Hilde". Dann mag noch genannt sein "Churfürst Max I. von Bayern. Episches
Gedicht von H. Loses."

Auch heute soll die Lyrik wieder den Neigen schließen. "Lose Ranken.
Ein Büchlein catullischer Lieder" nennt sich eine Sammlung von W, Storck.
Auch von K. Th. Kind und F. Körner liegen Verse vor, während B. Placzek
Episch-Lyrisches mit viel jüdischen Ausdrücken in seinem Bändchen "Im
Eruw" giebt.

Die Wanderung durch die Belletristik ist in der Regel äußerst unerquicklich.
Wie viele Spreu mußte man wegblasen, um einen gesunden Kern zu finden
und wie Wenige giebt es, die dem Wort des Dichters gerecht werden:


"Der Dichter sei ein Bildner, kein Trcmmbildcrcr,
Kein Sinnvcrwirrcr. Phantaficverwildcrer,
Ein Zähmer des Affects. Gefühles Milderer,
Selbst in sich klar und aller Klarheit Schilderer."



H. Grimm, 3 Bde.; und „Sonderlinge. Bregenzerwälder Lebens- und Charakter¬
bilder", 2 Bde.. von F. M. Felder, jenem merkwürdigen Landmanne in Vorarl¬
berg, der zugleich Schriftsteller ist.

Von dramatischen Arbeiten mögen nur genannt sein „Heliodora", Trauer¬
spiel Von J.L. Klein, dem bekannten Versasser der „Geschichte des Dramas"
und „Die glücklichen Bettler", ein morgenländisches Märchen, welches Paul
Heyse frei nach Gozzi bearbeitet hat, um es der deutschen Bühne mundgerecht
zu machen. Das Stück wurde vor etlichen Monaten in München zur Auffüh-
rung gebracht.

Auch am Epos können wir kurz vorübergehen. Zunächst sei der erste Theil
einer neuen Ausgabe Hartmanns von Ane, herausgegeben von F. Bens, ge>
nannt. Er bildet den vierten Band der bekannten vielversprechenden Samm¬
lung „Deutsche Klassiker des Mittelalters" und enthält das Heldengedicht „Erec
der Wunderaere". In noch frühere Zeit griff W. Hahn zurück, indem er das
Heldenlied „Helgi und Sigrun". einen abgeschlossenen Sagenstoff aus der älteren
Edda — als Probe größerer Thätigkeit auf diesem Gebiete — ins Hochdeutsche
übertrug. Daran schließt sich in einem stattlichen Bande eine neue Bearbeitung
der Nibelungensage von W. Wegener unter dem Titel „ Siegfried und Chrim-
Hilde". Dann mag noch genannt sein „Churfürst Max I. von Bayern. Episches
Gedicht von H. Loses."

Auch heute soll die Lyrik wieder den Neigen schließen. „Lose Ranken.
Ein Büchlein catullischer Lieder" nennt sich eine Sammlung von W, Storck.
Auch von K. Th. Kind und F. Körner liegen Verse vor, während B. Placzek
Episch-Lyrisches mit viel jüdischen Ausdrücken in seinem Bändchen „Im
Eruw" giebt.

Die Wanderung durch die Belletristik ist in der Regel äußerst unerquicklich.
Wie viele Spreu mußte man wegblasen, um einen gesunden Kern zu finden
und wie Wenige giebt es, die dem Wort des Dichters gerecht werden:


„Der Dichter sei ein Bildner, kein Trcmmbildcrcr,
Kein Sinnvcrwirrcr. Phantaficverwildcrer,
Ein Zähmer des Affects. Gefühles Milderer,
Selbst in sich klar und aller Klarheit Schilderer."



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[0320] H. Grimm, 3 Bde.; und „Sonderlinge. Bregenzerwälder Lebens- und Charakter¬ bilder", 2 Bde.. von F. M. Felder, jenem merkwürdigen Landmanne in Vorarl¬ berg, der zugleich Schriftsteller ist. Von dramatischen Arbeiten mögen nur genannt sein „Heliodora", Trauer¬ spiel Von J.L. Klein, dem bekannten Versasser der „Geschichte des Dramas" und „Die glücklichen Bettler", ein morgenländisches Märchen, welches Paul Heyse frei nach Gozzi bearbeitet hat, um es der deutschen Bühne mundgerecht zu machen. Das Stück wurde vor etlichen Monaten in München zur Auffüh- rung gebracht. Auch am Epos können wir kurz vorübergehen. Zunächst sei der erste Theil einer neuen Ausgabe Hartmanns von Ane, herausgegeben von F. Bens, ge> nannt. Er bildet den vierten Band der bekannten vielversprechenden Samm¬ lung „Deutsche Klassiker des Mittelalters" und enthält das Heldengedicht „Erec der Wunderaere". In noch frühere Zeit griff W. Hahn zurück, indem er das Heldenlied „Helgi und Sigrun". einen abgeschlossenen Sagenstoff aus der älteren Edda — als Probe größerer Thätigkeit auf diesem Gebiete — ins Hochdeutsche übertrug. Daran schließt sich in einem stattlichen Bande eine neue Bearbeitung der Nibelungensage von W. Wegener unter dem Titel „ Siegfried und Chrim- Hilde". Dann mag noch genannt sein „Churfürst Max I. von Bayern. Episches Gedicht von H. Loses." Auch heute soll die Lyrik wieder den Neigen schließen. „Lose Ranken. Ein Büchlein catullischer Lieder" nennt sich eine Sammlung von W, Storck. Auch von K. Th. Kind und F. Körner liegen Verse vor, während B. Placzek Episch-Lyrisches mit viel jüdischen Ausdrücken in seinem Bändchen „Im Eruw" giebt. Die Wanderung durch die Belletristik ist in der Regel äußerst unerquicklich. Wie viele Spreu mußte man wegblasen, um einen gesunden Kern zu finden und wie Wenige giebt es, die dem Wort des Dichters gerecht werden: „Der Dichter sei ein Bildner, kein Trcmmbildcrcr, Kein Sinnvcrwirrcr. Phantaficverwildcrer, Ein Zähmer des Affects. Gefühles Milderer, Selbst in sich klar und aller Klarheit Schilderer."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/320>, abgerufen am 01.07.2024.