Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.hatten. Der Staat als solcher besaß die Gewalt. Der Staat als Eisenbahn¬ Man hatte durch den Staat vor einem Vierteljahrhundert vielleicht die Der Staat war aber nicht blos Inhaber der obersten Civilautorität, In¬ 4*
hatten. Der Staat als solcher besaß die Gewalt. Der Staat als Eisenbahn¬ Man hatte durch den Staat vor einem Vierteljahrhundert vielleicht die Der Staat war aber nicht blos Inhaber der obersten Civilautorität, In¬ 4*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190725"/> <p xml:id="ID_73" prev="#ID_72"> hatten. Der Staat als solcher besaß die Gewalt. Der Staat als Eisenbahn¬<lb/> fahrer und Befrachter hatte das Transportgcschäft. Was lag näher, als daß<lb/> der Inhaber der Gewalt sie verwerthete zum Vortheil des Geschäfts? Ohne<lb/> Concession des Staats dürfte weder gebaut, noch expropriirt werden. Der<lb/> Staat benutzte also seine Souveränetät in der Bau- und Expropriationsfrage,<lb/> um sich ein Monopol zu verschaffen und sich jede lästige odcr nachtheilige Con-<lb/> currenz vom Leibe zu halten. Dadurch aber mußte nothwendig die Qualität<lb/> der Transportleistung verschlechtert und deren Preis vcrtheuert werden. Dazu<lb/> kam, daß bei einer Staatsbahn, namentlich bei einer concurrenzlosen, im Hinter¬<lb/> grunde stets auch, noch der kategorische Imperativ des Finanzministers steht,<lb/> welcher sagt: „So und so viel müssen mir unsere Eisenbahnen abwerfen, sonst<lb/> kann ich mein Budget nicht im Gleichgewicht halten."</p><lb/> <p xml:id="ID_74"> Man hatte durch den Staat vor einem Vierteljahrhundert vielleicht die<lb/> eine Bahnlinie ein paar Jährchen früher erhalten, als sich der Unternehmungs¬<lb/> geist der Privaten daran gewagt hätte. Dafür bekam man die andern desto<lb/> später. War die Rentabilität eines neuen Projects durch jahrelange Agitation<lb/> außer Zweifel gestellt, so entschloß sich der Staat, nachdem er durch Verweigerung<lb/> der Concession das Unternehmen sechs odcr acht Jahre lang retardirt und da«<lb/> durch den Jntercssirten die schwersten Verluste zugefügt hatte, endlich «die<lb/> Sache selbst in die Hand zu nehmen". Die Bahn wurde also gebaut, aber<lb/> vom Staat, von dem Monopolisten, der keine Concurrenz duldet und dessen<lb/> administrative und technische Bureaukratie lieber herrscht als verwaltet. So<lb/> lange aber die Rentabilität eines neuen Projects zweifelhaft war, hinderte der<lb/> Staat den Bau, auch wenn Privatunternehmer selbständig das Risico tragen<lb/> wollten. Konnte doch das Project, wenn es gerieth, der Staatsbahn Con¬<lb/> currenz bereiten! Selbst bauen aber mochte es der Staat nicht, weil ihm das<lb/> Risico zu groß, weil die Staatseisenbahnschuld schon zu hoch gestiegen, weil<lb/> man der durch oppositionelle Deputirte vertretenen Gegend nicht gewogen war,<lb/> — entr, weil man nicht wollte; und das war Grund genug bei dem Inhaber<lb/> der obersten Gewalt, welcher mit dem östreichischen Minister von Schmerling<lb/> sagen konnte: „Wir können warten." „Wir aber nicht!" schrien Handel und<lb/> Industrie. — „Bah, laßt sie schreien! Was liegt daran?"</p><lb/> <p xml:id="ID_75" next="#ID_76"> Der Staat war aber nicht blos Inhaber der obersten Civilautorität, In¬<lb/> haber des Transportgeschäfts. des Monopols und der selbstgeschaffenen Pri¬<lb/> vilegien. Er war auch oberster Kriegsherr auf seinem eigenen, wenn auch noch<lb/> so kleinen Gebiet. Auf diesem' Gebiet aber galten die bekannten strategischen<lb/> Rücksichten, und diese wogen um so schwerer, als man aus einem souveränen<lb/> Gebiete von Hunderts urN' einigen Quadratmeilen niemals wissen konnte, woher<lb/> eigentlich der „Feind" kommen werde. Da hieß es denn „Feinde ringsum!"<lb/> Namentlich traute man, wie dies 1832 der darmstädtische Minister Freiherr</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 4*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
hatten. Der Staat als solcher besaß die Gewalt. Der Staat als Eisenbahn¬
fahrer und Befrachter hatte das Transportgcschäft. Was lag näher, als daß
der Inhaber der Gewalt sie verwerthete zum Vortheil des Geschäfts? Ohne
Concession des Staats dürfte weder gebaut, noch expropriirt werden. Der
Staat benutzte also seine Souveränetät in der Bau- und Expropriationsfrage,
um sich ein Monopol zu verschaffen und sich jede lästige odcr nachtheilige Con-
currenz vom Leibe zu halten. Dadurch aber mußte nothwendig die Qualität
der Transportleistung verschlechtert und deren Preis vcrtheuert werden. Dazu
kam, daß bei einer Staatsbahn, namentlich bei einer concurrenzlosen, im Hinter¬
grunde stets auch, noch der kategorische Imperativ des Finanzministers steht,
welcher sagt: „So und so viel müssen mir unsere Eisenbahnen abwerfen, sonst
kann ich mein Budget nicht im Gleichgewicht halten."
Man hatte durch den Staat vor einem Vierteljahrhundert vielleicht die
eine Bahnlinie ein paar Jährchen früher erhalten, als sich der Unternehmungs¬
geist der Privaten daran gewagt hätte. Dafür bekam man die andern desto
später. War die Rentabilität eines neuen Projects durch jahrelange Agitation
außer Zweifel gestellt, so entschloß sich der Staat, nachdem er durch Verweigerung
der Concession das Unternehmen sechs odcr acht Jahre lang retardirt und da«
durch den Jntercssirten die schwersten Verluste zugefügt hatte, endlich «die
Sache selbst in die Hand zu nehmen". Die Bahn wurde also gebaut, aber
vom Staat, von dem Monopolisten, der keine Concurrenz duldet und dessen
administrative und technische Bureaukratie lieber herrscht als verwaltet. So
lange aber die Rentabilität eines neuen Projects zweifelhaft war, hinderte der
Staat den Bau, auch wenn Privatunternehmer selbständig das Risico tragen
wollten. Konnte doch das Project, wenn es gerieth, der Staatsbahn Con¬
currenz bereiten! Selbst bauen aber mochte es der Staat nicht, weil ihm das
Risico zu groß, weil die Staatseisenbahnschuld schon zu hoch gestiegen, weil
man der durch oppositionelle Deputirte vertretenen Gegend nicht gewogen war,
— entr, weil man nicht wollte; und das war Grund genug bei dem Inhaber
der obersten Gewalt, welcher mit dem östreichischen Minister von Schmerling
sagen konnte: „Wir können warten." „Wir aber nicht!" schrien Handel und
Industrie. — „Bah, laßt sie schreien! Was liegt daran?"
Der Staat war aber nicht blos Inhaber der obersten Civilautorität, In¬
haber des Transportgeschäfts. des Monopols und der selbstgeschaffenen Pri¬
vilegien. Er war auch oberster Kriegsherr auf seinem eigenen, wenn auch noch
so kleinen Gebiet. Auf diesem' Gebiet aber galten die bekannten strategischen
Rücksichten, und diese wogen um so schwerer, als man aus einem souveränen
Gebiete von Hunderts urN' einigen Quadratmeilen niemals wissen konnte, woher
eigentlich der „Feind" kommen werde. Da hieß es denn „Feinde ringsum!"
Namentlich traute man, wie dies 1832 der darmstädtische Minister Freiherr
4*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |