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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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größtem Danck an, wenn Sie uns die Blätter senden wollen. Mein Gott,
man kann weder die elegante Zeit, noch den Freimüthigen*) lesen. --

Die Schaale, schalte erbärmliche Welt!!!

Es thut mir leid, daß eine Stelle meines Briefs Ihnen wehe gethan hat.
Das sollte sie nicht. -- Sie sind uns durch Ihren Geist und Charakter lieb
und werth geworden und sollens uns auch bleiben, bis wir des Gegentheil
durch 5g,ela überwiesen werden -- denn nur diese entscheiden bei uns ... .
Lassen Sie also die Stelle meines Briefs ungeschrieben seyn.

Etwas habe ich noch auf meinem Herzen. Sie haben sich einmal in einem
Urtheil über Knebels Poesien in Ihren Briefen versündigt. Wir wüßten
nicht, wer den Namen eines classischen Dichters mehr verdiente als Er.
Seine Elegien, wovon einige in den Musenalmanachen und im I. Merkur
stehen, seine Oden in der Adrastea, sind sie nicht den Alten an die Seite zu
setzen und für uns noch von süßerem Werth, da sie uns lebendiger und zu¬
sprechender durch die Nähe und Gegenwart werden! Wie weiß er Himmel und
Erde, die Natur und den Menschen in Ein geistiges Verhältniß zu bringen --
in ein höheres Reich der Harmonie uns zu erheben, aus dem Chaos thierischer
Leidenschaften -- und dies alles in der edelsten, würdigsten Darstellung, Poesie
und Sprache. -- Wenn Knebel nicht zum Dichter gesalbt ist, so kenne ich kei¬
nen. Seine Proyer; und Lucrez sind Meisterwerke der Uebersetzung -- sie geben
den Geist und Sinn des Autors in der für uns würdigsten Sprache und Dar¬
stellung. Das Original wird hier ein zweites im geistigsten, wahrsten Abdruck.
-- Verzeihen Sie, daß ich Ihnen davon rede. Sie müssen das Publikum aus
solche Geisteswerke, auf die wahre Poesie aufmerksam machen, -- Alles versinkt
ja in Plattheit, Gemeinheit, Albernheit und Dummheit.

Ist es z. E. nicht ewig schade, daß den Schlegels die spanische Poesie
in die Hände gerathen ist. -- Glauben Sie nur, in ihr liegt eine Welt voll
Schönheit! -- aber in welch einer närrischen, verwirrten, wortreich verworrenen
Sprache ersaufen sie den Geist; und doch erregen sie mit der darinnen nicht
ganz vertilgten Poesie Interesse, und verführen die jungen Leute, die in der
Welt der Poesie am liebsten leben.

Ach wie ist es zu beklagen, daß mein Mann nicht schon vor Jahren zu
diesem Garten der Hesperiden gegangen ist, wie er sich's, seit den Volksliedern,
so oft vorgenommen hatte. Schicksal, Schicksal, diesen Garten mit so albernen
wahnwitzigen Händen .verwüste zu sehen! Ich spreche so aufrichtig mit Ihnen,
als ob Sie bei uns am Theetisch säßen. Ich wünsche, daß meine Worte Funcken
würden, Sie zu beleben und die sündlich grausame Verwüstung zu zeigen --
ohne Haß und Groll und Leidenschaft.



-) Damals von Kotzebue allein redigirt.
38*

größtem Danck an, wenn Sie uns die Blätter senden wollen. Mein Gott,
man kann weder die elegante Zeit, noch den Freimüthigen*) lesen. —

Die Schaale, schalte erbärmliche Welt!!!

Es thut mir leid, daß eine Stelle meines Briefs Ihnen wehe gethan hat.
Das sollte sie nicht. — Sie sind uns durch Ihren Geist und Charakter lieb
und werth geworden und sollens uns auch bleiben, bis wir des Gegentheil
durch 5g,ela überwiesen werden — denn nur diese entscheiden bei uns ... .
Lassen Sie also die Stelle meines Briefs ungeschrieben seyn.

Etwas habe ich noch auf meinem Herzen. Sie haben sich einmal in einem
Urtheil über Knebels Poesien in Ihren Briefen versündigt. Wir wüßten
nicht, wer den Namen eines classischen Dichters mehr verdiente als Er.
Seine Elegien, wovon einige in den Musenalmanachen und im I. Merkur
stehen, seine Oden in der Adrastea, sind sie nicht den Alten an die Seite zu
setzen und für uns noch von süßerem Werth, da sie uns lebendiger und zu¬
sprechender durch die Nähe und Gegenwart werden! Wie weiß er Himmel und
Erde, die Natur und den Menschen in Ein geistiges Verhältniß zu bringen —
in ein höheres Reich der Harmonie uns zu erheben, aus dem Chaos thierischer
Leidenschaften — und dies alles in der edelsten, würdigsten Darstellung, Poesie
und Sprache. — Wenn Knebel nicht zum Dichter gesalbt ist, so kenne ich kei¬
nen. Seine Proyer; und Lucrez sind Meisterwerke der Uebersetzung — sie geben
den Geist und Sinn des Autors in der für uns würdigsten Sprache und Dar¬
stellung. Das Original wird hier ein zweites im geistigsten, wahrsten Abdruck.
— Verzeihen Sie, daß ich Ihnen davon rede. Sie müssen das Publikum aus
solche Geisteswerke, auf die wahre Poesie aufmerksam machen, — Alles versinkt
ja in Plattheit, Gemeinheit, Albernheit und Dummheit.

Ist es z. E. nicht ewig schade, daß den Schlegels die spanische Poesie
in die Hände gerathen ist. — Glauben Sie nur, in ihr liegt eine Welt voll
Schönheit! — aber in welch einer närrischen, verwirrten, wortreich verworrenen
Sprache ersaufen sie den Geist; und doch erregen sie mit der darinnen nicht
ganz vertilgten Poesie Interesse, und verführen die jungen Leute, die in der
Welt der Poesie am liebsten leben.

Ach wie ist es zu beklagen, daß mein Mann nicht schon vor Jahren zu
diesem Garten der Hesperiden gegangen ist, wie er sich's, seit den Volksliedern,
so oft vorgenommen hatte. Schicksal, Schicksal, diesen Garten mit so albernen
wahnwitzigen Händen .verwüste zu sehen! Ich spreche so aufrichtig mit Ihnen,
als ob Sie bei uns am Theetisch säßen. Ich wünsche, daß meine Worte Funcken
würden, Sie zu beleben und die sündlich grausame Verwüstung zu zeigen —
ohne Haß und Groll und Leidenschaft.



-) Damals von Kotzebue allein redigirt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/303>, abgerufen am 24.08.2024.