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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Sie sind ein sehr lieber, verständiger Mann, wenn Sie loben -- nehmlich
würdig -- der Wissenschaft, dem Autor und sich selbst wohlanständig! Ich darf
es Ihnen wohl vertrauen, daß Ihr Lob unter allen uns am angenehmsten ist.
Es geschieht mit Geist und Gemüth zugleich.

Wünschen Sie aber um Gottes willen meinen Mann nicht nach Berlin.
Weder der durchschneidende Geist der Herren Berliner, noch der militärische
paßt für ihn -- wenn Ihr Geist ihm etwas zu wünsche" vermag, so sei es
eine von Akten befreite, nur den Wissenschaften und sich selbst lebende Exi¬
stenz -- dies ist mein stiller Wunsch für ihn und dies ists allein, was
ihm Leben und Geist erhalten kann.

Daß Sie die Ariadne so aufgenommen haben, hat mich innigst erfreut.
Wie wenige haben bei dem jetzigen Klinklang nur Sinn für so Etwas!

So hoffe ich, daß Sie mein Lieblingsstück den Eid im IX. Se. der
Adrastea nicht übersehen werden. Es hat mich ganz überzeugt, daß nur histo¬
rische Gegenstände. Facta, die hauptsächlichste Wirkung auf die Einbildungs¬
kraft thuen, den meisten Reiz annehmen und das menschliche Gemüth ganz
änderst erfassen, als der idealische Klingklang aus nichts und zu nichts. Dieser
Eid hat mich ebenso ergriffen, als vor 30 Jahren die Odyssee und -- nur
Ihnen darf ichs vertrauen, daß er mir noch lebendiger zuspricht, indem er uns
näher ist: noch von den Volksliedern her liegen viele Romanzen von Cid unter
meuies Mannes Papieren, die wurden jetzt hervorgeholt, da er über die Epopen
schrieb. Er ist beinahe fertig mit den ganzen Epopen von Cid; das X. Stück
der Adrastea wird sie ganz enthalten.

Ich hoffe, Sie werden diese Manier, spanische Poesie zu übersetzen, der
Schlegelschen vorziehen. Mein Mann hatte sich gehütet, den spanischen lang¬
tönenden Klang der Worte, der unser Ohr ermüdet, mit herüber zu tragen.
Er hat uns den Spanischen Geist, wie er uns Deutschen am lebendigsten
und prägnantesten vernehmbar wäre, zu geben versucht. Dies ist doch wohl
die erste Pflicht jedes Uebersetzers, jeder fremden Sprache. Die Fortsetzung
dieser Epopen wird Ihnen so viel Freude machen, denke ich. als dieser Anfang.

Sie sehn, ich suche Sie für dies Stück zu interessiren, weil ich Sie hierüber
etwas bitten will. Mein Mann wünscht zu wisse", ob sich vielleicht eine alte
Geschichte von Cid irgend vorfände. Sollte Ihnen davon bekannt sein, so
melden Sie mir gefälligst den Titel. Oder sollten Sie sie bei einem Mackler
alter Bücher vorfinden, o so senden Sie das Buch gefälligst und baldigst. Sie
werden meinen Mann unendlich damit erfreuen. Es ist ihm wichtig zu wissen,
ob er alle Romanzen von Cid habe. Auch Romanzen von Cid sind ihm sehr
willkommen.

Auf Ihren Ernst und Scherz freuen wir uns sehr, und nehmen es mit


Sie sind ein sehr lieber, verständiger Mann, wenn Sie loben — nehmlich
würdig — der Wissenschaft, dem Autor und sich selbst wohlanständig! Ich darf
es Ihnen wohl vertrauen, daß Ihr Lob unter allen uns am angenehmsten ist.
Es geschieht mit Geist und Gemüth zugleich.

Wünschen Sie aber um Gottes willen meinen Mann nicht nach Berlin.
Weder der durchschneidende Geist der Herren Berliner, noch der militärische
paßt für ihn — wenn Ihr Geist ihm etwas zu wünsche» vermag, so sei es
eine von Akten befreite, nur den Wissenschaften und sich selbst lebende Exi¬
stenz — dies ist mein stiller Wunsch für ihn und dies ists allein, was
ihm Leben und Geist erhalten kann.

Daß Sie die Ariadne so aufgenommen haben, hat mich innigst erfreut.
Wie wenige haben bei dem jetzigen Klinklang nur Sinn für so Etwas!

So hoffe ich, daß Sie mein Lieblingsstück den Eid im IX. Se. der
Adrastea nicht übersehen werden. Es hat mich ganz überzeugt, daß nur histo¬
rische Gegenstände. Facta, die hauptsächlichste Wirkung auf die Einbildungs¬
kraft thuen, den meisten Reiz annehmen und das menschliche Gemüth ganz
änderst erfassen, als der idealische Klingklang aus nichts und zu nichts. Dieser
Eid hat mich ebenso ergriffen, als vor 30 Jahren die Odyssee und — nur
Ihnen darf ichs vertrauen, daß er mir noch lebendiger zuspricht, indem er uns
näher ist: noch von den Volksliedern her liegen viele Romanzen von Cid unter
meuies Mannes Papieren, die wurden jetzt hervorgeholt, da er über die Epopen
schrieb. Er ist beinahe fertig mit den ganzen Epopen von Cid; das X. Stück
der Adrastea wird sie ganz enthalten.

Ich hoffe, Sie werden diese Manier, spanische Poesie zu übersetzen, der
Schlegelschen vorziehen. Mein Mann hatte sich gehütet, den spanischen lang¬
tönenden Klang der Worte, der unser Ohr ermüdet, mit herüber zu tragen.
Er hat uns den Spanischen Geist, wie er uns Deutschen am lebendigsten
und prägnantesten vernehmbar wäre, zu geben versucht. Dies ist doch wohl
die erste Pflicht jedes Uebersetzers, jeder fremden Sprache. Die Fortsetzung
dieser Epopen wird Ihnen so viel Freude machen, denke ich. als dieser Anfang.

Sie sehn, ich suche Sie für dies Stück zu interessiren, weil ich Sie hierüber
etwas bitten will. Mein Mann wünscht zu wisse», ob sich vielleicht eine alte
Geschichte von Cid irgend vorfände. Sollte Ihnen davon bekannt sein, so
melden Sie mir gefälligst den Titel. Oder sollten Sie sie bei einem Mackler
alter Bücher vorfinden, o so senden Sie das Buch gefälligst und baldigst. Sie
werden meinen Mann unendlich damit erfreuen. Es ist ihm wichtig zu wissen,
ob er alle Romanzen von Cid habe. Auch Romanzen von Cid sind ihm sehr
willkommen.

Auf Ihren Ernst und Scherz freuen wir uns sehr, und nehmen es mit


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[0302] Sie sind ein sehr lieber, verständiger Mann, wenn Sie loben — nehmlich würdig — der Wissenschaft, dem Autor und sich selbst wohlanständig! Ich darf es Ihnen wohl vertrauen, daß Ihr Lob unter allen uns am angenehmsten ist. Es geschieht mit Geist und Gemüth zugleich. Wünschen Sie aber um Gottes willen meinen Mann nicht nach Berlin. Weder der durchschneidende Geist der Herren Berliner, noch der militärische paßt für ihn — wenn Ihr Geist ihm etwas zu wünsche» vermag, so sei es eine von Akten befreite, nur den Wissenschaften und sich selbst lebende Exi¬ stenz — dies ist mein stiller Wunsch für ihn und dies ists allein, was ihm Leben und Geist erhalten kann. Daß Sie die Ariadne so aufgenommen haben, hat mich innigst erfreut. Wie wenige haben bei dem jetzigen Klinklang nur Sinn für so Etwas! So hoffe ich, daß Sie mein Lieblingsstück den Eid im IX. Se. der Adrastea nicht übersehen werden. Es hat mich ganz überzeugt, daß nur histo¬ rische Gegenstände. Facta, die hauptsächlichste Wirkung auf die Einbildungs¬ kraft thuen, den meisten Reiz annehmen und das menschliche Gemüth ganz änderst erfassen, als der idealische Klingklang aus nichts und zu nichts. Dieser Eid hat mich ebenso ergriffen, als vor 30 Jahren die Odyssee und — nur Ihnen darf ichs vertrauen, daß er mir noch lebendiger zuspricht, indem er uns näher ist: noch von den Volksliedern her liegen viele Romanzen von Cid unter meuies Mannes Papieren, die wurden jetzt hervorgeholt, da er über die Epopen schrieb. Er ist beinahe fertig mit den ganzen Epopen von Cid; das X. Stück der Adrastea wird sie ganz enthalten. Ich hoffe, Sie werden diese Manier, spanische Poesie zu übersetzen, der Schlegelschen vorziehen. Mein Mann hatte sich gehütet, den spanischen lang¬ tönenden Klang der Worte, der unser Ohr ermüdet, mit herüber zu tragen. Er hat uns den Spanischen Geist, wie er uns Deutschen am lebendigsten und prägnantesten vernehmbar wäre, zu geben versucht. Dies ist doch wohl die erste Pflicht jedes Uebersetzers, jeder fremden Sprache. Die Fortsetzung dieser Epopen wird Ihnen so viel Freude machen, denke ich. als dieser Anfang. Sie sehn, ich suche Sie für dies Stück zu interessiren, weil ich Sie hierüber etwas bitten will. Mein Mann wünscht zu wisse», ob sich vielleicht eine alte Geschichte von Cid irgend vorfände. Sollte Ihnen davon bekannt sein, so melden Sie mir gefälligst den Titel. Oder sollten Sie sie bei einem Mackler alter Bücher vorfinden, o so senden Sie das Buch gefälligst und baldigst. Sie werden meinen Mann unendlich damit erfreuen. Es ist ihm wichtig zu wissen, ob er alle Romanzen von Cid habe. Auch Romanzen von Cid sind ihm sehr willkommen. Auf Ihren Ernst und Scherz freuen wir uns sehr, und nehmen es mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/302>, abgerufen am 22.07.2024.