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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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neuen Kriegsgefahr von Seiten unserer Nachbarn aussetzt, Wie aber diese Si-
cherung zu gewinnen ist, sehen wir zur Zeit nicht ein.

Und deshalb lassen wir uns durch die neuen Friedensnachnchten über den
Ernst unserer Lage nicht täuschen.




Literarisches.
Welt oder Weste?
Beitrag zur Textkritik des Wilhelm Meister.

Zu den Emendationen, die M. Bernays in seinem bekannten anregenden
Schriftchen dem Texte Goethes aus den Originaldrucken der Einzelwerke bei¬
bringen will, gehört eine im Wilhelm Meister, die ich nicht billigen kann. Eine
Besprechung der Sache wirb wiederum dazu dienen, den kritischen Werth der
Originalausgaben auf das rechte Maß zurückzuführen.

Es handelt sich um den Anfang des sechsten Capitels des siebenten Buchs

Die Situation ist diese. Wilhelm hat Lydia zu Theresen gebracht und
diese eben kennen gelernt. Sie hat ihm bereits mit einem Seufzer und einer
Thräne im Auge von ihrem früheren Verhältniß zu Lothario gesprochen und
verheißen ihre Geschichte zu erzählen.

Gegen Abend, heißt es, öffnete sich seine Thüre, und ein junger artiger
Jägerbursche trat mit einem Gruße herein. "Wollen wir nun spazieren gehn?
sagte der junge Mensch, und in dem Augenblick erkannte Wilhelm Theresen an
ihren schönen Augen. Verzeihen Sie mir diese Maskerade, fing sie an. denn
leider ist es jetzt nur Maskerade. Doch da ich einmal von der Zeit erzählen
soll, in der ich mich so gerne in dieser Welt sah. will ich mir auch jene Tage
auf alle Weise vergegenwärtigen. Kommen Sie, selbst der Platz, an dem wir
so oft von unsern Jagden und Spaziergängen ausrüsten, soll dazu beitragen."

Sie lagern sich unter einer Eiche und Therese beginnt, wie sie sagt, die
Geschichte eines deutschen Mädchens. Ich setze diese natürlich als bekannt vor¬
aus und erinnere nur daran, daß Therese nach dem Tode ihres Vaters die
Aufsicht über die Waldungen einer Freundin übernimmt und für diese forse-


neuen Kriegsgefahr von Seiten unserer Nachbarn aussetzt, Wie aber diese Si-
cherung zu gewinnen ist, sehen wir zur Zeit nicht ein.

Und deshalb lassen wir uns durch die neuen Friedensnachnchten über den
Ernst unserer Lage nicht täuschen.




Literarisches.
Welt oder Weste?
Beitrag zur Textkritik des Wilhelm Meister.

Zu den Emendationen, die M. Bernays in seinem bekannten anregenden
Schriftchen dem Texte Goethes aus den Originaldrucken der Einzelwerke bei¬
bringen will, gehört eine im Wilhelm Meister, die ich nicht billigen kann. Eine
Besprechung der Sache wirb wiederum dazu dienen, den kritischen Werth der
Originalausgaben auf das rechte Maß zurückzuführen.

Es handelt sich um den Anfang des sechsten Capitels des siebenten Buchs

Die Situation ist diese. Wilhelm hat Lydia zu Theresen gebracht und
diese eben kennen gelernt. Sie hat ihm bereits mit einem Seufzer und einer
Thräne im Auge von ihrem früheren Verhältniß zu Lothario gesprochen und
verheißen ihre Geschichte zu erzählen.

Gegen Abend, heißt es, öffnete sich seine Thüre, und ein junger artiger
Jägerbursche trat mit einem Gruße herein. »Wollen wir nun spazieren gehn?
sagte der junge Mensch, und in dem Augenblick erkannte Wilhelm Theresen an
ihren schönen Augen. Verzeihen Sie mir diese Maskerade, fing sie an. denn
leider ist es jetzt nur Maskerade. Doch da ich einmal von der Zeit erzählen
soll, in der ich mich so gerne in dieser Welt sah. will ich mir auch jene Tage
auf alle Weise vergegenwärtigen. Kommen Sie, selbst der Platz, an dem wir
so oft von unsern Jagden und Spaziergängen ausrüsten, soll dazu beitragen."

Sie lagern sich unter einer Eiche und Therese beginnt, wie sie sagt, die
Geschichte eines deutschen Mädchens. Ich setze diese natürlich als bekannt vor¬
aus und erinnere nur daran, daß Therese nach dem Tode ihres Vaters die
Aufsicht über die Waldungen einer Freundin übernimmt und für diese forse-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/241>, abgerufen am 24.08.2024.