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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Frieden durch den Zollverein mit uns verbunden, im Uebrigen ohne alle Prästa¬
tionen für den norddeutschen Bund. Es wäre keine ideale Lösung aber sie
wäre alles, was wir jetzt erreichen könnten. Die Frage ist nur, wer wird dem
König von Holland die Summe für Luxemburg bezahlen, welche er von Frank¬
reich entweder gefordert oder bereits erhalten hat.

In jedem Fall wird durch die Vermittlung, durch Konferenz und Vertrag
die Entscheidung einer Grenzsrage nur vertagt, und uns wird zugemuthet, für
diese Vertagung ein Opfer zu bringen.

Wenn wir wenigstens die Sicherheit hätten, daß dieses Opfer uns in
Wirklichkeit den Frieden auf einige Zeit bewahren werde. Aber diese Sicher¬
heit entbehren wir ganz. Wer bürgt uns dafür, daß nicht in wenig Monaten
dieselbe Berserkern in unsere liebenswürdigen Nachbarn fährt? eine geheime
Speculation des Kaisers, Eitelkeit und Eifersucht der Menge, Eigennutz einiger
schlechten journalistischen Individuen zu Paris vermag jeden Tag ähnliche
Kriegssanfaren zu uns herüberzusenden. Wahrlich, die deutsche Geduld war
schon diesmal auf eine harte Probe gestellt. Erst machte man ein Geschäft
über den Köpfen preußischer Soldaten hinweg, dann sing man einen Kriegs¬
lärm an, der unerwarteter und unbegründeter wohl niemals gegen eine fried¬
liche Nation getobt hat, und als endlich auch einzelne Deutsche entrüstet nach
den wüsten Krakehlern in Paris ausschauten, wurde uns sogar von wackeren
Landsleuten in Frankreich unzufrieden bemerkt, unser Unwille Schure das Feuer,
verschlimmre die Lage. Im Grunde sei Frankreich verständig und friedliebend,
es seien nur einzelne Schreier, allenfalls eine Minorität u. s. w.

Wohl möglich. Aber diese Minorität vermochte zu regieren, zu rüsten, die
öffentliche Meinung ohne großen Widerstand, ja mit geheimer Unterstützung des
Kaisers aufzuregen, zu fanatisnen. Es thut uns sehr leid, daß der gute
Wille und die friedliche Gesinnung Frankreichs jedesmal bei dergleichen Emo¬
tionen seiner Presse und Volksvertretung für uns wenig wahrnehmbar sind.
Uns hat es an Ruhe diesmal sicher nicht gefehlt.

Wir werden auch fernerhin der alten Kriegslust der Franzosen keine ge¬
gründete Veranlassung geben, wir wollen ihnen keinen Mann entführen, kein
Dorf abstreichen, welches den Vorzug genießt, seine strebsamen Söhne und
Töchter in Paris zu bilden. Aber wir fürchten demungeachtet, daß jeder neue
Schritt, den wir in unseren deutschen Angelegenheiten thun, die franzö¬
sische Eifersucht in ähnlicher Weise aufregen kann, wie jetzt der Gedanke an
Luxemburg.

Die Südstaaten Deutschlands vermögen aus eigener Kraft keinen genügen¬
den militärischen Schutz für ihre Territorien zu organisiren. Sie haben bis jetzt
wenig für Reorganisation ihrer Heere gethan und werden nicht viel thun. Auch


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Frieden durch den Zollverein mit uns verbunden, im Uebrigen ohne alle Prästa¬
tionen für den norddeutschen Bund. Es wäre keine ideale Lösung aber sie
wäre alles, was wir jetzt erreichen könnten. Die Frage ist nur, wer wird dem
König von Holland die Summe für Luxemburg bezahlen, welche er von Frank¬
reich entweder gefordert oder bereits erhalten hat.

In jedem Fall wird durch die Vermittlung, durch Konferenz und Vertrag
die Entscheidung einer Grenzsrage nur vertagt, und uns wird zugemuthet, für
diese Vertagung ein Opfer zu bringen.

Wenn wir wenigstens die Sicherheit hätten, daß dieses Opfer uns in
Wirklichkeit den Frieden auf einige Zeit bewahren werde. Aber diese Sicher¬
heit entbehren wir ganz. Wer bürgt uns dafür, daß nicht in wenig Monaten
dieselbe Berserkern in unsere liebenswürdigen Nachbarn fährt? eine geheime
Speculation des Kaisers, Eitelkeit und Eifersucht der Menge, Eigennutz einiger
schlechten journalistischen Individuen zu Paris vermag jeden Tag ähnliche
Kriegssanfaren zu uns herüberzusenden. Wahrlich, die deutsche Geduld war
schon diesmal auf eine harte Probe gestellt. Erst machte man ein Geschäft
über den Köpfen preußischer Soldaten hinweg, dann sing man einen Kriegs¬
lärm an, der unerwarteter und unbegründeter wohl niemals gegen eine fried¬
liche Nation getobt hat, und als endlich auch einzelne Deutsche entrüstet nach
den wüsten Krakehlern in Paris ausschauten, wurde uns sogar von wackeren
Landsleuten in Frankreich unzufrieden bemerkt, unser Unwille Schure das Feuer,
verschlimmre die Lage. Im Grunde sei Frankreich verständig und friedliebend,
es seien nur einzelne Schreier, allenfalls eine Minorität u. s. w.

Wohl möglich. Aber diese Minorität vermochte zu regieren, zu rüsten, die
öffentliche Meinung ohne großen Widerstand, ja mit geheimer Unterstützung des
Kaisers aufzuregen, zu fanatisnen. Es thut uns sehr leid, daß der gute
Wille und die friedliche Gesinnung Frankreichs jedesmal bei dergleichen Emo¬
tionen seiner Presse und Volksvertretung für uns wenig wahrnehmbar sind.
Uns hat es an Ruhe diesmal sicher nicht gefehlt.

Wir werden auch fernerhin der alten Kriegslust der Franzosen keine ge¬
gründete Veranlassung geben, wir wollen ihnen keinen Mann entführen, kein
Dorf abstreichen, welches den Vorzug genießt, seine strebsamen Söhne und
Töchter in Paris zu bilden. Aber wir fürchten demungeachtet, daß jeder neue
Schritt, den wir in unseren deutschen Angelegenheiten thun, die franzö¬
sische Eifersucht in ähnlicher Weise aufregen kann, wie jetzt der Gedanke an
Luxemburg.

Die Südstaaten Deutschlands vermögen aus eigener Kraft keinen genügen¬
den militärischen Schutz für ihre Territorien zu organisiren. Sie haben bis jetzt
wenig für Reorganisation ihrer Heere gethan und werden nicht viel thun. Auch


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[0239] Frieden durch den Zollverein mit uns verbunden, im Uebrigen ohne alle Prästa¬ tionen für den norddeutschen Bund. Es wäre keine ideale Lösung aber sie wäre alles, was wir jetzt erreichen könnten. Die Frage ist nur, wer wird dem König von Holland die Summe für Luxemburg bezahlen, welche er von Frank¬ reich entweder gefordert oder bereits erhalten hat. In jedem Fall wird durch die Vermittlung, durch Konferenz und Vertrag die Entscheidung einer Grenzsrage nur vertagt, und uns wird zugemuthet, für diese Vertagung ein Opfer zu bringen. Wenn wir wenigstens die Sicherheit hätten, daß dieses Opfer uns in Wirklichkeit den Frieden auf einige Zeit bewahren werde. Aber diese Sicher¬ heit entbehren wir ganz. Wer bürgt uns dafür, daß nicht in wenig Monaten dieselbe Berserkern in unsere liebenswürdigen Nachbarn fährt? eine geheime Speculation des Kaisers, Eitelkeit und Eifersucht der Menge, Eigennutz einiger schlechten journalistischen Individuen zu Paris vermag jeden Tag ähnliche Kriegssanfaren zu uns herüberzusenden. Wahrlich, die deutsche Geduld war schon diesmal auf eine harte Probe gestellt. Erst machte man ein Geschäft über den Köpfen preußischer Soldaten hinweg, dann sing man einen Kriegs¬ lärm an, der unerwarteter und unbegründeter wohl niemals gegen eine fried¬ liche Nation getobt hat, und als endlich auch einzelne Deutsche entrüstet nach den wüsten Krakehlern in Paris ausschauten, wurde uns sogar von wackeren Landsleuten in Frankreich unzufrieden bemerkt, unser Unwille Schure das Feuer, verschlimmre die Lage. Im Grunde sei Frankreich verständig und friedliebend, es seien nur einzelne Schreier, allenfalls eine Minorität u. s. w. Wohl möglich. Aber diese Minorität vermochte zu regieren, zu rüsten, die öffentliche Meinung ohne großen Widerstand, ja mit geheimer Unterstützung des Kaisers aufzuregen, zu fanatisnen. Es thut uns sehr leid, daß der gute Wille und die friedliche Gesinnung Frankreichs jedesmal bei dergleichen Emo¬ tionen seiner Presse und Volksvertretung für uns wenig wahrnehmbar sind. Uns hat es an Ruhe diesmal sicher nicht gefehlt. Wir werden auch fernerhin der alten Kriegslust der Franzosen keine ge¬ gründete Veranlassung geben, wir wollen ihnen keinen Mann entführen, kein Dorf abstreichen, welches den Vorzug genießt, seine strebsamen Söhne und Töchter in Paris zu bilden. Aber wir fürchten demungeachtet, daß jeder neue Schritt, den wir in unseren deutschen Angelegenheiten thun, die franzö¬ sische Eifersucht in ähnlicher Weise aufregen kann, wie jetzt der Gedanke an Luxemburg. Die Südstaaten Deutschlands vermögen aus eigener Kraft keinen genügen¬ den militärischen Schutz für ihre Territorien zu organisiren. Sie haben bis jetzt wenig für Reorganisation ihrer Heere gethan und werden nicht viel thun. Auch , 30"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/239>, abgerufen am 22.07.2024.