Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Praktischen Blick, angesehene Lebensstellung, Energie und Initiative anbelangt,
nicht leicht von jemandem übertroffen werden. Für die Gesellschaft im Ganzen
ist sein Präsidium von ausgemachten und allgemein anerkannten Werthe. Er
hat aber für die Vorsitzführung mitunter die Fehler seiner Vorzüge an sich,
d. h. ein zu starkes persönliches Eingreifen >in die Debatte, eine zu reizbare
Ungeduld gegen Abschweifungen oder was ihm als dergleichen erscheint, ja wohl
auch gegen eingehend erschöpfende Besprechung von Hauptfragen überhaupt.
Eine gewisse Ermüdung kam in die des beste" Willens volle Versammlung der
Ausschußmitglieder schon dadurch, daß sie den Jahresbericht mußte vorlesen
hören, anstatt ihn gedruckt auf ihren Plätzen zu finden, was. so trefflich der
Bericht auch orientirte, doch die "achtseitige Wirkung hatte, daß die Frische der
ersten Stunde den eigentlichen Verhandlungen verloren ging. Nachher litten
diese dann noch einigermaßen unter der Fluth von Anträgen der Bezirksver-
waltungcn. worin sich namentlich diejenige für das westliche Schleswig hervor¬
gethan hatte. Da der Lorsitzende den Stoff gern in einer einzigen Sitzung
erledigen wollte, so trat später ein wahrer Wetteifer zwischen ihm und den
Antragstellern ein, freiwillig zurückzuziehen oder zur Zurückziehung zu bestimmen,
was dann wieder nicht i" allen Fällen zum Vortheil der Sache ausschlagen
konnte. Beispielsweise hätte eine Besprechung über die die Bezirksvereine be¬
treffenden Vorschriften des Statuts wohl dazu führen können, die Verhandlung
mit den außenstehenden Vereinen wegen ihres Eintritts einen Schritt weiter¬
zuführen. Diese Verhandlung ist in Lübeck anscheinend gar nicht vorwärts
gerückt, obgleich alle drei Svndervereine durch leitende Mitglieder vertreten waren
(Hamburg durch Herrn Ad. Godeffroy, Ostfriesland durch Obcrzollinspector
Breusing aus Enden. Stralsund durch Professor Zober). Eine Berührung des
Punktes auf der beiden Parteien zugänglichen Jahresversammlung der deutschen
Gesellschaft mußte natürlich tactvoll geschehen, um nicht zu schaden statt
zu nützen; aber in dieser Hinsicht hätte man sich ja sowohl auf die Lei¬
tung, wie auf die einzelnen Theilnehmer der Debatte unbedenklich verlassen
können.

Unter den letzteren war auch der ehemalige erste Generalsecretär und eigent¬
liche Gründer der Gesellschaft, Professor Emminghaus aus Karlsruhe. Er ver¬
trat den großen südwestdcutschcn Bezirlsverein. der Baden, Würtemberg, die
bayerische Rheinpfalz und Rheinhessen umfaßt. Im letzten Winter gegründet,
ist dieser Verein auf seine Art auch ein Protest gegen die Mainlinie, die die
deutsche Rettungsgesellschaft mit ihm erst recht eigentlich herrschend überschritten
bat. Es ist, als ob unsere süddeutschen Brüder sich seit der Stiftung des
norddeutschen Bundes doppelt verpflichtet glaubten, jede Gelegenheit zu er¬
greifen, um ihre Zusammengehörigkeit mit dem Norden thatsächlich und opfer-


Grenzboten II. 1867. 30

Praktischen Blick, angesehene Lebensstellung, Energie und Initiative anbelangt,
nicht leicht von jemandem übertroffen werden. Für die Gesellschaft im Ganzen
ist sein Präsidium von ausgemachten und allgemein anerkannten Werthe. Er
hat aber für die Vorsitzführung mitunter die Fehler seiner Vorzüge an sich,
d. h. ein zu starkes persönliches Eingreifen >in die Debatte, eine zu reizbare
Ungeduld gegen Abschweifungen oder was ihm als dergleichen erscheint, ja wohl
auch gegen eingehend erschöpfende Besprechung von Hauptfragen überhaupt.
Eine gewisse Ermüdung kam in die des beste» Willens volle Versammlung der
Ausschußmitglieder schon dadurch, daß sie den Jahresbericht mußte vorlesen
hören, anstatt ihn gedruckt auf ihren Plätzen zu finden, was. so trefflich der
Bericht auch orientirte, doch die »achtseitige Wirkung hatte, daß die Frische der
ersten Stunde den eigentlichen Verhandlungen verloren ging. Nachher litten
diese dann noch einigermaßen unter der Fluth von Anträgen der Bezirksver-
waltungcn. worin sich namentlich diejenige für das westliche Schleswig hervor¬
gethan hatte. Da der Lorsitzende den Stoff gern in einer einzigen Sitzung
erledigen wollte, so trat später ein wahrer Wetteifer zwischen ihm und den
Antragstellern ein, freiwillig zurückzuziehen oder zur Zurückziehung zu bestimmen,
was dann wieder nicht i» allen Fällen zum Vortheil der Sache ausschlagen
konnte. Beispielsweise hätte eine Besprechung über die die Bezirksvereine be¬
treffenden Vorschriften des Statuts wohl dazu führen können, die Verhandlung
mit den außenstehenden Vereinen wegen ihres Eintritts einen Schritt weiter¬
zuführen. Diese Verhandlung ist in Lübeck anscheinend gar nicht vorwärts
gerückt, obgleich alle drei Svndervereine durch leitende Mitglieder vertreten waren
(Hamburg durch Herrn Ad. Godeffroy, Ostfriesland durch Obcrzollinspector
Breusing aus Enden. Stralsund durch Professor Zober). Eine Berührung des
Punktes auf der beiden Parteien zugänglichen Jahresversammlung der deutschen
Gesellschaft mußte natürlich tactvoll geschehen, um nicht zu schaden statt
zu nützen; aber in dieser Hinsicht hätte man sich ja sowohl auf die Lei¬
tung, wie auf die einzelnen Theilnehmer der Debatte unbedenklich verlassen
können.

Unter den letzteren war auch der ehemalige erste Generalsecretär und eigent¬
liche Gründer der Gesellschaft, Professor Emminghaus aus Karlsruhe. Er ver¬
trat den großen südwestdcutschcn Bezirlsverein. der Baden, Würtemberg, die
bayerische Rheinpfalz und Rheinhessen umfaßt. Im letzten Winter gegründet,
ist dieser Verein auf seine Art auch ein Protest gegen die Mainlinie, die die
deutsche Rettungsgesellschaft mit ihm erst recht eigentlich herrschend überschritten
bat. Es ist, als ob unsere süddeutschen Brüder sich seit der Stiftung des
norddeutschen Bundes doppelt verpflichtet glaubten, jede Gelegenheit zu er¬
greifen, um ihre Zusammengehörigkeit mit dem Norden thatsächlich und opfer-


Grenzboten II. 1867. 30
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190931"/>
          <p xml:id="ID_772" prev="#ID_771"> Praktischen Blick, angesehene Lebensstellung, Energie und Initiative anbelangt,<lb/>
nicht leicht von jemandem übertroffen werden. Für die Gesellschaft im Ganzen<lb/>
ist sein Präsidium von ausgemachten und allgemein anerkannten Werthe. Er<lb/>
hat aber für die Vorsitzführung mitunter die Fehler seiner Vorzüge an sich,<lb/>
d. h. ein zu starkes persönliches Eingreifen &gt;in die Debatte, eine zu reizbare<lb/>
Ungeduld gegen Abschweifungen oder was ihm als dergleichen erscheint, ja wohl<lb/>
auch gegen eingehend erschöpfende Besprechung von Hauptfragen überhaupt.<lb/>
Eine gewisse Ermüdung kam in die des beste» Willens volle Versammlung der<lb/>
Ausschußmitglieder schon dadurch, daß sie den Jahresbericht mußte vorlesen<lb/>
hören, anstatt ihn gedruckt auf ihren Plätzen zu finden, was. so trefflich der<lb/>
Bericht auch orientirte, doch die »achtseitige Wirkung hatte, daß die Frische der<lb/>
ersten Stunde den eigentlichen Verhandlungen verloren ging. Nachher litten<lb/>
diese dann noch einigermaßen unter der Fluth von Anträgen der Bezirksver-<lb/>
waltungcn. worin sich namentlich diejenige für das westliche Schleswig hervor¬<lb/>
gethan hatte. Da der Lorsitzende den Stoff gern in einer einzigen Sitzung<lb/>
erledigen wollte, so trat später ein wahrer Wetteifer zwischen ihm und den<lb/>
Antragstellern ein, freiwillig zurückzuziehen oder zur Zurückziehung zu bestimmen,<lb/>
was dann wieder nicht i» allen Fällen zum Vortheil der Sache ausschlagen<lb/>
konnte. Beispielsweise hätte eine Besprechung über die die Bezirksvereine be¬<lb/>
treffenden Vorschriften des Statuts wohl dazu führen können, die Verhandlung<lb/>
mit den außenstehenden Vereinen wegen ihres Eintritts einen Schritt weiter¬<lb/>
zuführen. Diese Verhandlung ist in Lübeck anscheinend gar nicht vorwärts<lb/>
gerückt, obgleich alle drei Svndervereine durch leitende Mitglieder vertreten waren<lb/>
(Hamburg durch Herrn Ad. Godeffroy, Ostfriesland durch Obcrzollinspector<lb/>
Breusing aus Enden. Stralsund durch Professor Zober). Eine Berührung des<lb/>
Punktes auf der beiden Parteien zugänglichen Jahresversammlung der deutschen<lb/>
Gesellschaft mußte natürlich tactvoll geschehen, um nicht zu schaden statt<lb/>
zu nützen; aber in dieser Hinsicht hätte man sich ja sowohl auf die Lei¬<lb/>
tung, wie auf die einzelnen Theilnehmer der Debatte unbedenklich verlassen<lb/>
können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_773" next="#ID_774"> Unter den letzteren war auch der ehemalige erste Generalsecretär und eigent¬<lb/>
liche Gründer der Gesellschaft, Professor Emminghaus aus Karlsruhe. Er ver¬<lb/>
trat den großen südwestdcutschcn Bezirlsverein. der Baden, Würtemberg, die<lb/>
bayerische Rheinpfalz und Rheinhessen umfaßt. Im letzten Winter gegründet,<lb/>
ist dieser Verein auf seine Art auch ein Protest gegen die Mainlinie, die die<lb/>
deutsche Rettungsgesellschaft mit ihm erst recht eigentlich herrschend überschritten<lb/>
bat. Es ist, als ob unsere süddeutschen Brüder sich seit der Stiftung des<lb/>
norddeutschen Bundes doppelt verpflichtet glaubten, jede Gelegenheit zu er¬<lb/>
greifen, um ihre Zusammengehörigkeit mit dem Norden thatsächlich und opfer-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1867. 30</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0237] Praktischen Blick, angesehene Lebensstellung, Energie und Initiative anbelangt, nicht leicht von jemandem übertroffen werden. Für die Gesellschaft im Ganzen ist sein Präsidium von ausgemachten und allgemein anerkannten Werthe. Er hat aber für die Vorsitzführung mitunter die Fehler seiner Vorzüge an sich, d. h. ein zu starkes persönliches Eingreifen >in die Debatte, eine zu reizbare Ungeduld gegen Abschweifungen oder was ihm als dergleichen erscheint, ja wohl auch gegen eingehend erschöpfende Besprechung von Hauptfragen überhaupt. Eine gewisse Ermüdung kam in die des beste» Willens volle Versammlung der Ausschußmitglieder schon dadurch, daß sie den Jahresbericht mußte vorlesen hören, anstatt ihn gedruckt auf ihren Plätzen zu finden, was. so trefflich der Bericht auch orientirte, doch die »achtseitige Wirkung hatte, daß die Frische der ersten Stunde den eigentlichen Verhandlungen verloren ging. Nachher litten diese dann noch einigermaßen unter der Fluth von Anträgen der Bezirksver- waltungcn. worin sich namentlich diejenige für das westliche Schleswig hervor¬ gethan hatte. Da der Lorsitzende den Stoff gern in einer einzigen Sitzung erledigen wollte, so trat später ein wahrer Wetteifer zwischen ihm und den Antragstellern ein, freiwillig zurückzuziehen oder zur Zurückziehung zu bestimmen, was dann wieder nicht i» allen Fällen zum Vortheil der Sache ausschlagen konnte. Beispielsweise hätte eine Besprechung über die die Bezirksvereine be¬ treffenden Vorschriften des Statuts wohl dazu führen können, die Verhandlung mit den außenstehenden Vereinen wegen ihres Eintritts einen Schritt weiter¬ zuführen. Diese Verhandlung ist in Lübeck anscheinend gar nicht vorwärts gerückt, obgleich alle drei Svndervereine durch leitende Mitglieder vertreten waren (Hamburg durch Herrn Ad. Godeffroy, Ostfriesland durch Obcrzollinspector Breusing aus Enden. Stralsund durch Professor Zober). Eine Berührung des Punktes auf der beiden Parteien zugänglichen Jahresversammlung der deutschen Gesellschaft mußte natürlich tactvoll geschehen, um nicht zu schaden statt zu nützen; aber in dieser Hinsicht hätte man sich ja sowohl auf die Lei¬ tung, wie auf die einzelnen Theilnehmer der Debatte unbedenklich verlassen können. Unter den letzteren war auch der ehemalige erste Generalsecretär und eigent¬ liche Gründer der Gesellschaft, Professor Emminghaus aus Karlsruhe. Er ver¬ trat den großen südwestdcutschcn Bezirlsverein. der Baden, Würtemberg, die bayerische Rheinpfalz und Rheinhessen umfaßt. Im letzten Winter gegründet, ist dieser Verein auf seine Art auch ein Protest gegen die Mainlinie, die die deutsche Rettungsgesellschaft mit ihm erst recht eigentlich herrschend überschritten bat. Es ist, als ob unsere süddeutschen Brüder sich seit der Stiftung des norddeutschen Bundes doppelt verpflichtet glaubten, jede Gelegenheit zu er¬ greifen, um ihre Zusammengehörigkeit mit dem Norden thatsächlich und opfer- Grenzboten II. 1867. 30

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/237
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/237>, abgerufen am 22.07.2024.