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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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ich wollte, und wollte mir unterthänig und gehorsam sein und nichts von mir
begehren, als was mein freier und guter Wille wäre und wollte mich und alle
meine Kinder in Ehren halten und sich empfohlen sein lassen wie ihre eigenen
Kinder. Und als ich hörte, daß die Frau so gutwillig war, da gefiel sie mir
noch besser als zuvor und ich "ahn sie; doch waren dabei genug ehrbare Leute.
Und als ich sie genommen hatte, da war sie fromm und schlicht und je langer
je besser und was man mir von ihr gesagt hatte, war alles wahr: sie war
schön, fromm, tugendhaft und spann fleißig und hielt meine Kinder gar gut.
So hielt ich sie auch gut und in Ehren und kaufte ihr, was sie bedürfte, Röcke
und Mäntel und Pelzwerk, daß sie wohl damit zufrieden war. Also lebten wir
in Freundschaft mit einander 7 Jahre, Gott vom Himmel sei ihr gnädig. Und
es ist zu wissen, daß sie mir nichts zubrachte als 2 Betten ohne Ueberzüge
und eine Truhe ohne Füße und eine Decke von Fuchspelz; und sie hatte weder
Mantel noch Schleier, wohl aber einen Sohn und eine Tochter, die waren auch
nackt, die bekleidete ich von Fuß an, wie auch meine Hausfrau; die Tochter ist
seitdem gen Se. Katharina in das Kloster gekommen und ist eine schöne Kloster¬
frau und lebt noch um das Jahr 1466 und ist jung und stolz; Gott behüt sie
und uns alle vor Uebel. Amen.

Die vorgenannte Dorothea, meine liebe Hausfrau, starb am Mittwoch nach
Oculi in der Fasten im 1449. Jahr, der Gott gnädig sei und es ist zu wissen,
daß sie krank gelegen war von Se. Thomas Tag vor Weihnachten bis auf den
"benannten Tag (19. März) n,rd sie liegt unter meinem Stein zu Se. Mauritier,
begraben. Als nun.mein Weib, die Edelfrau, todt war, da blieb ich danach ein
Wittwer bei 4VüJahren und lebte schlecht und hatte ein thörichtes Fräulein zu
mir genommen, das war mir lieb, aber ich gewann nicht viel dabei, sie that
mir schier mehr Schaden als Gutes, wie es Vielleicht einem thörichten Mann
oft geschieht. Also bedacht ich mich, daß ich^so schlecht und in Sünden lebte
und niemand mir treu war und Gutes that als um mein Geld. Und das
Fräulein war mir gar gefährlich und stahl mir das Meine, so viel sie vermochte;
das verdroß mich und ich wollte es nicht mehr. Und da es vernahm, daß es
Urlaub haben sollte, da hätte es gern viel Bosheit verübt; aber es gelang ihm
nicht mehr. Es machte seinen Plan und meinte, es wolle mir Geld abjagen,
lud mich vor das Ehegericht und verklagte mich auf die Ehe, woran sie mir
doch wahrlich Unrecht that und es hätte gern gesehen, daß ich mich mit ihm
verglichen hätte; aber ich wollte nur mein Recht. Also ward ich von ihr ledig
ohne Geld, darüber hab ich einen Brief von dem Ehegericht, der kostete mich
1 si. 20 Pfennings), damit bin ich ledig von ihm. Es ist zu wissen, daß
dasselbe Fräulein zwei Kinder von mir gehabt hat.")



°°) 2 Thlr, 16 Sgr. ^) Mit derselben Unbefangenheit spricht ein Zeitgenosse Zinggs,
L, Rem in seinen Aufzeichnungen über die Geburt seiner "ledigen Kinder", s, Chroniken V, 140.
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ich wollte, und wollte mir unterthänig und gehorsam sein und nichts von mir
begehren, als was mein freier und guter Wille wäre und wollte mich und alle
meine Kinder in Ehren halten und sich empfohlen sein lassen wie ihre eigenen
Kinder. Und als ich hörte, daß die Frau so gutwillig war, da gefiel sie mir
noch besser als zuvor und ich »ahn sie; doch waren dabei genug ehrbare Leute.
Und als ich sie genommen hatte, da war sie fromm und schlicht und je langer
je besser und was man mir von ihr gesagt hatte, war alles wahr: sie war
schön, fromm, tugendhaft und spann fleißig und hielt meine Kinder gar gut.
So hielt ich sie auch gut und in Ehren und kaufte ihr, was sie bedürfte, Röcke
und Mäntel und Pelzwerk, daß sie wohl damit zufrieden war. Also lebten wir
in Freundschaft mit einander 7 Jahre, Gott vom Himmel sei ihr gnädig. Und
es ist zu wissen, daß sie mir nichts zubrachte als 2 Betten ohne Ueberzüge
und eine Truhe ohne Füße und eine Decke von Fuchspelz; und sie hatte weder
Mantel noch Schleier, wohl aber einen Sohn und eine Tochter, die waren auch
nackt, die bekleidete ich von Fuß an, wie auch meine Hausfrau; die Tochter ist
seitdem gen Se. Katharina in das Kloster gekommen und ist eine schöne Kloster¬
frau und lebt noch um das Jahr 1466 und ist jung und stolz; Gott behüt sie
und uns alle vor Uebel. Amen.

Die vorgenannte Dorothea, meine liebe Hausfrau, starb am Mittwoch nach
Oculi in der Fasten im 1449. Jahr, der Gott gnädig sei und es ist zu wissen,
daß sie krank gelegen war von Se. Thomas Tag vor Weihnachten bis auf den
»benannten Tag (19. März) n,rd sie liegt unter meinem Stein zu Se. Mauritier,
begraben. Als nun.mein Weib, die Edelfrau, todt war, da blieb ich danach ein
Wittwer bei 4VüJahren und lebte schlecht und hatte ein thörichtes Fräulein zu
mir genommen, das war mir lieb, aber ich gewann nicht viel dabei, sie that
mir schier mehr Schaden als Gutes, wie es Vielleicht einem thörichten Mann
oft geschieht. Also bedacht ich mich, daß ich^so schlecht und in Sünden lebte
und niemand mir treu war und Gutes that als um mein Geld. Und das
Fräulein war mir gar gefährlich und stahl mir das Meine, so viel sie vermochte;
das verdroß mich und ich wollte es nicht mehr. Und da es vernahm, daß es
Urlaub haben sollte, da hätte es gern viel Bosheit verübt; aber es gelang ihm
nicht mehr. Es machte seinen Plan und meinte, es wolle mir Geld abjagen,
lud mich vor das Ehegericht und verklagte mich auf die Ehe, woran sie mir
doch wahrlich Unrecht that und es hätte gern gesehen, daß ich mich mit ihm
verglichen hätte; aber ich wollte nur mein Recht. Also ward ich von ihr ledig
ohne Geld, darüber hab ich einen Brief von dem Ehegericht, der kostete mich
1 si. 20 Pfennings), damit bin ich ledig von ihm. Es ist zu wissen, daß
dasselbe Fräulein zwei Kinder von mir gehabt hat.")



°°) 2 Thlr, 16 Sgr. ^) Mit derselben Unbefangenheit spricht ein Zeitgenosse Zinggs,
L, Rem in seinen Aufzeichnungen über die Geburt seiner „ledigen Kinder", s, Chroniken V, 140.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/231>, abgerufen am 22.07.2024.