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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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Danach, als wir durch Gottes Gnade gesund wurden, in demselben Jahr
an dem Montag nach Allerheiligen, da gemäß meine Hausfrau einer Tochter,
genannt Barbara.

Es ist zu wissen, daß in der Zeit, in der meine Hansfrau im Kindbett
war, ich flcisiig arbeitete, gen Venedig ritt und Kaufmannschaft trieb und Ballen
von Venedig herausführte und meinem He,rin sein Gewerb so ausrichtete und
mit ihm in Gesellschaft stand und es ging mir wohl. Ich hatte damals mehr
als 1.000 Gulden"). Gott Von Himmel sei gedankt.

Danach, als man zählte nach Christi Geburt 1440 Jahr am Donnerstag -
nach Se. Gallentag, da starb meine liebe Hausfrau Elisabeth, der Gott gnädig
sei durch seine unergründliche Barmherzigkeit, und sie liegt zu Se. Ulrich be¬
graben unter meinem Stein. Damals wohnte ich in meinem Haus, das an
der weilen Kirchgasse gelegen ist, das ich von Meister Heinrich gekauft hatte.
Also hab ich meine liebe Hausfrau gehabt 20 Jahre -- in rechter Freundschaft
und wir haben jugendlich und freundlich mit einander gelebt und Ehr und Gut
gewonnen. Der allmächtige Gott möge ihre Seele Pflegen immer und ewiglich.
Amen.

Danach an dem nächsten Sonntag nach dem heiligen Pfingsttag hatte ich
Hochzeit mit Dorothea Kuclinbeckin, einer Wittwe, die Heinrich Adelzhauser
von Wickerhofcn eheliche Tochter war; der allmächtige Gott geb uns Glück
und Heil. Und ist zu wissen, daß die genannte Dorothea, meine eheliche Haus¬
frau, damals zu Mvring bei ihrem Bruder war, der war Pfleger zu Möring;
ihr Mann der war ihr gestorben zu Landshut, der war ein Edelmann und war
Herzog Heinrichs Diener, ein frommer Edelmann und hieß Bernhard Kuelnbeck.
Da er starb, sielen die Gläubiger über die gute Frau her und nahmen, was
da war; also blieb der Frau und ihren Kindern nichts über, denn ihr Mann
war viel schuldig. Und es mußte die liebe Frau aus Noth zu ihrem Bruder
nach Moringen, da sie nichts hatte; sie hatte nicht einmal eine Heimath, um
anderswo als bei ihrem Bruder zu bleiben. Dieser hatte ein Weib, die war
eine Von Wcstcrnaeh, eine scharfe zornige Frau, die hatte die liebe Frau ungern
und behandelte sie aller Zeit übel und verächtlich, sie und ihre Kinder, einen
Sohn und eine Tochter. Nun ward mir gar viel von ihr gesagt, daß sie eine
schöne und gewandte Frau wäre, so fromm und tugendhaft, daß man ihres¬
gleichen kaum finden möchte. Also ward ich bewegt in Barmherzigkeit von
ihrer Schönheit und Trefflichkeit wegen und schickte nach ihr gen Moringen.
Also kam sie zu Fuß als eine arme Frau und als ich sie sah. da gefiel sie mir
wohl und ich redete mit ihr, ob sie mich- nehmen wollte. Deß ward sie von
Herzen froh und sprach, sie wollte mich gern haben und alles das thun, was



°S) 2,333 THIr. 10 Sgr., das war für die damalige Zeit ein ansehnliches Vermögen,
s. Chroniken V, 439.

Danach, als wir durch Gottes Gnade gesund wurden, in demselben Jahr
an dem Montag nach Allerheiligen, da gemäß meine Hausfrau einer Tochter,
genannt Barbara.

Es ist zu wissen, daß in der Zeit, in der meine Hansfrau im Kindbett
war, ich flcisiig arbeitete, gen Venedig ritt und Kaufmannschaft trieb und Ballen
von Venedig herausführte und meinem He,rin sein Gewerb so ausrichtete und
mit ihm in Gesellschaft stand und es ging mir wohl. Ich hatte damals mehr
als 1.000 Gulden"). Gott Von Himmel sei gedankt.

Danach, als man zählte nach Christi Geburt 1440 Jahr am Donnerstag -
nach Se. Gallentag, da starb meine liebe Hausfrau Elisabeth, der Gott gnädig
sei durch seine unergründliche Barmherzigkeit, und sie liegt zu Se. Ulrich be¬
graben unter meinem Stein. Damals wohnte ich in meinem Haus, das an
der weilen Kirchgasse gelegen ist, das ich von Meister Heinrich gekauft hatte.
Also hab ich meine liebe Hausfrau gehabt 20 Jahre — in rechter Freundschaft
und wir haben jugendlich und freundlich mit einander gelebt und Ehr und Gut
gewonnen. Der allmächtige Gott möge ihre Seele Pflegen immer und ewiglich.
Amen.

Danach an dem nächsten Sonntag nach dem heiligen Pfingsttag hatte ich
Hochzeit mit Dorothea Kuclinbeckin, einer Wittwe, die Heinrich Adelzhauser
von Wickerhofcn eheliche Tochter war; der allmächtige Gott geb uns Glück
und Heil. Und ist zu wissen, daß die genannte Dorothea, meine eheliche Haus¬
frau, damals zu Mvring bei ihrem Bruder war, der war Pfleger zu Möring;
ihr Mann der war ihr gestorben zu Landshut, der war ein Edelmann und war
Herzog Heinrichs Diener, ein frommer Edelmann und hieß Bernhard Kuelnbeck.
Da er starb, sielen die Gläubiger über die gute Frau her und nahmen, was
da war; also blieb der Frau und ihren Kindern nichts über, denn ihr Mann
war viel schuldig. Und es mußte die liebe Frau aus Noth zu ihrem Bruder
nach Moringen, da sie nichts hatte; sie hatte nicht einmal eine Heimath, um
anderswo als bei ihrem Bruder zu bleiben. Dieser hatte ein Weib, die war
eine Von Wcstcrnaeh, eine scharfe zornige Frau, die hatte die liebe Frau ungern
und behandelte sie aller Zeit übel und verächtlich, sie und ihre Kinder, einen
Sohn und eine Tochter. Nun ward mir gar viel von ihr gesagt, daß sie eine
schöne und gewandte Frau wäre, so fromm und tugendhaft, daß man ihres¬
gleichen kaum finden möchte. Also ward ich bewegt in Barmherzigkeit von
ihrer Schönheit und Trefflichkeit wegen und schickte nach ihr gen Moringen.
Also kam sie zu Fuß als eine arme Frau und als ich sie sah. da gefiel sie mir
wohl und ich redete mit ihr, ob sie mich- nehmen wollte. Deß ward sie von
Herzen froh und sprach, sie wollte mich gern haben und alles das thun, was



°S) 2,333 THIr. 10 Sgr., das war für die damalige Zeit ein ansehnliches Vermögen,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/230>, abgerufen am 22.07.2024.