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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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gen Frankfurt und gen Nürnberg. Er war wahrlich ein frommer Mann und
that mir wohl. Gott vom Himmel dank' ihm und möge seiner Seele Pflegen.

Wann ich mein erstes Weib genommen habe.

Als ich bet meinem Herrn war, da nahm ich mein Weib, die war einer
armen Frau, einer Wittwe Tochter von Moringen"), genannt die Störklerin;
die war eine fromme arme Frau und gab mir nicht mehr als ein kleines Bctt-
lein und ein Kühlein und sonst kleine, arme Dinge, als Pfannen :c.; war alles
nicht 10 A. Pfenning") werth. Ich hatte wahrlich auch nicht viel; ich hatte
gutes Gewand und nicht viel baar Geld, doch war ich etwas unterrichtet, baß
ich wohl dienen konnte und that das willig und gern. Und mein Herr war
mir hold; das war all unser Gut, das wir zusammen brachten. Mein Weib
hieß Elisabeth und war damals meines Herrn Josen Kramers Magd, ich war
sein Diener, wie oben erwähnt ist und wir nahmen einander also in guter
Freundschaft; es geschah als man zählte von Christi unseres lieben Herrn Ge¬
burt 1420 Jahr, acht Taa,e nach Pfingsten. Und als wir nun Hochzeit mit
einander gehabt hatten, da wußte ich wahrhaftig nicht, was ich thun wollte,
denn ich hatte nichts, auch nicht meines Herrn Huld, die hatt ich verloren;
denn es war ihm leid, daß ich mein Weib genommen und ihn nicht darüber
um Rath gefragt hatte und er wollte mir weder rathen noch helfen. Also
wußt ich nicht, was ich anfangen sollte. Doch war mir das Weib lieb und
ich war gern bei ihr und bedachte mich mit meiner Hausfrau; die war mir
auch hold und tröstete mich und sprach: "Mein Burkhart, gehab dich wohl und
verzage nicht, laß uns einander helfen, wir wollen wohl auskommen; ich will
an dem Rad spinnen und will alle Wochen wohl vier Pfund Wolle ausspinnen,
das ist 32 Pfenning,"") Und da die Frau so muthig war, da wuchs mir auch
der Muth und ich dachte: nun kaun ich doch ein wenig schreiben, ich will sehen,
ob ich einen Pfaffen finde, der mir zu schreiben giebt; wie wenig du auch ver¬
dienst, so gewinnt dein Weib 32 Pfenning, wohlfeil ist es, vielleicht giebt Gott,
daß wir auskommen. Also war ein Pfaff zu Unserer lieben Frauen, genannt
Dominus Cunradus Seybolt von Meiningen, der war Gesell auf der Pfarre
zu Unser lieben Frauen und war mir auch günstig, denn er war auch von
Meiningen und war da Schulmeister gewesen und ich war zu Meiningen sein
Schüler. Zu dem ging ich und sagte ihm, ich hätt ein Weib genommen und
wüßte nicht, was ich thun sollte; ich wollte gern um Lohn schreiben, aber ich
hätte nichts zu schreiben. Der gute Herr war froh, daß ich gern schreiben
wollte, denn er hätte gern einen gehabt, der ihm geschrieben hätte und sprach:
willst du mir schreiben, ich will dir gern ein ganzes Jahr zu schreiben geben
und will dir Wohl lohnen. Und also brachte er mir ein großes Buch in Per-



") Mering an der Paar, südlich von Augsburg. ">) c, 8 Thlr. pr. C. ") 10 Sgr,

gen Frankfurt und gen Nürnberg. Er war wahrlich ein frommer Mann und
that mir wohl. Gott vom Himmel dank' ihm und möge seiner Seele Pflegen.

Wann ich mein erstes Weib genommen habe.

Als ich bet meinem Herrn war, da nahm ich mein Weib, die war einer
armen Frau, einer Wittwe Tochter von Moringen"), genannt die Störklerin;
die war eine fromme arme Frau und gab mir nicht mehr als ein kleines Bctt-
lein und ein Kühlein und sonst kleine, arme Dinge, als Pfannen :c.; war alles
nicht 10 A. Pfenning") werth. Ich hatte wahrlich auch nicht viel; ich hatte
gutes Gewand und nicht viel baar Geld, doch war ich etwas unterrichtet, baß
ich wohl dienen konnte und that das willig und gern. Und mein Herr war
mir hold; das war all unser Gut, das wir zusammen brachten. Mein Weib
hieß Elisabeth und war damals meines Herrn Josen Kramers Magd, ich war
sein Diener, wie oben erwähnt ist und wir nahmen einander also in guter
Freundschaft; es geschah als man zählte von Christi unseres lieben Herrn Ge¬
burt 1420 Jahr, acht Taa,e nach Pfingsten. Und als wir nun Hochzeit mit
einander gehabt hatten, da wußte ich wahrhaftig nicht, was ich thun wollte,
denn ich hatte nichts, auch nicht meines Herrn Huld, die hatt ich verloren;
denn es war ihm leid, daß ich mein Weib genommen und ihn nicht darüber
um Rath gefragt hatte und er wollte mir weder rathen noch helfen. Also
wußt ich nicht, was ich anfangen sollte. Doch war mir das Weib lieb und
ich war gern bei ihr und bedachte mich mit meiner Hausfrau; die war mir
auch hold und tröstete mich und sprach: „Mein Burkhart, gehab dich wohl und
verzage nicht, laß uns einander helfen, wir wollen wohl auskommen; ich will
an dem Rad spinnen und will alle Wochen wohl vier Pfund Wolle ausspinnen,
das ist 32 Pfenning,"") Und da die Frau so muthig war, da wuchs mir auch
der Muth und ich dachte: nun kaun ich doch ein wenig schreiben, ich will sehen,
ob ich einen Pfaffen finde, der mir zu schreiben giebt; wie wenig du auch ver¬
dienst, so gewinnt dein Weib 32 Pfenning, wohlfeil ist es, vielleicht giebt Gott,
daß wir auskommen. Also war ein Pfaff zu Unserer lieben Frauen, genannt
Dominus Cunradus Seybolt von Meiningen, der war Gesell auf der Pfarre
zu Unser lieben Frauen und war mir auch günstig, denn er war auch von
Meiningen und war da Schulmeister gewesen und ich war zu Meiningen sein
Schüler. Zu dem ging ich und sagte ihm, ich hätt ein Weib genommen und
wüßte nicht, was ich thun sollte; ich wollte gern um Lohn schreiben, aber ich
hätte nichts zu schreiben. Der gute Herr war froh, daß ich gern schreiben
wollte, denn er hätte gern einen gehabt, der ihm geschrieben hätte und sprach:
willst du mir schreiben, ich will dir gern ein ganzes Jahr zu schreiben geben
und will dir Wohl lohnen. Und also brachte er mir ein großes Buch in Per-



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/225>, abgerufen am 22.07.2024.