Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Danach als man zählte 1416 Jahr, da kam ich von Ulm wieder gen
Meiningen. Da hätte mein Schwager gern gesehen, daß ich mich geweiht hätte
und überredete mich, daß ich gen Augsburg sollte und wollte mich weihen
lassen zum Acolythus,") doch blieb ich danach eine kleine Zeit zu Meiningen. Und
kam her gen Augsburg in diese Stadt und kam von Stund an zu einem
Kramer, genannt Ulrich Schön, der war damals ein reicher, gewerbsamer Kramer,
wiewohl er jetzt seit vielen Jahren verdorben ist und zu Armuth gekommen!
bei dem war ich ein Jahr und ließ ganz und gar von der Schul. Und einmal
an einer Fastnacht überritt ich einen Knaben gleich bei Se. Jörgen und fürchtete
mich vor des Knaben Freunden, mußte von hinnen weichen und kam gen
Nürnberg. Mit dem Kramer zog ich überall auf die Märkte gen Baiern und
anderswo.

Also kam ich gen Nürnberg, da war ich drei Jahre bei einem reichen
Mann, genannt Cuntz Besann, der war ein alter, ehrbarer, frommer Mann,
seßhaft an dem Markt an einem Eck nahe bei Unserer lieben Frauen Cavell
am Salzberg und hatte Eisen feil; und er hatte eines frommen Mannes Tochter,
des Schultheiß von Pernheim, der wohnte zunächst hinter den Predigern gegen
dem Heumarkt, war ein reicher Mann und schenkte Wein.

Und danach zog ich gen Bamberg, da kam ich zu einem, der hieß Johannes
Frank im Bach, war ein Procurator des geistlichen Rechts und hielt dabei
eine Gastwirthschaft; bei dem war ich ein halb Jahr und zog danach gen Würz¬
burg. Und damals als ich da war, da galt ein Maß Wein, der gut war,
1 Pfenning oder 1 Heller") und man rief 14 Maß Wein aus um einen
böhmischen Groschen,") es ist wahr. Und es ist zu wissen, daß auf den Tag.
als ich gen Würzburg kam, der Bischof von Würzburg ausgezogen war und
am selben Tag auch wieder gen Würzburg zurückkam und er war in einem
großen Dorf gewesen, einem Edelmann zu Leid, der war einer von Seckendorf
und sie hatten das Dorf geplündert und die Bauern waren in die Kirche ge¬
kommen und in den Thurm und sie verbrannten die Kirche und den Thurm
und 400 Menschen darin. Das sagten mir zwei Söldner, die waren auch dabei
gewesen, die hießen: der eine Zwißel und der andere Leicht, die waren bei mir
in der Herberg, als die That geschehen war. Der Bischof war einer von Brun.

Danach als man zählte 1419 Jahr, kam ich wieder gen Augsburg zu
einem reichen Mann, Jos Kramer, der war da ein gewaltiger Mann, ein Bau¬
meister, doch war er einer von der Gemeinde aus der Weberzunft; aber er trieb
das Handwerk nicht, denn er bedürfte dessen nicht: er trieb Kaufmannschaft
mit Fellen von der Steiermark, auch andere Kaufmannschaft von Venedig. Er
hatte wohl 100 Ballen Barchent. Dem trieb ich all sein Gewerb gen Venedig,



") Die höchste unter den vier kleinern Weihen, c. 6 preußische Pfennige, ") Etwa
3 Silbergroschen.

Danach als man zählte 1416 Jahr, da kam ich von Ulm wieder gen
Meiningen. Da hätte mein Schwager gern gesehen, daß ich mich geweiht hätte
und überredete mich, daß ich gen Augsburg sollte und wollte mich weihen
lassen zum Acolythus,") doch blieb ich danach eine kleine Zeit zu Meiningen. Und
kam her gen Augsburg in diese Stadt und kam von Stund an zu einem
Kramer, genannt Ulrich Schön, der war damals ein reicher, gewerbsamer Kramer,
wiewohl er jetzt seit vielen Jahren verdorben ist und zu Armuth gekommen!
bei dem war ich ein Jahr und ließ ganz und gar von der Schul. Und einmal
an einer Fastnacht überritt ich einen Knaben gleich bei Se. Jörgen und fürchtete
mich vor des Knaben Freunden, mußte von hinnen weichen und kam gen
Nürnberg. Mit dem Kramer zog ich überall auf die Märkte gen Baiern und
anderswo.

Also kam ich gen Nürnberg, da war ich drei Jahre bei einem reichen
Mann, genannt Cuntz Besann, der war ein alter, ehrbarer, frommer Mann,
seßhaft an dem Markt an einem Eck nahe bei Unserer lieben Frauen Cavell
am Salzberg und hatte Eisen feil; und er hatte eines frommen Mannes Tochter,
des Schultheiß von Pernheim, der wohnte zunächst hinter den Predigern gegen
dem Heumarkt, war ein reicher Mann und schenkte Wein.

Und danach zog ich gen Bamberg, da kam ich zu einem, der hieß Johannes
Frank im Bach, war ein Procurator des geistlichen Rechts und hielt dabei
eine Gastwirthschaft; bei dem war ich ein halb Jahr und zog danach gen Würz¬
burg. Und damals als ich da war, da galt ein Maß Wein, der gut war,
1 Pfenning oder 1 Heller") und man rief 14 Maß Wein aus um einen
böhmischen Groschen,") es ist wahr. Und es ist zu wissen, daß auf den Tag.
als ich gen Würzburg kam, der Bischof von Würzburg ausgezogen war und
am selben Tag auch wieder gen Würzburg zurückkam und er war in einem
großen Dorf gewesen, einem Edelmann zu Leid, der war einer von Seckendorf
und sie hatten das Dorf geplündert und die Bauern waren in die Kirche ge¬
kommen und in den Thurm und sie verbrannten die Kirche und den Thurm
und 400 Menschen darin. Das sagten mir zwei Söldner, die waren auch dabei
gewesen, die hießen: der eine Zwißel und der andere Leicht, die waren bei mir
in der Herberg, als die That geschehen war. Der Bischof war einer von Brun.

Danach als man zählte 1419 Jahr, kam ich wieder gen Augsburg zu
einem reichen Mann, Jos Kramer, der war da ein gewaltiger Mann, ein Bau¬
meister, doch war er einer von der Gemeinde aus der Weberzunft; aber er trieb
das Handwerk nicht, denn er bedürfte dessen nicht: er trieb Kaufmannschaft
mit Fellen von der Steiermark, auch andere Kaufmannschaft von Venedig. Er
hatte wohl 100 Ballen Barchent. Dem trieb ich all sein Gewerb gen Venedig,



") Die höchste unter den vier kleinern Weihen, c. 6 preußische Pfennige, ") Etwa
3 Silbergroschen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0224" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190918"/>
          <p xml:id="ID_716"> Danach als man zählte 1416 Jahr, da kam ich von Ulm wieder gen<lb/>
Meiningen. Da hätte mein Schwager gern gesehen, daß ich mich geweiht hätte<lb/>
und überredete mich, daß ich gen Augsburg sollte und wollte mich weihen<lb/>
lassen zum Acolythus,") doch blieb ich danach eine kleine Zeit zu Meiningen. Und<lb/>
kam her gen Augsburg in diese Stadt und kam von Stund an zu einem<lb/>
Kramer, genannt Ulrich Schön, der war damals ein reicher, gewerbsamer Kramer,<lb/>
wiewohl er jetzt seit vielen Jahren verdorben ist und zu Armuth gekommen!<lb/>
bei dem war ich ein Jahr und ließ ganz und gar von der Schul. Und einmal<lb/>
an einer Fastnacht überritt ich einen Knaben gleich bei Se. Jörgen und fürchtete<lb/>
mich vor des Knaben Freunden, mußte von hinnen weichen und kam gen<lb/>
Nürnberg. Mit dem Kramer zog ich überall auf die Märkte gen Baiern und<lb/>
anderswo.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_717"> Also kam ich gen Nürnberg, da war ich drei Jahre bei einem reichen<lb/>
Mann, genannt Cuntz Besann, der war ein alter, ehrbarer, frommer Mann,<lb/>
seßhaft an dem Markt an einem Eck nahe bei Unserer lieben Frauen Cavell<lb/>
am Salzberg und hatte Eisen feil; und er hatte eines frommen Mannes Tochter,<lb/>
des Schultheiß von Pernheim, der wohnte zunächst hinter den Predigern gegen<lb/>
dem Heumarkt, war ein reicher Mann und schenkte Wein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_718"> Und danach zog ich gen Bamberg, da kam ich zu einem, der hieß Johannes<lb/>
Frank im Bach, war ein Procurator des geistlichen Rechts und hielt dabei<lb/>
eine Gastwirthschaft; bei dem war ich ein halb Jahr und zog danach gen Würz¬<lb/>
burg. Und damals als ich da war, da galt ein Maß Wein, der gut war,<lb/>
1 Pfenning oder 1 Heller") und man rief 14 Maß Wein aus um einen<lb/>
böhmischen Groschen,") es ist wahr. Und es ist zu wissen, daß auf den Tag.<lb/>
als ich gen Würzburg kam, der Bischof von Würzburg ausgezogen war und<lb/>
am selben Tag auch wieder gen Würzburg zurückkam und er war in einem<lb/>
großen Dorf gewesen, einem Edelmann zu Leid, der war einer von Seckendorf<lb/>
und sie hatten das Dorf geplündert und die Bauern waren in die Kirche ge¬<lb/>
kommen und in den Thurm und sie verbrannten die Kirche und den Thurm<lb/>
und 400 Menschen darin. Das sagten mir zwei Söldner, die waren auch dabei<lb/>
gewesen, die hießen: der eine Zwißel und der andere Leicht, die waren bei mir<lb/>
in der Herberg, als die That geschehen war. Der Bischof war einer von Brun.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_719" next="#ID_720"> Danach als man zählte 1419 Jahr, kam ich wieder gen Augsburg zu<lb/>
einem reichen Mann, Jos Kramer, der war da ein gewaltiger Mann, ein Bau¬<lb/>
meister, doch war er einer von der Gemeinde aus der Weberzunft; aber er trieb<lb/>
das Handwerk nicht, denn er bedürfte dessen nicht: er trieb Kaufmannschaft<lb/>
mit Fellen von der Steiermark, auch andere Kaufmannschaft von Venedig. Er<lb/>
hatte wohl 100 Ballen Barchent. Dem trieb ich all sein Gewerb gen Venedig,</p><lb/>
          <note xml:id="FID_12" place="foot"> ") Die höchste unter den vier kleinern Weihen, c. 6 preußische Pfennige, ") Etwa<lb/>
3 Silbergroschen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0224] Danach als man zählte 1416 Jahr, da kam ich von Ulm wieder gen Meiningen. Da hätte mein Schwager gern gesehen, daß ich mich geweiht hätte und überredete mich, daß ich gen Augsburg sollte und wollte mich weihen lassen zum Acolythus,") doch blieb ich danach eine kleine Zeit zu Meiningen. Und kam her gen Augsburg in diese Stadt und kam von Stund an zu einem Kramer, genannt Ulrich Schön, der war damals ein reicher, gewerbsamer Kramer, wiewohl er jetzt seit vielen Jahren verdorben ist und zu Armuth gekommen! bei dem war ich ein Jahr und ließ ganz und gar von der Schul. Und einmal an einer Fastnacht überritt ich einen Knaben gleich bei Se. Jörgen und fürchtete mich vor des Knaben Freunden, mußte von hinnen weichen und kam gen Nürnberg. Mit dem Kramer zog ich überall auf die Märkte gen Baiern und anderswo. Also kam ich gen Nürnberg, da war ich drei Jahre bei einem reichen Mann, genannt Cuntz Besann, der war ein alter, ehrbarer, frommer Mann, seßhaft an dem Markt an einem Eck nahe bei Unserer lieben Frauen Cavell am Salzberg und hatte Eisen feil; und er hatte eines frommen Mannes Tochter, des Schultheiß von Pernheim, der wohnte zunächst hinter den Predigern gegen dem Heumarkt, war ein reicher Mann und schenkte Wein. Und danach zog ich gen Bamberg, da kam ich zu einem, der hieß Johannes Frank im Bach, war ein Procurator des geistlichen Rechts und hielt dabei eine Gastwirthschaft; bei dem war ich ein halb Jahr und zog danach gen Würz¬ burg. Und damals als ich da war, da galt ein Maß Wein, der gut war, 1 Pfenning oder 1 Heller") und man rief 14 Maß Wein aus um einen böhmischen Groschen,") es ist wahr. Und es ist zu wissen, daß auf den Tag. als ich gen Würzburg kam, der Bischof von Würzburg ausgezogen war und am selben Tag auch wieder gen Würzburg zurückkam und er war in einem großen Dorf gewesen, einem Edelmann zu Leid, der war einer von Seckendorf und sie hatten das Dorf geplündert und die Bauern waren in die Kirche ge¬ kommen und in den Thurm und sie verbrannten die Kirche und den Thurm und 400 Menschen darin. Das sagten mir zwei Söldner, die waren auch dabei gewesen, die hießen: der eine Zwißel und der andere Leicht, die waren bei mir in der Herberg, als die That geschehen war. Der Bischof war einer von Brun. Danach als man zählte 1419 Jahr, kam ich wieder gen Augsburg zu einem reichen Mann, Jos Kramer, der war da ein gewaltiger Mann, ein Bau¬ meister, doch war er einer von der Gemeinde aus der Weberzunft; aber er trieb das Handwerk nicht, denn er bedürfte dessen nicht: er trieb Kaufmannschaft mit Fellen von der Steiermark, auch andere Kaufmannschaft von Venedig. Er hatte wohl 100 Ballen Barchent. Dem trieb ich all sein Gewerb gen Venedig, ") Die höchste unter den vier kleinern Weihen, c. 6 preußische Pfennige, ") Etwa 3 Silbergroschen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/224
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/224>, abgerufen am 22.07.2024.