Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kindern nicht günstig, hielt uns hart und that uns übel; aber sie war unserm
Vater lieb und gefiel ihm wohl, wie gar oft alten Männern junge Weiber wohl
gefallen.

Danach als man zählte 1407 Jahr, da war ich ein Jüngling von 11
Jahren, schied aus von Meiningen, vom Vater und von allen meinen Freunden
und ging mit einem Schüler; ich war auch ein Schüler und war bei vier
Jahre in die Schule gegangen. Und wir gingen also mit einander in das
Krainland gegen die wendischen Lande in einen Markt, der heißt Neisnitz, das
ist ein Markt, in Krainland hinter Lobach sechs Meilen gegen Kroatien.') In
dem Land blieb ich sieben Jahre und ging da in die Schule, denn mein Vater
hatte einen leiblichen Bruder, der war Pfarrer in einem Dorf, genannt an der
Riegg, das ist ein großes, schönes Dorf und es gehören wohl fünf andere
Dörfer dazu, die heißen Göltenih, Pausenbrunnen ze. Da war dieser mein
Herr bei 30 Jahren Pfarrer gewesen und war mit Gras Friedrichs von Orten¬
burg Weib in das Land gekommen, die hatte ihn zum Priester gemacht, denn
er war ihr Schreiber gewesen; sie war eine von Teck. Die Herzoge zu Mindl"
haim"), Herzog Ulrich, Herzog Friedrich und Herzog Lutz, der viele Jahre
danach Patriarch in Friaul ward, waren derselben Frau von Ortenburg Brüder.
Derselbige mein Herr, meines Vaters Bruder, der ließ mich in die Schule gehn
in die Rcisnitz und gab mich in die Kost bei einem biderben Mann, genannt
Hans Schwab, der war Graf Friedrichs Baumeister und baute damals das
Haus zu Ortenburg unten am Berg.

Als ich nun sieben Jahren bei meinem Herrn in der Reisnitz gewesen war,
der mich gern zu Ehren gebracht hätte und mir gütlich und wohl that und
mich gen Wien auf die hohe Schule schicken wollte, da wollte ich nicht und
zog von ihm wider seinen Willen und wollte nicht bleiben; also gab er mir
nichts. Da war ich nun ein Schüler von 18 Jahren und kam gen Meiningen
und vermeinte nun, ich wollte da bleiben bei meinem Vater und ein Junker
sein. Da hatte sich die Sache gar sehr und fremdartig verkehrt, denn mein
Vater und meine Stiefmutter waren von einander, meine Brüder waren todt
und meiner Schwester hatte man einen Mann gegeben. Und was ich von
mütterlichem Erbgut haben sollte, das hatten mein Vater und meine andern
Freunde') alles meiner Schwester gegeben; denn wir Kinder hatten unser eigen
Gut und unser Vater halte uns unser mütterliches Erbgut herausgegeben, als
er sein (zweites) Weib nahm. Da ich nun bei meinem Herrn in windischen
Landen war, meinten meine Freunde, ich käme nicht mehr von meinem Herrn,
er würde mich versorgen; und um meine Schwester desto besser auszusteuern,
gaben sie ihr desto mehr. Und als ich nun gekommen war, da hätt ich gern



>) Rcifniiz im LandeSgericht Neustadt! des Herzogthums Kral", südöstlich von Laibach
2) Die Hauptbeflizung der Herzöge vo" Teck, >>) d. h. Verwandte.
Grcnzlwten II. 18ki7, . 28

Kindern nicht günstig, hielt uns hart und that uns übel; aber sie war unserm
Vater lieb und gefiel ihm wohl, wie gar oft alten Männern junge Weiber wohl
gefallen.

Danach als man zählte 1407 Jahr, da war ich ein Jüngling von 11
Jahren, schied aus von Meiningen, vom Vater und von allen meinen Freunden
und ging mit einem Schüler; ich war auch ein Schüler und war bei vier
Jahre in die Schule gegangen. Und wir gingen also mit einander in das
Krainland gegen die wendischen Lande in einen Markt, der heißt Neisnitz, das
ist ein Markt, in Krainland hinter Lobach sechs Meilen gegen Kroatien.') In
dem Land blieb ich sieben Jahre und ging da in die Schule, denn mein Vater
hatte einen leiblichen Bruder, der war Pfarrer in einem Dorf, genannt an der
Riegg, das ist ein großes, schönes Dorf und es gehören wohl fünf andere
Dörfer dazu, die heißen Göltenih, Pausenbrunnen ze. Da war dieser mein
Herr bei 30 Jahren Pfarrer gewesen und war mit Gras Friedrichs von Orten¬
burg Weib in das Land gekommen, die hatte ihn zum Priester gemacht, denn
er war ihr Schreiber gewesen; sie war eine von Teck. Die Herzoge zu Mindl«
haim"), Herzog Ulrich, Herzog Friedrich und Herzog Lutz, der viele Jahre
danach Patriarch in Friaul ward, waren derselben Frau von Ortenburg Brüder.
Derselbige mein Herr, meines Vaters Bruder, der ließ mich in die Schule gehn
in die Rcisnitz und gab mich in die Kost bei einem biderben Mann, genannt
Hans Schwab, der war Graf Friedrichs Baumeister und baute damals das
Haus zu Ortenburg unten am Berg.

Als ich nun sieben Jahren bei meinem Herrn in der Reisnitz gewesen war,
der mich gern zu Ehren gebracht hätte und mir gütlich und wohl that und
mich gen Wien auf die hohe Schule schicken wollte, da wollte ich nicht und
zog von ihm wider seinen Willen und wollte nicht bleiben; also gab er mir
nichts. Da war ich nun ein Schüler von 18 Jahren und kam gen Meiningen
und vermeinte nun, ich wollte da bleiben bei meinem Vater und ein Junker
sein. Da hatte sich die Sache gar sehr und fremdartig verkehrt, denn mein
Vater und meine Stiefmutter waren von einander, meine Brüder waren todt
und meiner Schwester hatte man einen Mann gegeben. Und was ich von
mütterlichem Erbgut haben sollte, das hatten mein Vater und meine andern
Freunde') alles meiner Schwester gegeben; denn wir Kinder hatten unser eigen
Gut und unser Vater halte uns unser mütterliches Erbgut herausgegeben, als
er sein (zweites) Weib nahm. Da ich nun bei meinem Herrn in windischen
Landen war, meinten meine Freunde, ich käme nicht mehr von meinem Herrn,
er würde mich versorgen; und um meine Schwester desto besser auszusteuern,
gaben sie ihr desto mehr. Und als ich nun gekommen war, da hätt ich gern



>) Rcifniiz im LandeSgericht Neustadt! des Herzogthums Kral», südöstlich von Laibach
2) Die Hauptbeflizung der Herzöge vo» Teck, >>) d. h. Verwandte.
Grcnzlwten II. 18ki7, . 28
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190915"/>
          <p xml:id="ID_707" prev="#ID_706"> Kindern nicht günstig, hielt uns hart und that uns übel; aber sie war unserm<lb/>
Vater lieb und gefiel ihm wohl, wie gar oft alten Männern junge Weiber wohl<lb/>
gefallen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_708"> Danach als man zählte 1407 Jahr, da war ich ein Jüngling von 11<lb/>
Jahren, schied aus von Meiningen, vom Vater und von allen meinen Freunden<lb/>
und ging mit einem Schüler; ich war auch ein Schüler und war bei vier<lb/>
Jahre in die Schule gegangen. Und wir gingen also mit einander in das<lb/>
Krainland gegen die wendischen Lande in einen Markt, der heißt Neisnitz, das<lb/>
ist ein Markt, in Krainland hinter Lobach sechs Meilen gegen Kroatien.') In<lb/>
dem Land blieb ich sieben Jahre und ging da in die Schule, denn mein Vater<lb/>
hatte einen leiblichen Bruder, der war Pfarrer in einem Dorf, genannt an der<lb/>
Riegg, das ist ein großes, schönes Dorf und es gehören wohl fünf andere<lb/>
Dörfer dazu, die heißen Göltenih, Pausenbrunnen ze. Da war dieser mein<lb/>
Herr bei 30 Jahren Pfarrer gewesen und war mit Gras Friedrichs von Orten¬<lb/>
burg Weib in das Land gekommen, die hatte ihn zum Priester gemacht, denn<lb/>
er war ihr Schreiber gewesen; sie war eine von Teck. Die Herzoge zu Mindl«<lb/>
haim"), Herzog Ulrich, Herzog Friedrich und Herzog Lutz, der viele Jahre<lb/>
danach Patriarch in Friaul ward, waren derselben Frau von Ortenburg Brüder.<lb/>
Derselbige mein Herr, meines Vaters Bruder, der ließ mich in die Schule gehn<lb/>
in die Rcisnitz und gab mich in die Kost bei einem biderben Mann, genannt<lb/>
Hans Schwab, der war Graf Friedrichs Baumeister und baute damals das<lb/>
Haus zu Ortenburg unten am Berg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_709" next="#ID_710"> Als ich nun sieben Jahren bei meinem Herrn in der Reisnitz gewesen war,<lb/>
der mich gern zu Ehren gebracht hätte und mir gütlich und wohl that und<lb/>
mich gen Wien auf die hohe Schule schicken wollte, da wollte ich nicht und<lb/>
zog von ihm wider seinen Willen und wollte nicht bleiben; also gab er mir<lb/>
nichts. Da war ich nun ein Schüler von 18 Jahren und kam gen Meiningen<lb/>
und vermeinte nun, ich wollte da bleiben bei meinem Vater und ein Junker<lb/>
sein. Da hatte sich die Sache gar sehr und fremdartig verkehrt, denn mein<lb/>
Vater und meine Stiefmutter waren von einander, meine Brüder waren todt<lb/>
und meiner Schwester hatte man einen Mann gegeben. Und was ich von<lb/>
mütterlichem Erbgut haben sollte, das hatten mein Vater und meine andern<lb/>
Freunde') alles meiner Schwester gegeben; denn wir Kinder hatten unser eigen<lb/>
Gut und unser Vater halte uns unser mütterliches Erbgut herausgegeben, als<lb/>
er sein (zweites) Weib nahm. Da ich nun bei meinem Herrn in windischen<lb/>
Landen war, meinten meine Freunde, ich käme nicht mehr von meinem Herrn,<lb/>
er würde mich versorgen; und um meine Schwester desto besser auszusteuern,<lb/>
gaben sie ihr desto mehr.  Und als ich nun gekommen war, da hätt ich gern</p><lb/>
          <note xml:id="FID_9" place="foot"> &gt;) Rcifniiz im LandeSgericht Neustadt! des Herzogthums Kral», südöstlich von Laibach<lb/>
2) Die Hauptbeflizung der Herzöge vo» Teck,   &gt;&gt;) d. h. Verwandte.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzlwten II. 18ki7, . 28</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0221] Kindern nicht günstig, hielt uns hart und that uns übel; aber sie war unserm Vater lieb und gefiel ihm wohl, wie gar oft alten Männern junge Weiber wohl gefallen. Danach als man zählte 1407 Jahr, da war ich ein Jüngling von 11 Jahren, schied aus von Meiningen, vom Vater und von allen meinen Freunden und ging mit einem Schüler; ich war auch ein Schüler und war bei vier Jahre in die Schule gegangen. Und wir gingen also mit einander in das Krainland gegen die wendischen Lande in einen Markt, der heißt Neisnitz, das ist ein Markt, in Krainland hinter Lobach sechs Meilen gegen Kroatien.') In dem Land blieb ich sieben Jahre und ging da in die Schule, denn mein Vater hatte einen leiblichen Bruder, der war Pfarrer in einem Dorf, genannt an der Riegg, das ist ein großes, schönes Dorf und es gehören wohl fünf andere Dörfer dazu, die heißen Göltenih, Pausenbrunnen ze. Da war dieser mein Herr bei 30 Jahren Pfarrer gewesen und war mit Gras Friedrichs von Orten¬ burg Weib in das Land gekommen, die hatte ihn zum Priester gemacht, denn er war ihr Schreiber gewesen; sie war eine von Teck. Die Herzoge zu Mindl« haim"), Herzog Ulrich, Herzog Friedrich und Herzog Lutz, der viele Jahre danach Patriarch in Friaul ward, waren derselben Frau von Ortenburg Brüder. Derselbige mein Herr, meines Vaters Bruder, der ließ mich in die Schule gehn in die Rcisnitz und gab mich in die Kost bei einem biderben Mann, genannt Hans Schwab, der war Graf Friedrichs Baumeister und baute damals das Haus zu Ortenburg unten am Berg. Als ich nun sieben Jahren bei meinem Herrn in der Reisnitz gewesen war, der mich gern zu Ehren gebracht hätte und mir gütlich und wohl that und mich gen Wien auf die hohe Schule schicken wollte, da wollte ich nicht und zog von ihm wider seinen Willen und wollte nicht bleiben; also gab er mir nichts. Da war ich nun ein Schüler von 18 Jahren und kam gen Meiningen und vermeinte nun, ich wollte da bleiben bei meinem Vater und ein Junker sein. Da hatte sich die Sache gar sehr und fremdartig verkehrt, denn mein Vater und meine Stiefmutter waren von einander, meine Brüder waren todt und meiner Schwester hatte man einen Mann gegeben. Und was ich von mütterlichem Erbgut haben sollte, das hatten mein Vater und meine andern Freunde') alles meiner Schwester gegeben; denn wir Kinder hatten unser eigen Gut und unser Vater halte uns unser mütterliches Erbgut herausgegeben, als er sein (zweites) Weib nahm. Da ich nun bei meinem Herrn in windischen Landen war, meinten meine Freunde, ich käme nicht mehr von meinem Herrn, er würde mich versorgen; und um meine Schwester desto besser auszusteuern, gaben sie ihr desto mehr. Und als ich nun gekommen war, da hätt ich gern >) Rcifniiz im LandeSgericht Neustadt! des Herzogthums Kral», südöstlich von Laibach 2) Die Hauptbeflizung der Herzöge vo» Teck, >>) d. h. Verwandte. Grcnzlwten II. 18ki7, . 28

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/221
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/221>, abgerufen am 22.07.2024.