Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

können. Hat der Reichstag in Wahrheit einmal dergleichen zu moniren. so giebt
der ihm vorgelegte Militäretat jede Veranlassung dazu, dergleichen in geeigneter
Weise zur Sprache zu bringen. Denn daS gelegentliche Abstreichen einer
Generalstelle, der Baugelder für eine Kaserne und ähnliche kleine Vexationen
einer übergreifenden Negierung sind nur Mittel zu ärgern, nicht Abhilfe zu
schaffen.

Unterdeß sind wir zu einem großen Staat herangewachsen, von kriegen-
schen und mißgünstigen Nachbarn umgeben, wir brauchen ein großes Heer, um
die neue Stellung zu behaupten, und unsere nächste Pflicht ist, nach dieser
Richtung Opfer zu bringen. Ja man darf behaupten, daß auch die Eingewöh¬
nung unserer süddeutschen Stammgenossen in den Bund, im Anfange und vor¬
nehmlich durch die Eingewöhnung in unsere Heeresorganisation und die Zucht
derselben erfolgen wird; ohne diese Heereszucht aber wahrscheinlich niemals er¬
folgen wird. Und immer wieder müssen wir uns daran erinnern, daß seit
vorigem Jahre einige Grundlagen unseres Lebens sich geändert haben, wir sind
vor allem genöthigt, ein kriegerisches Volk zu sein, nicht um zu erobern, sondern
um uns zu behaupten.

Wie bekannt, vollzog sich Besprechung dieser Interessen und Vereinbarung
über den Wortlaut des Gesehentwurfes im Reichstage durch zweimalige Ver¬
handlung. Bei der ersten, der Vorverhandlung, formulirten die liberalen
Fractionen und die Separatisten Abänderungsvorschläge, welche zu etwas mehr
als 2 Drittheilen bei der Abstimmung verworfen wurden. Nach der Vorverhand¬
lung war der Entwurf so weit in liberalem Sinne redigirt. als die Zusammen¬
setzung des Hauses und die äußerst mangelhafte Methode der Verhandlung ge¬
stattete. In den Ruhetagen vor der zweiten, der sog. Schlußberathung, beschlossen die
Regierungen, was von den Aenderungen durch den Reichstag ihnen annehmbar
sei; etwa 34 Amendements wurden angenommen, etwa vier, die wichtigsten, für
unannehmbar erklärt oder beanstandet. Die Schlußberathung war also wesent¬
lich nichts als eine Restriktion der liberalen Aenderungen in die den Verbün¬
deten Regierungen annehmbar erscheinende Form. Dies geschah in der Art,
daß die Regierung durch Mitglieder der Rechten den betreffenden, in oppositio¬
nellen Sinn geänderten Artikeln ihre Forderungen in Form neuer Amendement"
gegenüberstellte, während auch die nationale Partei bei den Concessionen, welche
ihr zugemuthet wurden, in Gegenamendements so viel als möglich von ihrem
Standpunkt zu behaupten suchte. Darum wurde eifrig gekämpft. Wer aber
einst den Wortlaut der letzten Amendements, welche einander gegenüberstanden,
z. B. der von Stollberg und von Ujest-Bennigsen mit einander vergleichen
und den heftigen Gegensatz, der darum entbrannte, und die Spannung der
namentlicher Abstimmung beachten sollte, der wird ein -- hoffentlich heiteres --
Lächeln schwerlich von seinen Lippen fern halten. Denn der Unterschied in


22*

können. Hat der Reichstag in Wahrheit einmal dergleichen zu moniren. so giebt
der ihm vorgelegte Militäretat jede Veranlassung dazu, dergleichen in geeigneter
Weise zur Sprache zu bringen. Denn daS gelegentliche Abstreichen einer
Generalstelle, der Baugelder für eine Kaserne und ähnliche kleine Vexationen
einer übergreifenden Negierung sind nur Mittel zu ärgern, nicht Abhilfe zu
schaffen.

Unterdeß sind wir zu einem großen Staat herangewachsen, von kriegen-
schen und mißgünstigen Nachbarn umgeben, wir brauchen ein großes Heer, um
die neue Stellung zu behaupten, und unsere nächste Pflicht ist, nach dieser
Richtung Opfer zu bringen. Ja man darf behaupten, daß auch die Eingewöh¬
nung unserer süddeutschen Stammgenossen in den Bund, im Anfange und vor¬
nehmlich durch die Eingewöhnung in unsere Heeresorganisation und die Zucht
derselben erfolgen wird; ohne diese Heereszucht aber wahrscheinlich niemals er¬
folgen wird. Und immer wieder müssen wir uns daran erinnern, daß seit
vorigem Jahre einige Grundlagen unseres Lebens sich geändert haben, wir sind
vor allem genöthigt, ein kriegerisches Volk zu sein, nicht um zu erobern, sondern
um uns zu behaupten.

Wie bekannt, vollzog sich Besprechung dieser Interessen und Vereinbarung
über den Wortlaut des Gesehentwurfes im Reichstage durch zweimalige Ver¬
handlung. Bei der ersten, der Vorverhandlung, formulirten die liberalen
Fractionen und die Separatisten Abänderungsvorschläge, welche zu etwas mehr
als 2 Drittheilen bei der Abstimmung verworfen wurden. Nach der Vorverhand¬
lung war der Entwurf so weit in liberalem Sinne redigirt. als die Zusammen¬
setzung des Hauses und die äußerst mangelhafte Methode der Verhandlung ge¬
stattete. In den Ruhetagen vor der zweiten, der sog. Schlußberathung, beschlossen die
Regierungen, was von den Aenderungen durch den Reichstag ihnen annehmbar
sei; etwa 34 Amendements wurden angenommen, etwa vier, die wichtigsten, für
unannehmbar erklärt oder beanstandet. Die Schlußberathung war also wesent¬
lich nichts als eine Restriktion der liberalen Aenderungen in die den Verbün¬
deten Regierungen annehmbar erscheinende Form. Dies geschah in der Art,
daß die Regierung durch Mitglieder der Rechten den betreffenden, in oppositio¬
nellen Sinn geänderten Artikeln ihre Forderungen in Form neuer Amendement«
gegenüberstellte, während auch die nationale Partei bei den Concessionen, welche
ihr zugemuthet wurden, in Gegenamendements so viel als möglich von ihrem
Standpunkt zu behaupten suchte. Darum wurde eifrig gekämpft. Wer aber
einst den Wortlaut der letzten Amendements, welche einander gegenüberstanden,
z. B. der von Stollberg und von Ujest-Bennigsen mit einander vergleichen
und den heftigen Gegensatz, der darum entbrannte, und die Spannung der
namentlicher Abstimmung beachten sollte, der wird ein — hoffentlich heiteres —
Lächeln schwerlich von seinen Lippen fern halten. Denn der Unterschied in


22*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190869"/>
          <p xml:id="ID_527" prev="#ID_526"> können. Hat der Reichstag in Wahrheit einmal dergleichen zu moniren. so giebt<lb/>
der ihm vorgelegte Militäretat jede Veranlassung dazu, dergleichen in geeigneter<lb/>
Weise zur Sprache zu bringen. Denn daS gelegentliche Abstreichen einer<lb/>
Generalstelle, der Baugelder für eine Kaserne und ähnliche kleine Vexationen<lb/>
einer übergreifenden Negierung sind nur Mittel zu ärgern, nicht Abhilfe zu<lb/>
schaffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_528"> Unterdeß sind wir zu einem großen Staat herangewachsen, von kriegen-<lb/>
schen und mißgünstigen Nachbarn umgeben, wir brauchen ein großes Heer, um<lb/>
die neue Stellung zu behaupten, und unsere nächste Pflicht ist, nach dieser<lb/>
Richtung Opfer zu bringen. Ja man darf behaupten, daß auch die Eingewöh¬<lb/>
nung unserer süddeutschen Stammgenossen in den Bund, im Anfange und vor¬<lb/>
nehmlich durch die Eingewöhnung in unsere Heeresorganisation und die Zucht<lb/>
derselben erfolgen wird; ohne diese Heereszucht aber wahrscheinlich niemals er¬<lb/>
folgen wird. Und immer wieder müssen wir uns daran erinnern, daß seit<lb/>
vorigem Jahre einige Grundlagen unseres Lebens sich geändert haben, wir sind<lb/>
vor allem genöthigt, ein kriegerisches Volk zu sein, nicht um zu erobern, sondern<lb/>
um uns zu behaupten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_529" next="#ID_530"> Wie bekannt, vollzog sich Besprechung dieser Interessen und Vereinbarung<lb/>
über den Wortlaut des Gesehentwurfes im Reichstage durch zweimalige Ver¬<lb/>
handlung. Bei der ersten, der Vorverhandlung, formulirten die liberalen<lb/>
Fractionen und die Separatisten Abänderungsvorschläge, welche zu etwas mehr<lb/>
als 2 Drittheilen bei der Abstimmung verworfen wurden. Nach der Vorverhand¬<lb/>
lung war der Entwurf so weit in liberalem Sinne redigirt. als die Zusammen¬<lb/>
setzung des Hauses und die äußerst mangelhafte Methode der Verhandlung ge¬<lb/>
stattete. In den Ruhetagen vor der zweiten, der sog. Schlußberathung, beschlossen die<lb/>
Regierungen, was von den Aenderungen durch den Reichstag ihnen annehmbar<lb/>
sei; etwa 34 Amendements wurden angenommen, etwa vier, die wichtigsten, für<lb/>
unannehmbar erklärt oder beanstandet. Die Schlußberathung war also wesent¬<lb/>
lich nichts als eine Restriktion der liberalen Aenderungen in die den Verbün¬<lb/>
deten Regierungen annehmbar erscheinende Form. Dies geschah in der Art,<lb/>
daß die Regierung durch Mitglieder der Rechten den betreffenden, in oppositio¬<lb/>
nellen Sinn geänderten Artikeln ihre Forderungen in Form neuer Amendement«<lb/>
gegenüberstellte, während auch die nationale Partei bei den Concessionen, welche<lb/>
ihr zugemuthet wurden, in Gegenamendements so viel als möglich von ihrem<lb/>
Standpunkt zu behaupten suchte. Darum wurde eifrig gekämpft. Wer aber<lb/>
einst den Wortlaut der letzten Amendements, welche einander gegenüberstanden,<lb/>
z. B. der von Stollberg und von Ujest-Bennigsen mit einander vergleichen<lb/>
und den heftigen Gegensatz, der darum entbrannte, und die Spannung der<lb/>
namentlicher Abstimmung beachten sollte, der wird ein &#x2014; hoffentlich heiteres &#x2014;<lb/>
Lächeln schwerlich von seinen Lippen fern halten. Denn der Unterschied in</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 22*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0175] können. Hat der Reichstag in Wahrheit einmal dergleichen zu moniren. so giebt der ihm vorgelegte Militäretat jede Veranlassung dazu, dergleichen in geeigneter Weise zur Sprache zu bringen. Denn daS gelegentliche Abstreichen einer Generalstelle, der Baugelder für eine Kaserne und ähnliche kleine Vexationen einer übergreifenden Negierung sind nur Mittel zu ärgern, nicht Abhilfe zu schaffen. Unterdeß sind wir zu einem großen Staat herangewachsen, von kriegen- schen und mißgünstigen Nachbarn umgeben, wir brauchen ein großes Heer, um die neue Stellung zu behaupten, und unsere nächste Pflicht ist, nach dieser Richtung Opfer zu bringen. Ja man darf behaupten, daß auch die Eingewöh¬ nung unserer süddeutschen Stammgenossen in den Bund, im Anfange und vor¬ nehmlich durch die Eingewöhnung in unsere Heeresorganisation und die Zucht derselben erfolgen wird; ohne diese Heereszucht aber wahrscheinlich niemals er¬ folgen wird. Und immer wieder müssen wir uns daran erinnern, daß seit vorigem Jahre einige Grundlagen unseres Lebens sich geändert haben, wir sind vor allem genöthigt, ein kriegerisches Volk zu sein, nicht um zu erobern, sondern um uns zu behaupten. Wie bekannt, vollzog sich Besprechung dieser Interessen und Vereinbarung über den Wortlaut des Gesehentwurfes im Reichstage durch zweimalige Ver¬ handlung. Bei der ersten, der Vorverhandlung, formulirten die liberalen Fractionen und die Separatisten Abänderungsvorschläge, welche zu etwas mehr als 2 Drittheilen bei der Abstimmung verworfen wurden. Nach der Vorverhand¬ lung war der Entwurf so weit in liberalem Sinne redigirt. als die Zusammen¬ setzung des Hauses und die äußerst mangelhafte Methode der Verhandlung ge¬ stattete. In den Ruhetagen vor der zweiten, der sog. Schlußberathung, beschlossen die Regierungen, was von den Aenderungen durch den Reichstag ihnen annehmbar sei; etwa 34 Amendements wurden angenommen, etwa vier, die wichtigsten, für unannehmbar erklärt oder beanstandet. Die Schlußberathung war also wesent¬ lich nichts als eine Restriktion der liberalen Aenderungen in die den Verbün¬ deten Regierungen annehmbar erscheinende Form. Dies geschah in der Art, daß die Regierung durch Mitglieder der Rechten den betreffenden, in oppositio¬ nellen Sinn geänderten Artikeln ihre Forderungen in Form neuer Amendement« gegenüberstellte, während auch die nationale Partei bei den Concessionen, welche ihr zugemuthet wurden, in Gegenamendements so viel als möglich von ihrem Standpunkt zu behaupten suchte. Darum wurde eifrig gekämpft. Wer aber einst den Wortlaut der letzten Amendements, welche einander gegenüberstanden, z. B. der von Stollberg und von Ujest-Bennigsen mit einander vergleichen und den heftigen Gegensatz, der darum entbrannte, und die Spannung der namentlicher Abstimmung beachten sollte, der wird ein — hoffentlich heiteres — Lächeln schwerlich von seinen Lippen fern halten. Denn der Unterschied in 22*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/175
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/175>, abgerufen am 02.10.2024.