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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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noch über drei Jahre auszudehnen und man hat deshalb drei Jahre Dienstzeit,
vier Jahre Reserve amendirt. In der Sache selbst war gegenüber dem bei weitem
größten Theil des Heeres kein Grund zu Bedenken. Ja , wenn man die vor¬
liegende Bestimmung des Artikel SS (S9) mit den übrigen Bestimmungen über
Heeresorganisation zusammenhält, ist viel eher Grund, daraus eine künftige noth¬
wendige Herabsetzung der Dienstzeit zu folgern, als das Gegentheil. Die einfache
Schlußfolgerung empfiehlt sich der Beachtung.

Art. S3 (S7) stellt dem Heere die gestimmte waffenfähige Jugend zu Gebote.
Art. S6 (60) normirt die Präsenzstärke des Friedensheeres auf 300,000 M.
Art. S8 (62) contingentirt die Kosten- jedes dieser 300,000 Mann.

Die Bundesregierung ist also außer Stande mehr als 300,000 Mann unter
der Fahne zu halten und zu bezahlen, die verbündeten Regierungen und der
Reichstag werden dann gleich eifrige Wächter sein.

Da nun Truppenzahl und Geld fest bemessen sind, welches Mittel bleibt
der Regierung, um innerhalb dieser beiden Schranken die Wehrkraft der Nation
möglichst hoch zu steigern? kein anderes, als'in dem gegebenen Rahmen so viel
Soldaten auszubilden als möglich ist. das heißt mit anderen Worten, die Dienst¬
zeit so kurz zu bemessen, als die Rücksicht aus die Ausbildung der Mannschaft
irgend gestattet. Die Zahl aber der jährlich einzustellenden Recruten ist ihr nicht
limitirt. Und dies ist ganz vortrefflich, und z. B. im Gegensatz zu anderen
Heeren ein charakteristischer, selten genügend gewürdigter Vorzug des preußischen
und des neuen Bundesbeeres. Freiheit in der Zahl der einzustellen¬
den Recruten und Normirung der Truppenzahl unter der Fahne
führt nothwendig zur Verkürzung der Dienstzeit. Wenn 300,000
Mann unter der Fahne stehen, so ist unverwehrt, daß 120,000 davon jedem
ersten und zweiten, 60,000 jedem dritten Jahrgang angehören; daß also in
Wahrheit innerhalb drei Jahren nicht 300,000, sondern 340 -- 360,000 Mann
eingestellt und ausgebildet werden. In der That war schon wahrend der letzten
Jahre in der preußischen Infanterie trotz, der nominell dreijährigen Dienstzeit
der Anfang gemacht, ein ähnliches Verhältniß herbeizuführen.

Nun beachte man daneben die bedrohliche Lage Norddeutschlands, den Eifer
der Regierung, so schnell als möglich das vorhandene Menschenmaterial der neu-
erworbenen und Bundesländer militärisch zu organisiren und man wird zugeben,
daß die Regierung jede Aufforderung hat, die Dienstzeit so kurz als möglich zu
bemessen, keine Möglichkeit, sie für die Hauptmasse des Heeres, die Infanterie,
zu verlängern. --

Die erwähnten Artikel in ihrer Verbindung sichern uns erstens ein großes
volksthümliches Heer, zweitens dadurch, daß nicht die Zahl der Auszuhebenden
limitirt, ist, sondern die Präsenzstärke bei der Fahne, ein junges Heer mit reich¬
lichen Reserven und möglichst kurzer Dienstzeit, während im französischen Heere,


Grenzboten II. 1867. 22

noch über drei Jahre auszudehnen und man hat deshalb drei Jahre Dienstzeit,
vier Jahre Reserve amendirt. In der Sache selbst war gegenüber dem bei weitem
größten Theil des Heeres kein Grund zu Bedenken. Ja , wenn man die vor¬
liegende Bestimmung des Artikel SS (S9) mit den übrigen Bestimmungen über
Heeresorganisation zusammenhält, ist viel eher Grund, daraus eine künftige noth¬
wendige Herabsetzung der Dienstzeit zu folgern, als das Gegentheil. Die einfache
Schlußfolgerung empfiehlt sich der Beachtung.

Art. S3 (S7) stellt dem Heere die gestimmte waffenfähige Jugend zu Gebote.
Art. S6 (60) normirt die Präsenzstärke des Friedensheeres auf 300,000 M.
Art. S8 (62) contingentirt die Kosten- jedes dieser 300,000 Mann.

Die Bundesregierung ist also außer Stande mehr als 300,000 Mann unter
der Fahne zu halten und zu bezahlen, die verbündeten Regierungen und der
Reichstag werden dann gleich eifrige Wächter sein.

Da nun Truppenzahl und Geld fest bemessen sind, welches Mittel bleibt
der Regierung, um innerhalb dieser beiden Schranken die Wehrkraft der Nation
möglichst hoch zu steigern? kein anderes, als'in dem gegebenen Rahmen so viel
Soldaten auszubilden als möglich ist. das heißt mit anderen Worten, die Dienst¬
zeit so kurz zu bemessen, als die Rücksicht aus die Ausbildung der Mannschaft
irgend gestattet. Die Zahl aber der jährlich einzustellenden Recruten ist ihr nicht
limitirt. Und dies ist ganz vortrefflich, und z. B. im Gegensatz zu anderen
Heeren ein charakteristischer, selten genügend gewürdigter Vorzug des preußischen
und des neuen Bundesbeeres. Freiheit in der Zahl der einzustellen¬
den Recruten und Normirung der Truppenzahl unter der Fahne
führt nothwendig zur Verkürzung der Dienstzeit. Wenn 300,000
Mann unter der Fahne stehen, so ist unverwehrt, daß 120,000 davon jedem
ersten und zweiten, 60,000 jedem dritten Jahrgang angehören; daß also in
Wahrheit innerhalb drei Jahren nicht 300,000, sondern 340 — 360,000 Mann
eingestellt und ausgebildet werden. In der That war schon wahrend der letzten
Jahre in der preußischen Infanterie trotz, der nominell dreijährigen Dienstzeit
der Anfang gemacht, ein ähnliches Verhältniß herbeizuführen.

Nun beachte man daneben die bedrohliche Lage Norddeutschlands, den Eifer
der Regierung, so schnell als möglich das vorhandene Menschenmaterial der neu-
erworbenen und Bundesländer militärisch zu organisiren und man wird zugeben,
daß die Regierung jede Aufforderung hat, die Dienstzeit so kurz als möglich zu
bemessen, keine Möglichkeit, sie für die Hauptmasse des Heeres, die Infanterie,
zu verlängern. —

Die erwähnten Artikel in ihrer Verbindung sichern uns erstens ein großes
volksthümliches Heer, zweitens dadurch, daß nicht die Zahl der Auszuhebenden
limitirt, ist, sondern die Präsenzstärke bei der Fahne, ein junges Heer mit reich¬
lichen Reserven und möglichst kurzer Dienstzeit, während im französischen Heere,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/173>, abgerufen am 22.07.2024.