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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band.

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mentarischen Rencontres mit Gneist seine Gewohnheit ist, diesem scharfsinnigen
Abgeordneten in einer Rede zu erwidern, welche die bewundernde Anerkennung
seines juristischen Verstandes und die Schärfe seiner Deductionen mit zu viel,
wenig verhehlter, die allgemeinste Heiterkeit erweckender Ironie verfolgte, um
nicht dem gelehrten Gegner ziemlich unbehaglich zu werden. In der Special-
debatte über den betreffenden Paragraphen übernahmen es nach altem Gebrauch
wieder Herr Wagener und Herr v. Blankenburg, mit all den bekannten Decl¬
inationen auch gegen die mäßigste und verständigste Amendirung des Entwurfs
vorzugehen, komme diese von welcher Seite des Hauses sie wolle. Waldeck, der
sich seinem Princip getreu auf die Artikel der beschworenen preußischen Ver¬
fassung zurückzog, um von diesen aus die widerstrebenden, sie lahm legenden
neuen Feststellungen des Entwurfes einfach zurückzuweisen und die ganze liberale
Partei des Hauses zu beschwören, der hier beabsichtigten "Expropriation des
preußischen Budgetrcchts ihre Sanction zu verweigern". -- Waldeck erfuhr
von diesen Herren eine kaum weniger rücksichtslose höhnende Abfertigung und
Verdammung als Gneist und Miquöl, und überraschenderweise der eigene
seitherige Parteigenosse Graf Bethusy-Huc. Diesem Mitgliede der freien conser-
vativen Vereinigung war freilich das Unerhörte passirt, für Miquöls einjährige
Finanzperiode zu sprechen und die Versicherung zu geben, daß die conservative
Partei den ernsten Willen habe, die constitutionellen Rechte des Volkes zu
wahren. Für eine so offenbare Absallserklärung glaubte Herr Wagener denn
sein Strafrichteramt üben zu müssen. Daß er sich in einer poetischen Anwand¬
lung, durch irgendwelches tertium c0mxirra,t,ioni8 verleitet, dazu verstieg, den
edlen Grafen mit "Faust" zu vergleichen, war von Seiten eines Mannes mit
dem Namen "Wagener" jedenfalls Humor auf eigene Kosten. Wie vorauszu¬
sehen hat Herr v. Bethusy seinem Angreifer die auch gar zu nah liegende
Replik nicht erlassen, wenn er schon in parlamentarischer Höflichkeit den "trocknen
Schleicher" sich zu versagen vorzog. -- In seinen Versicherungen der Unan-
nehmbarkeit gewisser Amendements wurde in zärtlicher entends der Finanz¬
minister vom sächsischen Bundescommissar Herrn v. Friesen bereitwillig unter¬
stützt, der damit die etwas zur Schau getragene Rücksicht und Freundschaft
lohnte, welche die preußische Regierung und die Rechte des Hauses gegenwärtig
bei jeder Gelegenheit den sächsischen Abgeordneten zu erweisen bemüht ist. --
Von praktischem Erfolg für die vorläufigen Beschlüsse des Reichstags sind
übrigens weder die Erklärungen der Minister noch die Anstrengungen ihrer
dienstbereiten Freunde in diesen speciellen Fällen gewesen. Bei der Abstimmung
ist der Artikel 66 des Entwurfs (der von den Matrikularbeiträgen) abgelehnt
und die beiden auf Miquöls Antrag einzuschaltenden Artikel 68 und 69: "Ueber
die Verwendung aller Einnahmen des Bundes ist vom Präsidium dem Bundes-


Grenzbotm II. 1867. 20

mentarischen Rencontres mit Gneist seine Gewohnheit ist, diesem scharfsinnigen
Abgeordneten in einer Rede zu erwidern, welche die bewundernde Anerkennung
seines juristischen Verstandes und die Schärfe seiner Deductionen mit zu viel,
wenig verhehlter, die allgemeinste Heiterkeit erweckender Ironie verfolgte, um
nicht dem gelehrten Gegner ziemlich unbehaglich zu werden. In der Special-
debatte über den betreffenden Paragraphen übernahmen es nach altem Gebrauch
wieder Herr Wagener und Herr v. Blankenburg, mit all den bekannten Decl¬
inationen auch gegen die mäßigste und verständigste Amendirung des Entwurfs
vorzugehen, komme diese von welcher Seite des Hauses sie wolle. Waldeck, der
sich seinem Princip getreu auf die Artikel der beschworenen preußischen Ver¬
fassung zurückzog, um von diesen aus die widerstrebenden, sie lahm legenden
neuen Feststellungen des Entwurfes einfach zurückzuweisen und die ganze liberale
Partei des Hauses zu beschwören, der hier beabsichtigten „Expropriation des
preußischen Budgetrcchts ihre Sanction zu verweigern". — Waldeck erfuhr
von diesen Herren eine kaum weniger rücksichtslose höhnende Abfertigung und
Verdammung als Gneist und Miquöl, und überraschenderweise der eigene
seitherige Parteigenosse Graf Bethusy-Huc. Diesem Mitgliede der freien conser-
vativen Vereinigung war freilich das Unerhörte passirt, für Miquöls einjährige
Finanzperiode zu sprechen und die Versicherung zu geben, daß die conservative
Partei den ernsten Willen habe, die constitutionellen Rechte des Volkes zu
wahren. Für eine so offenbare Absallserklärung glaubte Herr Wagener denn
sein Strafrichteramt üben zu müssen. Daß er sich in einer poetischen Anwand¬
lung, durch irgendwelches tertium c0mxirra,t,ioni8 verleitet, dazu verstieg, den
edlen Grafen mit „Faust" zu vergleichen, war von Seiten eines Mannes mit
dem Namen „Wagener" jedenfalls Humor auf eigene Kosten. Wie vorauszu¬
sehen hat Herr v. Bethusy seinem Angreifer die auch gar zu nah liegende
Replik nicht erlassen, wenn er schon in parlamentarischer Höflichkeit den „trocknen
Schleicher" sich zu versagen vorzog. — In seinen Versicherungen der Unan-
nehmbarkeit gewisser Amendements wurde in zärtlicher entends der Finanz¬
minister vom sächsischen Bundescommissar Herrn v. Friesen bereitwillig unter¬
stützt, der damit die etwas zur Schau getragene Rücksicht und Freundschaft
lohnte, welche die preußische Regierung und die Rechte des Hauses gegenwärtig
bei jeder Gelegenheit den sächsischen Abgeordneten zu erweisen bemüht ist. —
Von praktischem Erfolg für die vorläufigen Beschlüsse des Reichstags sind
übrigens weder die Erklärungen der Minister noch die Anstrengungen ihrer
dienstbereiten Freunde in diesen speciellen Fällen gewesen. Bei der Abstimmung
ist der Artikel 66 des Entwurfs (der von den Matrikularbeiträgen) abgelehnt
und die beiden auf Miquöls Antrag einzuschaltenden Artikel 68 und 69: „Ueber
die Verwendung aller Einnahmen des Bundes ist vom Präsidium dem Bundes-


Grenzbotm II. 1867. 20
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_349917/157>, abgerufen am 03.07.2024.